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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hafen
Wasser und genügende Wassertiefe sein. Durch
Schutzbauten oder andere Einrichtungen muß man
im stände sein, die Wassertiefe in der Einfahrt und
im H. stets gleichmäßig zu erhalten, d. h. den H.
vor Versandung zu schützen. Jeder gute H. muß
außerdem eine Reede haben, d. h. eine geschützte
Meeresfläche mit gutem Ankergrund und nicht zu
großen Wassertiefen; hier erwarten die Schiffe die
günstige Zeit zum Einlaufen (die von den Gezeiten
abhängt) sowie auch die Zeit zum Absegeln. Ge-
wöhnlich werden die Reeden durch eine Küstenbucht
gebildet; je mehr Berge, Inseln u. s. w. die Reede
umgeben, um so geschützter ist sie. Offene Reeden
nennt man solche, die nur von unter Wasser liegenden
Sandbänken geringen Schutz erhalten. Auch große
Flußmündungen können als Reeden dienen, z. B.
die Elbe bei Cuxhaven, der Tajo bei Lissabon.
Offene und daher sehr gefürchtete Reeden haben
KapstadtinderTafelbucht/WilhelmshavenbeiSchil-
lighörn (die sog. Außenreede), Havre beim Kap La
Höve. Wo die Natur keine geschützte Reede gewährt,
sind zuweilen durch großartige Bauten Reeden ge-
bildet worden, so bei Cherbourg und Plymouth.
Kriegshäfen bedürfen der Reede besonders, um dort
die Geschwader zum Angriff zu formieren. Bei ein-
zelnen H. gehen Reede und H. fast unvermittelt in-
einander über, so im Kieler H. Die Zahl der Küsten-
punkte, die die meisten der genannten Bedingungen
erfüllen, ist überall beschränkt; doch findet man im
allgemeinen an felsigen, gebirgigen Küsten mehr
natürliche Häfen, als an stachen, sandigen Küsten.
Stark zergliederte Küsten, wie die der brit. Inseln,
Skandinaviens und der Bretagne, zeigen die meisten
H.; doch sind hier häufig die Einfahrten durch zahl-
reiche Klippen sehr gefährlich.
Die natürlichen Seehäfen kann man der
Entstehung nach in drei Klassen teilen: 1) Auf-
schüttung s Häfen, wenn durch Aufschüttung vor
der Küste ein Teil des Meers abgesondert ist;
2) Einbruchs Häfen, die durch Einbruch des
Meers in das Festland entstanden sind, und 3) Fluß -
oder M ü ndunashäfen, an den Mündungen gro-
ßer Flüsse ins Meer. Reine Typen kommen selten
vor, meist sind mehrere kombiniert. Die Auffchüt-
tung beim ersten Typus kann verschiedener Art
sein: Sandablagerunaen (Nehrungen) bei Lagunen-
uno Haffhäfen, wie Memel, Pillau, Venedig, die
aber der Gefahr der Versandung ausgefetzt sind,
vulkanische Aufschüttung, wenn vulkanische Inseln
sich vorlagern, wie bei Auckland, oder wenn der
Krater selbst unter Wasser gesetzt wurde, wie bei den
sog. Kraterhäfen (Aden, Santorin); endlich
Korallenbauten, fowohl bei Ringinfeln als auch
Strandriffen, wie Honolulu, Apia u. a. Die Ein-
bruchshäfen, weit häufiger als die vorhergehenden,
sind am typischsten vertreten in den Fjordhäfen
(Bergen, Kristiania, Stockholm, Boston) und Rias -
Häfen (La Coruna, Brest, Plymouth, Falmouth,
Sydney). Hierher gehören auch die durch Vorlage-
rung von Inseln gebildeten Insel Häfen, wie
solche das Altertum in Alexandria, Tyros und Sidon
hatte; jetzt sind Callao, Southampton, Portsmouth
charakteristische Beispiele. An Flachküsten überwiegt
der dritte Typus. An den Meeren mit Ebbe und Flut
hat man seit Jahrtausenden die meisten H. in Fluß-
mündungen angelegt. Dies rührt daher, daß fast
alle oceanischen Fluhmündungen mehr oder weniger
tiefe Buchten bilden; nur im Mittelmeer, wo kein
Gezeitenwecksel ist, bilden die Flußmündungen Vor-
sprünge, Deltas. Auch die heutigen wichtigsten Han-
delshäfen liegen an Flüssen, z. B. London, Hamburg,
Liverpool, Neuyork, Bombay, Shang-Hai, Antwer-
pen, Bordeaux, Rotterdam, Hüll, Lissabon, Sevilla,
Bremen, Stettin, Danzig, Königsberg, Lübeck, also
fast alle deutschen Handelshäfen. Mcchgebend ist
bei vielen dieser Plätze die Zeit ihrer Gründung ge-
wesen; die alten Hansehäfen lagen fast nur an Flüs-
sen, oft weit aufwärts vom Meere; die Schiffe jener
Zeit hatten fo geringen Tiefgang, daß sie weit fluß-
aufwärts fahren konnten. Als später größere See-
schiffe gebaut wurden, wurde mancher Seehafen zur
Binnenstadt, 2. B. Köln am Rhein. Auch Lübeck
hat infolge seiner ungünstigen Lage an einem kleinen
Flühchen längst seine alte Bedeutung als erster
deutscher Seehafen verloren. Ebenso mußte Bre-
men gegen Hamburg weit zurückbleiben, als die
Größe der Schiffe in der zweiten Hälfte unsers
Jahrhunderts immer mehr zunahm. Jetzt vertieft
man mit großen Kosten die Iinterweser, damit See-
schiffe bis zu 5 in Tiefgang nach Bremen hinauf-
fahren können. Sehr wichtig für die Fluhhäfen sind
die Gezeiten. Ohne sie würden viele, wie Hamburg,
Rotterdam, Amsterdam, rasch an Bedeutung ver-
lieren. Die Fluhhäfen haben vor den andern Typen
noch den Vorzug, daß der Fluß zugleich eine bequeme
Wasserstraße ins Hinterland bildet, aber den Nachteil,
daß der Fluß versanden oder seinen Lauf ändern
kann. Auch Meerengen bieten zuweilen Gelegenheit
zur Anlage guter H., wie Konstantinopel, Kopen-
hagen und Esquimault (Vancouver) zeigen. Eine
große Zahl natürlicher H. befindet sich an Küsten-
buchten, die je nach der Stärke ihrer Krümmung
nur gegen einzelne Windrichtungen genügenden
Schutz gewähren können; Beispiele hierfür sind:
Vatum, Smyrna, Beirut, Cadiz, Port-au-Prince,
Port of Spam, Bahia, Valparaiso, Iokohama, Kobe,
Hakodate, Vatavia, Aden, Sansibar, Port Eliza-
beth, Kapstadt, Melbourne.
Wo keine Naturhäfen vorhanden waren, war
man genötigt, künstliche H. anzulegen. Studien
an den Resten von H. des Altertums haben er-
geben, daß schon vor etwa 3000 Jahren dieselben
Grundsätze bei der Anlage künstlicher H. galten wie
heute. Über Einzelheiten des alten Hafenbaues
geben besonders Vitruv und der jüngere Plinius
genaue Auskunft. Ein großartiger Hafenbau war
in Karthago ausgeführt; der Kriegshafen hatte Platz
für 220 Galeeren und besah Schiffbauwerften und
Werkstätten aller Art. Die Einfahrt war durch zwei
steinerne Molen (Dämme) geschützt, deren Endpunkte
Feuertürme trugen. Mit dem daneben liegenden
Handelshafen maß die geschützte Wasserfläche 26 ka.
Bei Alexandria bestand der H. zunächst aus einer
einfachen Reede im Schutze der Insel Pharos;
unter den Ptolcmäern wurde die Insel durch eine
Mole mit dem Festlande verbunden, die zwei Durch-
fahrten für die Schiffe besah, ^o entstand auf jeder
^eite der Mole ein geschützter H. An der Tibermün-
dung wurden die ersten Bauten von Ancus Mar-
tius begonnen; später baute Claudius einengrohen,
durch zwei Molen und einen zwischen ihren Enden
liegenden Wellenbrecher eingeschlossenen Vorhafen.
Trajan vollendete das Werk durch den Bau eines
großen Binnenhafens und eines neuen Tiberkanals.
Doch der riesige Hafenbau von Ostia konnte dem
Anwachfen der Küste an jener Stelle nicht wider-
stehen; er versandete bald und liegt jetzt etwa 4 1cm
landeinwärts vom Strande. Nach dem Sturze des