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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Indische Vogelnester - Individualismus

noch zusammengesetzte Formen, wie "ich bin gehend" für "ich gehe". Den Wortschatz der neuind. Sprachen teilen die einheimischen Grammatiker in drei Klassen: die tatsamās, d. i. die identisch mit dem Sanskrit sind, die tadbhavās, d. h. die ihren Ursprung im Sanskrit haben, und die deçyās oder deçajās, d. h. die Provinzialworte, die zwar fast alle auch arischen Ursprungs sind, aber sich nicht von einer Sanskritwurzel ableiten lassen oder vom Sanskrit abweichende Bedeutungen oder Suffixe haben. Naturgemäß ist die zweite Klasse, welche die Masse des prakritischen Elements darstellt, bei weitem die zahlreichste. - Man pflegt sieben Sprachen auszusondern, welche sich aus dem Prākrit in ganz analoger Weise wie die roman. Sprachen aus dem Vulgärlatein gebildet haben: 1) Pandschabi (s. d.) im Nordwesten, 2) Sindhi (s. d.) am untern Indus, 3) Gudschrati (s. d.), die Sprache der Halbinsel Gudschrat und der Parsen, 4) Mahrati (s. d.), von der Küste von Bombay bis nach Radschputana, 5) Hindi (s. d.) in Radschputana und dem ganzen Gebiet zwischen Himalaja, Windhja, dem Satladsch und dem Gangesdelta, in zwei Gruppen, dem eigentlichen Hindi bis etwa Benares, von da an Bihari, 6) Bangali (s. Bengalische Sprache und Litteratur), die Sprache Bengalens und 7) Uria (s. d.), die Sprache Orissas. - Das Hindustani (s. d.), die verbreitetste Sprache des heutigen Indiens, ist ein Hindidialekt mit starken pers.-arab. Beimischungen. Auch die Sprache der Zigeuner (s. d.) ist als ein neuind. Idiom zu betrachten. - Außer diesen sind namentlich noch zu nennen: im Nordosten Asami und die nördl. Gruppe: Nepali, Kamarni, Garhvali, Dogri, Kaschmiri und die Sprachen der Dardu und Kahirs, mit denen die Sprache der Zigeuner am nächsten verwandt ist. Zu den arischen Sprachen gehören auch die meisten Sprachen des Hindukusch.

Vgl. Beames, A comparative grammar of the modern Aryan languages of India (3 Bde., Lond. 1872-79); Leitner, The languages and races of Dardistan (2. Aufl., Lahore 1877): Cust, A sketch of the modern languages of the East Indies (Lond. 1878); Hörnle, A comparative grammar of the Gandian languages (ebd. 1880); Biddulph, Tribes of the Hindoo Koosh (Kalkutta 1880); Leitner, The Hunza and Nagyr Handbook (2. Aufl., Woking 1893).

Indische Vogelnester oder Eßbare Nester, die löffelartigen Nester mehrerer an der Seeküste der ostind. Inseln sich aufhaltender Arten der Gattung Salangane (Collocalia) aus der Familie der Cypseliden oder Mauerschwalben, ehedem als Zeichen des Reichtums Indiens häufig angeführt. Die in den Handel kommenden Nester stammen vorzugsweise von zwei Arten, dem Labet (Collocalia nidifica Gray, s. Tafel: Langhänder, Fig. 2) und dem Lintjih (Collocalia fuciphaga Wallace). Sie gleichen einem halben Ellipsoid aus einer der weißen Hausenblase ähnlichen Masse, sind 2-3 cm hoch und 5-7 cm breit, etwa je 10 g schwer (man rechnet 100 Stück auf 1 kg), hart, spröde und lösen sich durch Kochen in eine zähe Gallerte von fadem oder höchstens schwach salzigem Geschmack auf, welche bloß durch Gewürze einige Schmackhaftigkeit erhält. Die Nester bestehen nur aus dem klebrigen Speichel, der aus zahlreichen, in der Mund- und Rachenhöhle des Vogels angebrachten Drüsen abgesondert wird. Sie hängen in dichten Reihen in Felsenhöhlen, zu denen man nicht selten nur durch Herablassen an einem Seil gelangen kann. Die Vögel brüten viermal im Jahre; um sie nicht zu vertreiben oder gar auszurotten, sammelt man ihre Nester jedoch nur dreimal und läßt ihnen eine Brut. Auf den ind. Inseln werden die Nester nirgends als Nahrung verwendet, sondern nur in China als Leckerbissen der Reichen. Sie werden, ohne jeden Grund, für stimulierend gehalten. Der Stapelplatz des Vogelnesthandels ist die Stadt Kanton. Die jährliche Gesamteinfuhr wird auf 1200 Pikuls oder ungefähr 85000 kg veranschlagt. Der Pikul enthält etwa 7000 Stück und wird in bester Sorte mit 1-4000 Doll. bezahlt, geringere Qualitäten sind mit 1600-2800 Doll., die schlechtesten mit 200 Doll. zu haben. Die feinsten Sorten werden nur für den kaiserl. Hof in Peking geliefert.

Indischgelb, soviel wie Kobaltgelb.

Indischrot, s. Türkischrot.

Indisciplīn (lat.), Zuchtlosigkeit, der Gegensatz von Disciplin (s. d.); indiscipliniert, zuchtlos.

Indiskrēt (lat.), nicht verschwiegen, unvorsichtig, Gegensatz von diskret; Indiskretion, Unvorsichtigkeit, rücksichtslose Plauderhaftigkeit.

Indiskutābel (neulat.), was nicht erörtert werden kann oder darf.

Indisponībel (neulat.), unverfügbar; indisponiert, unaufgelegt, unpäßlich; Indisposition, Unaufgelegtheit, Unpäßlichkeit.

Indĭum, chem. Zeichen In, Atomgewicht 113,7, ein dreiwertiges, seltenes und nur in zinkischen Erzen und daraus dargestellten Produkten aufgefundenes Metall, von Reich und Richter 1863 entdeckt. Man gewinnt es beim Auflösen von Freiberger Zink in Säuren und Digestion der Lösung mit überschüssigem Zink, wobei es neben andern Metallen (Blei, Kupfer) als schwammiger, grauer Niederschlag abgeschieden wird und dann durch weitläufige chem. Operationen von letztern zu trennen ist. Das durch Glühen mit Natrium aus seinem Oxyd abgeschiedene Metall ist weiß und glänzend, dem Platin und Zink ähnlich, nicht krystallinisch, weicher als Blei, leicht dehnbar, von 7,4 spec. Gewicht, wird durch Hämmern nicht verdichtet, schmilzt bei 176° und ist weniger flüchtig als Kadmium und Zink. Es bleibt an der Luft, selbst beim Schmelzen, unverändert glänzend; bei starkem Glühen dagegen entzündet es sich und verbrennt mit blauer Flamme und braunem Rauch zu gelbem Oxyd. Von verdünnten Säuren wird es unter Entwicklung von Wasserstoff gelöst; das Gas verbrennt beim Entzünden mit rötlichblauer Flamme. Die Indiumsalze zeigen im Spektralapparat eine äußerst intensive blaue und eine schwächere violette Linie, die auch zur Auffindung des I. führten. Das I. schließt sich am nächsten an das Aluminium und Gallium an; so bildet es den Alaun ^[s. chem. Formel] - Vgl. R. E. Meyer, Das I. (Lpz. 1868).

Individuāladel, s. Adel (Bd. 1, S. 134 a).

Individualisieren, das Wesen des Individuums (s. d.) aus seinen Teilen, Besonderheiten und Eigenheiten feststellen; Personen je nach ihrer verschiedenen Individualität verschieden behandeln.

Individualismus (neulat.), die volkswirtschaftliche Theorie der freien Konkurrenz, die absolute wirtschaftliche Freiheit und Rechtsgleichheit des Einzelnen, die Politik des "laissez faire, laissez aller" als die hauptsächlichsten Bedingungen für die Wohlfahrt der Gesamtheit hinstellt. Der I. berührt sich