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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Heinrich IV. (römisch-deutscher Kaiser)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Heinrich IV. (römisch-deutscher Kaiser)'

während sie den Grafen Berthold von Zähringen, der nach ihres Gemahls Zusage Ansprüche auf dieses Herzogtum hatte, mit Kärnten entschädigte und dem sächs. Grafen Otto von Nordheim das erledigte Herzogtum Bayern verlieh. Aber sie erreichte damit nicht ihren Zweck. Otto von Nordheim und andere Fürsten, die sich zurückgestellt glaubten, vereinigten sich mit dem ehrgeizigen Erzbischof Anno von Köln zu dem Entschluß, sich der Person des jungen Königs und dadurch der Reichsverwaltung zu bemächtigen. Man lockte H. auf ein Rheinschiff und entführte ihn 1062 nach Köln, und Anno nahm nunmehr mit dem Besitz des Königs auch die Zügel des Reichs in seine Hand. Aber Anno erregte bald durch Eigennutz, Herrschsucht und Verschwendung der Reichsgüter allgemeinen Unwillen, sodaß er sich genötigt sah, dem Erzbischof Adalbert von Bremen die Regierung und bald auch die Erziehung Heinrichs zu überlassen. Anno hatte als Erzieher durch zu große Strenge auf den Charakter des jungen H. nachteilig eingewirkt; Adalbert war zu nachsichtig. Bald schloß H. mit voller Zuneigung sich an Adalbert an, der ihm seine Grundsätze über die unumschränkte Machtfülle des Throns und seine Abneigung gegen die sächs. Fürsten einpflanzte. Nach der Rückkehr von einem Feldzuge gegen die Ungarn ließ er 1065 den jungen König in seinem 15. Jahre nach ripuarischem Recht zu Worms in feierlicher Fürstenversammlung für mündig erklären und regierte nun für denselben. Die übrigen Fürsten jedoch, die ein starkes Königsregiment, wie es Heinrich III. geübt hatte, nicht wieder aufkommen lassen wollten, beriefen eigenmächtig eine Versammlung nach Tribur und setzten es durch, daß Adalbert den Hof verlassen mußte (1066). Für einige Jahre gewann nun wieder die Reichsregierung den aristokratischen Charakter, den Adalbert hatte beseitigen wollen; die Verwaltung der laufenden Geschäfte führten abwechselnd einzelne Bischöfe, und der König sah sich abermals an den herrschenden Einfluß Annos gekettet. Gegen seinen Willen mußte er die ihm bereits 10 Jahre vorher von seinem Vater anverlobte Bertha, Tochter der Markgräfin Adelheid von Turin, heiraten (13. Juli 1066). Nach einem energischen, aber vergeblichen Versuch, sich dieser neuen Fessel zu entledigen, ergab er sich in sein Schicksal, und Bertha ist ihm bis an ihren Tod (1087) eine treue, liebevolle Gattin gewesen. Unterdes war Herzog Otto von Bayern, eines Mordanschlags gegen H. angeklagt, auf einem Fürstentage zu Mainz verurteilt worden, seine Unschuld im Zweikampf darzuthun. Da er aber bei dem Gottesgericht nicht erschien, wurde er seines Herzogtums für verlustig erklärt und dasselbe seinem treulosen und habsüchtigen Schwiegersohne Welf gegeben. Seine Güter und Besitzungen wurden verwüstet, bis er endlich im Juni 1071 sich mit seinem Verbündeten, dem Herzog Magnus von Sachsen, dem König unterwarf. Auch dem Herzog Berthold von Zähringen wurde auf den Verdacht aufrührerischer Gesinnung das Herzogtum Kärnten genommen, und Rudolf von Schwaben, ebenfalls geheimer Umtriebe angeklagt, entging kaum dem gleichen Schicksal. Der festgehaltene Herzog Otto ward nun zwar von H. nach einiger Zeit freigelassen, Magnus aber auf den Rat Adalberts, der wieder Einfluß am Hofe gewonnen hatte, auf der Harzburg festgehalten. Zugleich ließ H., um seine Herrschaft in Sachsen zu sichern, zu den vorhandenen noch neue Burgen anlegen, durch deren ↔ Besatzungen sich aber das umliegende Land bedrückt fühlte. Da H. auch das während seiner Minderjährigkeit von den Großen in Besitz genommene Königsgut mit rücksichtsloser Strenge zurückforderte und an Franken und Schwaben verlieh, entwickelte sich gegen ihn in der Bevölkerung eine von Otto von Nordheim und den Bischöfen eifrig geschürte Mißstimmung. 1073, als er sich in Goslar befand, um auch die sächs. Aufgebote zu einem Feldzuge gegen die Polen zu sammeln, kam es zum offenen Aufstande. H. floh von Goslar auf die Harzburg, von hier auf Umwegen nach dem Kloster Hersfeld. Im Begriff, die Aufrührer zu züchtigen, mußte er es erleben, daß sich 1074 in dem Vertrage von Gerstungen seine Fürsten mit denselben hinter seinem Rücken verständigten. Bald gab aber die Verwüstung der in der Harzburg erbauten Kirche mit den Gräbern seines Sohnes und Bruders durch die erbitterten Bauern H. Anlaß, die Sachsen beim Papst zu verklagen und ein Reichsheer gegen sie zusammenzubringen. Er besiegte sie 13. Juni 1075 bei Homburg an der Unstrut; ein zweiter Feldzug im Oktober brachte das Volk zur Unterwerfung und nötigte die Fürsten, sich ihm gefangen zu geben. Die Burgen wurden wieder aufgebaut. Vom Papst forderte H. die Entsetzung der rebellischen Bischöfe. Als dagegen Gregor VII. deren Freilassung verlangte und H. selbst vorforderte, um sich wegen des ihm schuld gegebenen Verkaufs von Kirchenämtern (Simonie) und der Investitur zu verantworten, ließ H. zu Worms 24. Juni 1076 durch eine Synode der deutschen Bischöfe die Entsetzung des Papstes aussprechen. Gregor antwortete mit dem Bannfluch, der, damals zuerst gegen einen deutschen König verkündet, aber von den unzufriedenen Fürsten zum Vorwand einer neuen Auflehnung benutzt wurde, bei der Rudolf von Schwaben selbst König zu werden hoffte. Man setzte sich zu H.s förmlicher Absetzung mit dem Papst in Verbindung. Darum eilte H., sich mit dem letztern zu verständigen. Er zog mitten im Winter über die Alpen nach Italien und traf den Papst in Canossa (s. d.) bei der Markgräfin Mathilde. Dreimal (25. bis 27. Jan. 1077) hat H. bei großer Kälte barfuß in härenem Büßergewande kürzere oder längere Zeit vor dem Burgthore harren müssen, um von dem herrschsüchtigen Priester die Lossprechung vom Bann zu erzwingen. Er mußte sich verpflichten, Gregor als Schiedsrichter in seinem Streit mit den Fürsten anzunehmen, während der Papst dazu nach Deutschland zu kommen versprach.

Durch diese äußerliche Aussöhnung mit dem Papst ließen sich die Fürsten nicht abhalten, den Herzog Rudolf von Schwaben zum König zu wählen. Dem so eröffneten Thronstreit stand Gregor zunächst abwartend gegenüber. Als aber nach längerm Schwanken des Kriegsglücks (Schlacht bei Melrichstadt 1078 und bei Flarchheim 1080) H.s Sieg in Aussicht zu stehen schien, wurde er von Gregor VII. aufs neue mit dem Kirchenbann belegt. H. dagegen brachte zu Brixen eine Versammlung von Bischöfen zusammen, die Gregor VII. absetzte und an seiner Statt den Erzbischof Guibert von Ravenna als Clemens III. wählte. Zwar verlor H. das Treffen an der Elster unweit Merseburg (15. Okt. 1080), aber der Gegenkönig Rudolf kam dabei um. Hierauf eilte H., die Verwaltung Deutschlands seinem Schwiegersohne Friedrich von Hohenstaufen überlassend, 1081 mit einem Heere über die

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 981.