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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Indische Litteratur

dschajinī, der früh von der Sage umwoben worden ist, an dessen geschichtlicher Persönlichkeit aber nicht gezweifelt werden darf. Die ind. Tradition setzt ihn ins 6. Jahrh. n. Chr. und läßt an seinem Hofe die "Neun Perlen" leben: Dhanvantari, Kshapaṇaka, Amarasiṃha, Çanku, Vētālabhaṭṭa, Ghaṭakarpara, Kālidāsa, Varāhamihira und Vararuci. Von diesen ist weitaus der bekannteste Kālidāsa, der berühmteste Dichter Indiens. Von Ghaṭakarpara sind nur zwei kleinere Gedichte erhalten, zu 21 und 22 Strophen, wovon das eine, das Yamakakāvya (oft herausgegeben; mit deutscher Übersetzung von Dursch, Berl. 1828), trotz seiner Künsteleien m Indien hochgefeiert war, sodaß es sogar von dem Çaivaphilosophen Abhinavagupta kommentiert worden ist. Dhanvantari schrieb ein Wörterbuch der Materia medica, Amarasiṃha ist berühmt als Lexikograph und sein Wörterbuch, der Amarakōça (hg. von Loiseleur Deslongchamps, Par. 1839-45; von Kielhorn, 2. Aufl., Bombay 1882 u. ö. in Indien), das älteste und angesehenste unter den synonymischen Wörterbüchern. Als Dichter ist er uns bisher nur durch sechs Strophen bekannt. Varāhamihira war als Astronom, Vararuci als Grammatiker berühmt; von den drei übrigen weiß man bis jetzt nichts oder nur Unsicheres. Ein älterer Zeitgenosse der "Neun Perlen" ist der Astronom Ārjabhaṭa und der Zeit nach nicht fern stehen wird der Lyriker Amaru.

Dem 6., vielleicht noch Anfang des 7. Jahrh. gehören ferner an die gefeierten Dichter Bhāravi und der jüngere Māgha, wahrscheinlich auch Bhaṭṭi. Sie sind die Hauptvertreter der mahākāvya ("großes Gedicht") genannten Dichtungsform. Diese mahākāvya entlehnen ihren Stoff meist dem Mahābhārata und Rāmāyana oder schildern das Leben fürstl. Gönner des Dichters in übertriebener, oft ganz märchenhafter Gestalt. Der Stoff ist Nebensache; Schilderungen des Mond- und Sonnenaufgangs, von Städten, Bergen, des Meers, Vergnügungen aller Art, Reden u. dgl. bilden die Hauptsache; schwungvolle Metren und Künsteleien sollen über den Mangel an wirklicher Poesie hinweghelfen. Die Inder rechnen zu den mahākāvya auch Kalidāsas Epen, die sich aber von den übrigen durch ihre Einfachheit abheben, namentlich der Kumārasaṃbhava. Von dieser Gattung seien noch genannt: das Nāishadhacaritam des Çrīharsha (Tl. 1, hg. Kalkutta 1836; 2. Aufl. 1870; Tl. 2, von Röer, in der "Bibliotheca Indica", ebd. 1855; beide Teile, ebd. 1875-76), des Sohnes des Hīra, der auch noch eine Reihe anderer Werke verfaßt hat und dessen Zeit nicht sicher ist; das Çrīkaṇṭhacarita des Mankha oder Mankhaka (hg. in der Kāvyamālā, Nr. 3), der auch ein Sanskritwörterbuch verfaßt hat und um 1140 blühte, das Bālabhāratam des Amaracandra, eines Dschain im Anfang des 13. Jahrh., der auch grammatische und rhetorische Werke verfaßt hat. Das Bālabhāratam war lange nur in der griech. Übersetzung des Demetrios Galanos bekannt (Athen 1847; jetzt herausgegeben im "Paṇḍit", Nr. 40-64; eine neue Ausgabe ist in der "Kavyamālā" im Druck). Von der zweiten Gattung der mahākāvya, den pseudo-historischen, die jedoch immerhin auch für die Geschichte, vorsichtig benutzt, nicht ohne Wert sind, seien genannt das Vikramānkadēvacarita des Bilhaṇa aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. und die Kīrtikāumudī des Sōmēçvara (um 1200), hg. von Kāṭhavate (Bombay 1883). Hierher gehören auch die in Prākrit geschriebenen mahākāvya, zur ersten Gattung der Rāvaṇavahō, zur zweiten der Gaūḍavahō (s. Prākrit). Im 6. Jahrh. lebte wohl auch noch Daṇḍin (s. d.) und der Verfasser des Dramas Mṛcchakaṭikā, wenn dieser nicht Daṇḍin ist. Somit ist in diesem Jahrhundert die Blütezeit des Epos verstrichen. An seine Stelle sind die mahākāvya getreten, deren Charakter ein vorwiegend lyrischer ist, und der Roman in Prosa, zuerst vertreten in Daṇḍins Daçakumāracarita. Die Lyrik blühte, ebenso das Drama, von Wissenschaften die Astronomie, Medizin, Lexikographie, Rhetorik, Grammatik, diese in engstem Anschluß an Pāṇini. Wie weit die Dichter dieses Zeitalters, das man das Vikrama-Zeitalter nennen kann, ihren Vorgängern gegenüber wirklich originell sind, entzieht sich unserer Beurteilung völlig. Von der vedischen Zeit sind ihre Dichtungen durch Sprache, Inhalt und Form gänzlich verschieden.

Die Dichter des folgenden 7. Jahrh. ragen nicht durch Originalität hervor. An ihrer Spitze steht der Zeit nach Subandhu, der Verfasser des Romans Vasavadattā (hg. mit wichtiger Einleitung von Hall in der "Bibliotheca Indica", Kalkutta 1859; Analyse von Weber, "Ind. Streifen", 1, 369 fg., Berl. 1868), der in schwülstiger Prosa geschrieben ist. Unter den Fürsten dieses Jahrhunderts ist der Freund der Dichtkunst, Çrīharsha Çīlāditja, König von Kānjakubdscha, über den man durch den chines. Pilger Hiuen-tsang ausführlichere Nachrichten hat und nach dem man dieses Zeitalter das Çīlāditja-Zeitalter nennen kann. Sein Hofpoet war Bāṇa. Nach ind. Tradition war sein Konkurrent in der Lyrik Majūra, der von manchen zum Schwiegervater des Bāṇa gemacht wird. Sein Loblied auf die Sonne in 100 Strophen, das Sūryaçatakam, ist ein einförmiges Gedicht (hg. von Häberlin, "Kāvyasaṃgraha", Kalkutta 1847, S. 197 fg., und in der "Kāvyamālā", Nr. 19, mit dem Kommentare des Tribhuvanapāla). An demselben Hofe lebte ferner der Verfasser dreier Dramen, der Ratnāvalī, der Priyadarçikā und des Nāgānanda, der nach höfischer Sitte seine Werke unter dem Namen seines Patrones veröffentlichte, sodaß Çrīharsha selbst als Dichter erscheint. Vermutlich ist der Dichter Dhāvaka. Das interessanteste dieser Stücke ist der Nāgānanda, weil er helles Licht auf die religiösen Verhältnisse der damaligen Zeit wirft. Es wurde aufgeführt an einem Feste des Indra, in der Einleitungsstrophe wird Buddha angerufen und den buddhistischen Helden ruft Gāurī, die Frau des Çiva, ins Leben zurück, die auch von der Heldin verehrt wird. Herausgegeben ist der Nāgānanda Kalkutta 1864 u. 1873; neue Ausgabe von Bhānap (Bombay 1892), ins Englische übersetzt von Palmer Boyd (Lond. 1872), ins Französische von Bergaigne (Par. 1879). Die beiden andern Stücke sind nach der üblichen Schablone gearbeitet, zeichnen sich aber durch einfache, klare Sprache aus. Die Ratnāvalī ist am besten herausgegeben von Cappeller (in Böhtlingks "Sanskrit-Chrestomathie", 2. Aufl., Petersb. 1887, S. 290 fg.) und sehr oft in Indien; ins Deutsche übersetzt von Fritze (Chemnitz 1878); die Priyadarçikā ist hg. Kalkutta 1874, besser Bombay 1884.

Die Spruchdichtung, und zwar die erotische wie didaktische, fand in diesem Jahrhundert durch Bhartṛihari (s. d.) hervorragende Vertretung. Nach seinem Vorgange und dem des Amaru hat sich eine