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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ignatius (Patriarch) - Ignorantia juris nocet

jedoch aus innern Gründen nicht bereits am Anfang des 2. Jahrh., sondern erst etwa um 170 verfaßt sein. Seit sie im 17. Jahrh. wieder entdeckt wurden, ist über die Unechtheit einer andern weit längern Gestalt dieser Briefsammlung, von dreizehn ausführlichen Schreiben, kein Zweifel mehr. Diese sind eine aus dem 4. Jahrh. stammende Erweiterung der sieben Briefe. Eine dritte, neuerdings von Cureton gefundene Gestalt («Corpus Ignatianum», hg. von Cureton, Berl. 1849), bestehend in drei kurzen, syrisch geschriebenen Briefen, ist ein Auszug aus den sieben. Letztere sind also die ursprüngliche Form der Sammlung, deren Unechtheit aber auch so den kritischen Theologen Baur (Die Ignatius-Briefe und ihr neuester Kritiker, Tüb. 1848), Hilgenfeld, Volkmar, Lipsius u. a. feststeht. Neuere Bearbeitungen treten für ihre Echtheit ein, so namentlich Zahn, I. von Antiochien (Gotha 1873), und dessen Ausgabe: Patrum Apostolicorum opera, Bd. 2 (Lpz. 1876); ferner Lightfoot, The apostolic fathers, Part Ⅱ, S. Ignatius and S. Polycarp (3 Bde., Lond. 1885‒89); Funk, Die Echtheit der Ignatius-Briefe (Tüb. 1883) und seine Ausgabe: Opera patrum Apostolicorum, Bd. 1 (ebd. 1881). – Vgl. noch Völter, Die ignatianischen Briefe, auf ihren Ursprung untersucht (Tüb. 1892).

Ignatĭus, Patriarch von Konstantinopel, Sohn Kaiser Michaels Ⅰ., geb. um 790, ward durch Leo Ⅴ. den Armenier entmannt und ins Kloster gesperrt. Seit 847 Patriarch, kämpfte er gegen die Willkürherrschaft und Sittenlosigkeit Michaels Ⅲ. und seines Oheims Bardas, der die heiligen Gebräuche der Kirche in Trinkgelagen parodierte, wurde deshalb abgesetzt und Photius (s. d.) an seiner Stelle zum Patriarchen erhoben (857). Die hieraus entstandene Kirchenspaltung suchte der Hof durch Papst Nikolaus Ⅰ. zu beseitigen. Während der Papst Partei für I. nahm (863), ließ Photius durch ein Konzil (866) sowohl dessen als auch die Absetzung des Papstes aussprechen und legte damit den ersten Grund zur Trennung zwischen griech. und röm. Kirche. Kaiser Basilius Ⅰ. setzte I. als Patriarchen wieder ein (867); als solcher starb er 878. Die griech. Kirche feiert seinen Gedächtnistag 23. Okt.

Ignatĭus von Loyola, s. Loyola.

Ignatĭusbohnen, s. Strychnos.

Ignatjew, Nikolaj Pawlowitsch, russ. General und Diplomat, geb. 29. Jan. 1832 zu Petersburg, erhielt seine Erziehung im Pagenkorps, trat 1849 in die Garde ein und wurde während des Krimkrieges dem Armeekorps des Generals Berg in den Ostseeprovinzen zugeteilt. Nachdem er 1856 als Militärbevollmächtigter in London und Paris diplomatisch thätig gewesen war, wurde er 1858, zur Belohnung für die für Rußland günstige Festsetzung der Grenzen auf dem Pariser Friedenskongreß zum Generalmajor befördert. Dem Gouverneur von Ostsibirien, General Murawjew, als diplomat. Beirat zugeteilt, erlangte er von China durch den Vertrag von Aigun (28. Mai 1858) die Abtretung des Amurgebietes und schloß sodann vorteilhafte Handelsverträge mit Chiwa und Buchara. Zum Gesandten in Peking ernannt, gelang es ihm 1860, einen für Rußland günstigen Handelsvertrag mit China abzuschließen. Nach seiner Rückkehr von dort 1863 wurde er zum Direktor des Asiatischen Departements und 1864 zum Gesandten in Konstantinopel ernannt. In der Geschichte der russ. Orientpolitik ist I.s Amtsführung dadurch folgenreich geworden, daß der anfangs von ihm begünstigte Aufstand auf Kreta (1866) und Griechenlands Teilnahme für denselben von der russ. Regierung schließlich desavouiert wurden, und daß er in Sachen des griech.-bulgar. Kirchenstreites entschieden für die Bulgaren Partei ergriff, dadurch aber zu einer völligen Abwendung des Hellenentums von der Sache Rußlands Veranlassung gab. In den Gang der orient. Ereignisse von 1875 und 1876 griff I. nachhaltig ein, indem er die Interessen der Bosnier und Bulgaren entschieden begünstigte und zu der Politik Midhat Paschas in schroffem Gegensatz stand. Nach der Konferenz der Großmächte vom Dez. 1876 und Jan. 1877 zeitweise abberufen, unternahm I. im März desselben Jahres eine Rundreise an die europ. Höfe, die zu dem Abschluß des Londoner Protokolls vom 31. März erheblich beigetragen hat. Der durch den Berliner Kongreß später wesentlich modifizierte Vertrag von San Stefano (3. März 1878) war hauptsächlich I.s Werk. Während der letzten Jahre der Regierung Kaiser Alexanders Ⅱ. nur gelegentlich zu amtlichen Funktionen herangezogen, wurde I. unmittelbar nach der Thronbesteigung Alexanders Ⅲ. zum Minister der Domänen und 1. Mai 1881 an Loris-Melikows Stelle zum Minister des Innern ernannt. Er suchte seine neue Stellung im Sinne der nationalen Partei auszunutzen, aber seine lässige Haltung bei den Excessen gegen die Juden in Polen zog ihm Angriffe von seiten Katkows zu, die Juni 1882 seine Entlassung herbeiführten. Im April 1888 zum Präsidenten der Slawischen Wohlthätigkeitsgesellschaft gewählt, ist er der Führer der russ.-panslawistischen Agitation. – Vgl. Sigm. Hahn, Russ. Staatsmänner und Diplomaten der Gegenwart (in «Unsere Zeit», Jahrg. 1877, 1. Hälfte); Aus der Petersburger Gesellschaft (5. Aufl., Lpz. 1880); Russ. Wandlungen (ebd. 1882).

Igni et ferro (lat.), mit Feuer und Schwert.

Ignipunktūr (lat.), in der Chirurgie das Brennen erkrankter Gewebe und Organe vermittelst eingestochener glühender Eisen- oder Platinstifte.

Ignis et aquae interdictĭo (lat), Untersagung des Feuers und Wassers, umschreibende Formel für Verbannung, eine Strafe, die das ältere röm. Recht nicht kannte. (S. Exil.)

Ignis fatŭus (lat.), soviel wie Irrlicht.

Ignis purgatorĭus (lat.), Fegefeuer (s. d.).

Ignobĭles (lat.), die Unedeln, s. Nobiles.

Ignorabĭmus (lat., d. h. wir werden es nicht wissen, wir werden nie die dem menschlichen Geiste gesteckten Grenzen des Naturerkennens überschreiten können), sprichwörtlich gewordenes Schlußwort von Du Bois-Reymonds Rede über die Grenzen des Naturerkennens (1872).

Ignoránt (lat.), ein Unwissender.

Ignorantenbrüder, s. Schulbrüder.

Ignorantĭa juris nocet, facti ignorantia non nocet, d. h. Rechtsunkenntnis schadet, thatsächlicher Irrtum schadet nicht. Diese im röm. Recht aufgestellte Regel ist in demselben nicht festgehalten; der Gedanke ist richtiger so auszudrücken: Wenn das bürgerliche Recht die Berufung auf entschuldbaren Irrtum zuläßt, so ist darunter in der Regel ein Irrtum über thatsächliche Verhältnisse, nicht aber über frühere eigene Handlungen des Irrenden zu verstehen, es sei denn, daß solcher Irrtum durch besondere Umstände begründet ist. Dagegen kann sich niemand auf die Unkenntnis gehörig publizierter Gesetze berufen, um die Entschuldbarkeit seines Irr- ^[folgende Seite]