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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Haare (der Pflanzen)
aufsteigt als an einem unbehaarten Körperteile.
Die H^ wirken also ebenso und aus denselben Ur-
sachen als schlechter Wärmeleiter wie eine Stroh- !
decke oder wie unsere Kleidung. Darum sind aucb
die dichtesten Pelze die wärmsten. Die Wimpern
schützen das Auge vor Staub und vor grellem
Sonnenschein. Ferner uehmen die H. nicht bloß
sehr leicht Feuchtigkeit auf (sind hygroskopisch), so-
daß sie zur Anfertigung von Hygrometern (Luft-
feuchtigkeitsmessern) benutzt werden, sondern auch
riechende Stoffe (Schweiß, Tabakrauch) und halten
diese hartnäckig zurück. Durch Neiden werden die
H. elektrisch, und trocknes Haar kann deim Kämmen,
bei der Entladung der elektrischen Funken, knistern;
auck stoßen sich so mit Elektricität geladene H. gegen-
seitig ab und starren borstig auseinander. Ferner
zeiämen sich die H. durch große Festigkeit und Dehn-
barkeit aus; ein menschliches Haar zerreiht durch-
schnittlich erst bei einer Belastung von 150-180 A.
Während die H. selbst gefühllos sind, übertragen sie
ihnen mitgeteilte Bewegungen, ihrer Starre wegen,
leicbt auf die Tastorgane des Haarbodcns, sodaß
eine Berührung des Haars leicht empfunden wird.
Schönes Haupt- und Barthaar gilt von alters her
als natürlicher Schmuck.
Das Ergrauen der H. ist eine Erscheinung,
welche regelmäßig mit dem Alter eintritt und wohl
ebenso mit dem Erlöschen der Lebensthätigkeit zu-
sammenhängt wie die Abnahme der Ernährung
aller andern Organe im Alter. Aber auch bei ju-
gendlichen, uamentlich brünetten Personen er-
grauen die H. häusig, und in diesen Fällen ist die
Veränderung der H. oft erblich. Auck lommt es
vor, daß schon in frühester Jugend mitten unter
selbst ganz schwarzen H. Büscbel ganz weißer stehen.
Es sind aber auch Fälle von plötzlichem Ergrauen
der H. bekannt, in denen infolge heftiger Gemüts-
enckütterungen das Haar in einer Nacht ergraute
(Marie Antoinette, Thomas Morus, Ludwig von
Bayern). Die natürliche Farbe des Haars kann
durch kein Mittel wiederhergestellt werden, und
man vermag sich nur durch ein fortgesetztes Färben
der H. zu helsen. (S. Haarfärbemittel.)
Hinsichtlich der Pflege des Haars ist als oberster
Grundsatz festzuhalten, daß jede andauernde über-
mäßige Neizung der Kopfhaut durch allzu festes
Binden und zerrende Frisuren, durch zu starkes
Bürsten und häusiges Brennen, durch zu schwere
oder schlecht sitzende Kopfbedeckungen, durch kalte
Douchen auf den Kopf u. dgl. dem Haarboden
außerordentlich leicht schadet und desbalb durchaus
unterbleiben soll. Auch zu starke Wärme (über-
mäßig warme Kopfbedeckungen, Pelzmützen, wasser-
dichte Mützen) sowie ein zu schneller Wechsel zwi-
schen Wärme und Kälte sind dem Haarleben durch-
aus nicht förderlich. Ein weiteres wichtiges Er-
fordernis zum Konservieren des Haars ist die öftere
gehörige Reinigung der Kopfhaut durch Abkämmen
der Oberhautschüppchen und zeitweilige Waschun-
gen des Haarbodens mit lauem Seifenwasser oder
einer Abkochung von Mandel- oder Weizenkleien;
auch Waschungen mit Eigelb, Honig- oder Veilchen-
wasser sind zu empfehlen. Nach dem jedesmaligen
Waschen des Kopfes ist das Haar gut abzutrocknen
und sodann mit einem reinen milden Ol (Olivenöl,
Mandelöl) einzuölen; ranzige sowie start parfü-
mierte Öle und Pomaden dürfen durchaus nicht
verwendet werden. Über den Einfluß des Verschnei-
dens der H. auf die Ernährung des Haarkeims sind
die Meinungen der Ärzte geteilt; allzu häusiges
Abschneiden scheint nachteilig zu wirken.
Unter den eigentlichen Krankheiten der H. ist
das vorzeitige Ausfallen oder der chronische Haar-
schwund (Alopetie) besonders verbreitet und die
häufigste Ursache der Kahlköpfigkeit. (S. Haar-
schwund.) Eine spröde Beschaffenheit und Brü-
chigkeit ist manchem Haar eigentümlich, ohne gerade
kranthaft zu sein, und wird in vielen Fällen durch
Einfetten gemildert und befeitigt. In andern
Fällen nisten Pilze im Haar und bewirken ein Aus-
fallen der H., sodaß entweder inmitten einer stark
behaarten Gegend vollkommen kahle runde Flecken
entstehen, welche sich allmählich über den ganzen
Kopf ausbreiten und schließlich totale Kahltöpfig-
keit verursacken (sog. kreisfleckige Kahlhcit,
^i'6a (^Isi oder ^lopscik areat^), oder das erkrankte
Haar dicht über der Haut abbricht und wie kurz abge-
schoren erscbeint (sog. Scherende Flechte, Her-
1)63 ton8ui-an8, s. Herpes). Auch der Erbgrindpilz
führt leickt zum Verlust des Haupthaars. (S. Fa-
vus.) Alle diese Haarpilze sind leicht durch An-
steckung auf Gesunde übertragbar und schwer zu
bekämpfen; in der Ziegel sind sie nur durch gänz-
liches Abschneiden der H. und die methodische An-
wendung pilztötender (parasiticider) Mittel, wie
Sublimatlösungen, Benzin, Petroleum, Carbol-
säure, Naphthol u. dgl. zu beseitigen. Auch tieri-
sche Parasiten nehmen in den H. ihren Wohnsitz,
sind aber leicht durch Reinlichkeit zu vertreiben.
Der Weichselzopf (s. d.) endlich ist keine Haarkrank-
heit, sondern nur eine Folge der Unsauberkeit. -
Vgl. Pfaff, Das menschliche Haar (2. Aufl., Lpz.
1369); Pincus, Die Krankheiten des menschlichen
Haars und die Haarpflege (2. Aufl., Berl. 1879);
Schultz, Haut, H. und Nägel (3. Aufl., Lpz. 1885);
Clasen, Die Haut und das Haar (4. Aufl., Stuttg.
1892). - Über das Kulturgeschichtliche s. Haartracht.
Haare (derPflanzen)oderTrichome, diejenigen
Gebilde der Pflanzen, die auf der Oberstäche von
Stengel, Wurzel und Blättern über der Epidermis
stehen und aus dieser, nicht aber aus dem darunter
liegenden Gewebe entstanden sind. Es gehören jedoch
nicht alle Organe, die aus der Epidermis hervor-
gehen, zu den H., so entstehen z. V. die Sporangien
der Farne (s. d.) ebenfalls aus der Epidermis. Die
Form der H. ist eine sehr verschiedenartige. Je nach
der Anzahl der Zellen, aus denen sie bestehen, unter-
scheidet man einzellige und mehrzellige oder zusam-
mengesetzte. Die einzelligen (Fig. 1-4) können kleine
papillen-, blasen- oder schlauchartige (Fig. 1) Er-
hebungen darstellen, wie auf vielen Blumenblättern
mit sog. Sammetglanz, oderauch lange Schläuche, die
miteinander verflochten sind, wie sie sich in den Filz-
überzügen an manchen Blättern finden (Woll-
haare, Fig. 2); auch stern- oder strahlenförmige
Verzweigung kommt bei einzelligen H. vor (Stern-
haare, Fig. 3). Zwischen den papillenartigen und
schlauchförmigen H. giebt es alle Übergänge. Bei
den mehrzelligen H. sind zu unterscheiden
solche, die aus einer Reihe von Zellen bestehen,
und solche, die aus mehrern Reihen zusammen-
gesetzt sind. Die erstern sind die häufigern; sie
können mit einer zugespitzten oder mit einer köpf-
chenartig angeschwollenenZelle endigen (Köpfchen-
haare); wird von der kugeligen Endzelle ein Se-
kret abgeschieden, wie dies bei den meisten stark
neckenden oder klebrigen Pflanzen der Fall ist, so
bezeichnet man solche H. als Drüseuhaare (Fig. 5,