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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Hypnobat; Hypnon; Hypnos; Hypnose; Hypnoskop; Hypnotika; Hypnotismus

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Hypnobat - Hypnotismus

Hypnobat (grch.), Schlaf-, Nachtwandler; Hypnobatie, das Schlafwandeln.

Hypnon, s. Acetophenon.

Hypnos (lat. Somnus), griech. Gott des Schlafs, Sohn der Nacht, Zwillingsbruder des Thanatos (s. d.). In der Ilias, welche ihn nur rein menschlich gestaltet kennt, trägt er mit Thanatos den Leichnam des Sarpedon nach Lykien. Ein andermal findet ihn Hera auf Lemnos, wo sie ihn beredet, Zeus einzuschläfern. Nach Ovid ruht er bei den Kimmeriern in einer Gebirgshöhle, in der kein Sonnenstrahl leuchtet, kein lebendiges Wesen sich zeigt und vor der nur Mohn und andere schlafbringende Kräuter wachsen, auf einem Lager von Ebenholz, umgeben von seinen Kindern, den zahllosen Traumgöttern. Ein Kult des H. ist nur für Trözen nachweisbar. Von der Kunst ward er dem Tode ähnlich dargestellt, wie schon auf dem Kypseloskasten die Nyx den H. und Thanatos als weißen und schwarzen Knaben auf den Armen trug. Auf Vasenbildern erscheint er als geflügelter Jüngling mit seinem ähnlich, nur männlicher und bärtig gebildeten Bruder einen Toten tragend; dann wird er auch specieller charakterisiert, als ein leicht, wie im Traume dahinwandelnder, zarter Jüngling mit Flügeln an der Stirn und einem Mohnstengel in der einen Hand, in der andern ein Horn, aus dem er Schlaf auf Ruhende niederträufeln läßt. So ist er in einer schönen, in Madrid befindlichen Marmorstatue dargestellt. Später erscheint H. als sitzender Greis, in dessen Schoß der Schläfer ruht. - Vgl. Winnefeld, Hypnos (Stuttg. 1886).

Hypnose (grch.), s. Hypnotismus.

Hypnoskop (grch.), ein von Geßmann angegebenes Instrument, bestehend aus vier ringförmig angeordneten Hufeisenmagneten, deren acht Pole gegen einen engen Raum konvergieren, in welchen der Zeigefinger gesteckt werden kann. Durch eigentümliche Empfindungen in dem letztern soll der Apparat anzeigen, ob eine Versuchsperson sich leicht hypnotisieren läßt oder nicht. Ein ähnliches Instrument hatte vorher schon Ochorowicz angegeben. - Vgl. Geßmann, Magnetismus und Hypnotismus (Wien 1887).

Hypnotika (grch.), s. Beruhigende Mittel und Narkotika.

Hypnotismus (grch.), die Lehre von den hypnotischen Erscheinungen; auch der hypnotische Zustand, die Hypnose selbst. Letztere ist eine eigentümliche Störung (meist nicht völlige Aufhebung) des Bewußtseins oder (in den leichtesten Graden) nur des Willens, die durch bestimmte ("hypnosigene") Einwirkungen hervorgebracht werden kann. Diese sind einseitige Anspannung der Aufmerksamkeit (z. B. Fixieren eines glänzenden Knopfes, Braidismus, s. auch Braid; einförmige Geräusche oder Töne, leise Hautreize mittels Streichelns u. dgl. hervorgerufen, Mesmerismus) und vor allem das lebhafte Denken an den hypnotischen Zustand, sei es daß dasselbe erweckt wird durch entsprechende Zurufe (Schlafen Sie!) oder durch selbständige Willensthätigkeit (Autohypnose), wobei es sich um eine sog. Suggestion (s. d.) handelt. Die Tiefe der Bewußtseinsstörung ist sehr verschieden; sie wird bestimmt nach der Fähigkeit, sich nach Aufhebung der Hypnose der Vorkommnisse mehr oder weniger zu erinnern, und nach der Intensität der Reize, die angewandt werden müssen, um die Hypnose zu verscheuchen. Was letztere anlangt, so genügen hierzu meist leichte Hautreize (Anblasen des Gesichts u. dgl.) oder Zurufe (Wachen Sie auf!); in manchen Fällen gelingt es nicht, künstlich die Hypnose zu verscheuchen; man hat dann den sog. lethargischen Zustand vor sich, dessen Zugehörigkeit zur Hypnose zwar z. B. von Charcot behauptet wird, indes fraglich ist. Dann muß die Rückkehr des Bewußtseins von selbst erfolgen, was mitunter erst nach Tagen geschieht. Im lethargischen Zustand ist die Fähigkeit zu willkürlichen Bewegungen völlig aufgehoben.

Die Haupterscheinung des H. ist die Suggestibilität (s. Suggestion), und hierauf sind die meisten körperlich-geistigen Veränderungen während der Hypnose zurückzuführen. Zustände des eigenen Körpers oder Vorgänge in der Außenwelt, welche die Hypnotisierten sich von selbst oder auf äußere Anregung (Worte, Gesten) vorstellen, treten thatsächlich ein, werden scheinbar wirklich wahrgenommen. Es kommen so die verschiedensten Störungen der willkürlichen Bewegungen, der Muskeln, der Sinneswahrnehmungen zu stande, wie Lähmungen, Kontrakturen, Katalepsie, Unempfindlichkeit der Haut gegen schmerzhafte Eindrücke, Blindheit, Taubheit, desgleichen Überempfindlichkeit der Sinne, Sinnestäuschungen (s. d.) u. dgl. Ob unabhängig von Suggestionen Veränderungen im Organismus in der Hypnose auftreten (z. B. die Unempfindlichkeit gegen schmerzhafte Einwirkungen, ungewöhnliche Reflexbewegungen, Steigerung der Erinnerungsfähigkeit dergestalt, daß Längstvergessenes wieder auftaucht, Verfeinerung der Sinnesempfindungen, sodaß äußerst schwache Reize empfunden werden), ist noch streitig; doch treten diese Erscheinungen jedenfalls auch auf, ohne daß man einen suggestiven Einfluß nachweisen kann. Beschleunigung des Pulses und der Atmung findet sich hauptsächlich bei der Hypnose, die nach der Braidschen Methode hervorgerufen wird. In den leichtesten Graden der Hypnose, welche zum Teil dem normalen Schlaf ähneln, fehlen meist sonstige Erscheinungen, insbesondere die Suggestibilität; Puls, Atmung sind verlangsamt bez. vertieft. Derartige Zustände treten besonders ein, wenn die Hypnose durch Zuspruch (Schlafen Sie!) herbeigeführt wird, sodaß diese Methode als die unschädlichste anzusehen ist. Nach dem Erwachen findet sich in gewissen Fällen vollständige Erinnerungslosigkeit für die während der Hypnose gemachten Erlebnisse. War hierbei die Fähigkeit, auf äußere Eindrücke zu reagieren, Bewegungen auszuführen u. dgl., erhalten, so spricht man von künstlichem Somnambulismus, über andere nach der Hypnose auftretende Erscheinungen s. Suggestion.

Über das Wesen der Hypnose existieren nur unbefriedigende Theorien; man führt sie auf Blutarmut, Thätigkeitshemmung der Hirnrinde zurück, ohne genügende Begründung. Die Empfindlichkeit für hypnosigene Einflüsse, die Neigung in den hypnotischen Zustand zu verfallen, ist bei verschiedenen Personen sehr verschieden. Manche glauben, daß jeder Mensch hypnotisierbar ist, andere geben nur einen geringen Prozentsatz zu. Intelligente Personen sind mehr disponiert als stumpfe; auffallend wenig disponiert sind Geisteskranke. Andere Individuen verfallen ohne besondere äußere Veranlassung in Hypnose (Morbus hypnoticus), z. B. Hysterische, die aber keineswegs alle dazu neigen, sodaß die Identifizierung von Hysterie und Hypnose unbegründet ist. Der H. wird neuerdings, wie schon seit Mesmer und früher, auch als Heilmethode angewandt. Insofern sich die hier erzielten Resul-^[folgende Seite]