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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Heruler - Herwarth von Bittenfeld
zuführen, welcher seit 1884 in Wort und Schrift
("Das Personenporto", Wien 1885) unermüdlich
dafür kämpfte. Als Socialreformer tritt H. in den
Schriften "Die Gesetze der socialen Entwicklung"
(Lpz. 1886) und "Freiland, ein sociales Zukunftsbild"
(6. Aufl., Dresd. 1892) auf. Die letzte Arbeit in
der Form eines Staatsromans wurde auch in mehrere
fremde Sprachen übersetzt, und als eine Frucht der-
selben erscheint die Bildung von zahlreichen "Frei-
landsvereinen" in deutschen und engl. Städten,
welche die Ideen H.s verwirklichen wollen. Zum
Zweck der Förderung der freilä'ndischen Propaganda
ließ H. in "Reclams Universalbibliothek" seine "Reise
nach Freiland" erscheinen.
Heruler, richtiger Erüler, auch Arüler ge-
nannt, german. Volk, ausgezeichnet durch Gewandt-
heit im Kriege und zähes Festhalten am Heiden-
tum. Ursprünglich im südl. Schweden sehhaft, er-
scheinen sie zuerst als Anwohner des Schwarzen
Meers und Gefährten (im weitern Sinne auch als
Stammesgenossen) der Goten bei deren Seezügen
gegen das Römische Reich in der zweiten Hälfte des
3. Jahrh. n. Chr. Im 4. Jahrh, waren sie dem Ost-
gotenkönig Hermanarich Unterthan, folgten dann
später dem Attila und halfen nach dessen Tode den
Gepiden die hunn. Herrschast zerstören. Aber auch
unter den Völkern, die zu Ende des 3. Jahrh. Kaiser
Maximilianus in Gallien schlug, waren Scharen der
H. Ebenso erscheinen H. Anfang des 5. Jahrh, als
Gefährten der Sachfen bei deren Naubzügen an den
gall. Küsten, und H. fuchten auf ihren Schiffen im
selben Jahrhundert die Küsten Galiciens und Can-
tabriens heim. Auch unter den Scharen, mit denen
Odoaker 476 n. Chr. dem Weströmischen Reiche ein
Ende macht, finden sich H. Als mächtigstes Volk
an der mittlern Donau, seßhaft an der obern Theiß,
kommen sie zu Ende des 5. Jahrh, vor, bis sie von
den Langobarden überwunden werden. Dann trat
ein Teil des Restes 512 auf röm. Gebiet über, ein
anderer zog in seine skandinav. Heimat zurück.
Von den erstern begaben sich viele zu den Gepiden;
die im Byzantinischen Reiche blieben, leisteten Iusti-
nian I. in den Kriegen gegen die Perser, Vandalen
und Ostgoten gute Dienste. Damit verschwindet der
Name der H. aus der Geschichte. - Vgl. I. Aschbach,
Geschichte der H. und Gepiden (Franks, a. M. 1835);
K. Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstä'mme
(Münch. 1837); W. Seelmann, Zur Geschichte der
deutschen Volksstämme Norddeutschlands und Däne-
marks (Norden 1888).
Herumfchweifender Nerv (^6rvu8 v^u8),
der zehnte Gehirnnerv, s. Gehirn (Bd. 7, S. 678k).
Hervagault (spr. ä'rwägoh), Jean Marie,
Abenteurer, der sich für Ludwig XVII. (s.d.) ausgab.
Herve (spr. ärw), Stadt in der belg. Provinz
Lüttich, Hauptort des fruchtbaren ?H^8 ä6 Ilervs,
11 kin nordwestlich von Verviers, an der Linie
Chene'e-Verviers der Velg. Staatsbahnen, hat
(1889) 4819 E., Wollspinnerei, Gerberei, Vieh-
handel und Käfefabrikation.
Hervö(spr.ärweh),eigentlichFlorimond Ron-
ger, franz. Komponist, geb. 30.Iuni 1825 zu Houdai n
bei Arras, gest. 4. Nov. 1892 zu Paris, war Organist
und Bühnensänger und feit 1851 Kapellmeister des
^1i6^ti-6 äu ?a1ai8 I^ai. Er ist bemerkenswert als
Begründer der neuesten franz. Operettenära. Durch
scine "?0Ü68 c0nc6lt3,nt68", ein 1854 von ihm
übernommenes kleines Voulevardtheater, für das
er mehrere Werke schrieb, von denen "I^'wii or6v6"
und "1^6 p6tit ^a.u8t" die bekanntesten sind, ward er
der Vorläufer der "Voun^'I'ari^iin^" Offenbachs
und der auf ihnen erblühenden Parodienmusik.
Hervey-Inseln (spr. hörwe), s. Cook-Archipel.
Hervilly (spr. ärwijih), Ernest d', franz. Schrift-
steller, geb. 26. Mai 1839 zu Paris, schreibt seit
1872 für den "KappLi" unter dem Namen 1^6 ?^8-
89,Qt. Er veröffentlichte zuerst einige Bände Ge-
dichte ("I^H i2.Qt6i-u6 611 V6l8 äs Couleur", 1868 u. a.)
und dann humoristische Skizzen unter verschiedenen
Titeln, wie: "(^0nt68 pouri^ Frauä^ p6r80QQ68"
(1874), "N68(lHM68 168 ?ari8i6Hll68" (1875), "IIi8-
t0ir63äiv6iti88Hllt68"(1876),<cI)'Il6rvi11^-^apric68"
(1877), "Hi8toir68 äe inariHF63" (1879), "1.68
3.riQ68 ä6 Ia l6MN6" (1880), "1iilidHi6 ä'^i8toir63
ö. la P3.ri8i6im6" (1883),"I^'K0NIN6^UN6" (1884),
"^V6utur68 ä'uu P6tit AkrtzON PI'6iii8t0I'il1U6 6ll
^I'3.nc6" (1887), "H6I-0316^6näa.ir68" (1889), "^I-0P
ßranäe" (1890), "^ack 1s Aal 6t 868 eoiit68" (1891)
u. a. Für das Theater schrieb er einige kleinere
Stücke, die Beifall fanden, wie "1^6 mala^ reel"
(1874), "1.6 m^i3t6r" (1877), "LiFouäi8" (1885) u. a.
Herwarth von Bittenfeld, Karl Eberhard,
preuß. Generalfeldmarsch all, geb. 4. Sept. 1796 zu
Großwerther bei Nordhausen, trat 1811 in das da-
malige Normalbataillon (später 2. Garderegiment
zu Fuß) ein und nahm 1813 an den Befreiungs-
kriegen teil. 1835 wurde er als Major zum damali-
gen Garde-Referveregiment, 1839 zum 1. Garde-
regiment zu Fuß verfetzt, das er während der Ber-
liner Märzrevolution 1848 befehligte. In der Nacht
vom 18. zum 19. März fungierte H. als Komman-
dant des königl. Schlosses. 1850 erhielt er den Be-
fehl über die 16. Infanteriebrigade, 1854 wurde er
zum Kommandanten der Bundesfestung Mainz,
1856 zum Commandeur der 7. Division ernannt
und zum Generallieutenant befördert. 1860 erhielt
er unter Beförderung zum General der Infanterie
das 7. (westfäl.) Armeekorps. 1864 übernahm H.
in Schleswig-Holstein den Befehl über das Armee-
korps des Prinzen Friedrich Karl, nachdem diefer
Wrangel 18. Mai in dem Oberbefehl gefolgt war.
Als nach dem Scheitern der Verhandlungen zu Lon-
don die Feindfeligkeiten wieder eröffnet waren, brach
H. durch seinen Übergang nach Alsen 29. Juni den
Widerstand der Dänen und beendete damit den Feld-
zug. Nach Abschluß des Wiener Friedens wurde H.
zum Oberbefehlshaber in den Elbherzogtümern mit
dem Sitz in Kiel ernannt und bekleidete diefe Stel-
lung, bis ihm 29. Juni 1865 das Generalkommando
des 8. (rhein.) Armeekorps übertragen wurde. Dieses
Korps bildete im Verein mit der 14. Division im
Feldzuge 1866 die Elbarmee. Mit ihr besetzte H.
Dresden, warf den Feind in den Gefechten bei
Hühnerwasser und Münchengrätz 27. und 28. Juni
auf die Hauptarmee zurück und schlug in der Schlacht
von Königgrätz (3. Juli) den linken Flügel der Oster-
reicher und die Sachsen durch Erstürmung der Dör-
fer Problus und Prim. Nach dem Frieden über-
nahm er wieder sein altes Korps. Bei Ausbruch
des Krieges 1870 wurde H., der bereits seinen Ab-
schied erbeten hatte, Generalgouverneur im Bereiche
des 7., 8. und 11. Armeekorps. In Anerkennung
seiner Verdienste in dieser Stellung, die mehr poli-
tischer und organisatorischer, als kriegerischer Natur
waren, erhielt H. nach Beendigung des Krieges bei
seiner Versetzung zu den Offizieren von der Armee
den Charakter als Generalfeldmarschall. 1872 er-
folgte seine Berufung in das Herrenhaus. Er starb