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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Irreducibel - Irrenanstalten

Die von dem Militärattache bei der österr.-ungar. Botschaft in Rom, dem Oberst Haymerle, verfaßte Broschüre "Italicae res" wies die Verzweigungen und die Ziele der I. nach und machte die Regierung Italiens selbst für die Excesse dieser extremen Partei verantwortlich. Menotti Garibaldi wagte sogar 1881 dem Ministerium mitzuteilen, daß er und seine Partei beschlossen hätten, 100 Bataillone Freiwilliger zu errichten, und bat nicht um die Erlaubnis zur Aufstellung dieser Bataillone, sondern nur um die Genehmigung einer Uniform; der Kriegsminister hatte viele Mühe, das Ministerium zu einem Beschlusse zu vermögen, wonach die Bildung solcher Bataillone nicht geduldet werden sollte. Der Haß der I. gegen Osterreich ging so weit, daß mehrere Mitglieder den Beschluß faßten, den Kaiser Franz Joseph, der 17. Aug. 1882 nach Triest kam, zu ermorden. Es wurden zwei Attentate gegen ihn verübt; der Urheber des einen, der Triestiner Deserteur Oberdank, wurde den Tag vorher verhaftet und später durch den Strang hingerichtet, der des andern, der Apotheker Ragosa, welcher entflohen war, auf ital. Gebiet verhaftet und von den Geschworenen in Udine freigesprochen. Die Regierung fing endlich an, gegen die Kundgebungen der I. schärfer einzuschreiten, zumal da sie zu Anfang des J. 1883 dem deutsch- österr. Defensivbündnis beizutreten wünschte. In der Kammersitzung vom 13. März 1883 sprach sich der Minister Mancini aufs schärfste über die I. aus und warf ihnen vor, daß es ihnen weniger um Triest und Trient, als um den Sturz der Monarchie zu thun sei. Doch dauern die Widerwärtigkeiten, welche die besonders auf den Pöbel Roms gestützte Partei der Regierung bereitet, fort.

Irreducibel (neulat.), nicht zurückführbar, s.Gleichung.

Irreformabel (lat.), unabänderlich.

Irregulär (neulat.), unregelmäßig. - Über irreguläres Depositum, s. Depositum.

Irreguläre Truppen, diejenigen Truppenkörper, deren Organisation und Fechtweise von der in Europa üblichen abweicht. Werden in besondern Fällen Truppen gebildet, die außerhalb des Rahmens des regulären Heers stehen, wie die Freischaren Garibaldis, mit denen er nach Sicilien und Neapel zog, die franz. Francs-Tireurs im Kriege 1870-71, so müssen auch diese in gewissem Sinne als I. T. bezeichnet werden. - In Rußland heißen I. T. die Kosaken (s. d.) und Milizen (s. d.). In frühern Zeiten rechnete man zu den I. T. ferner die sog. "Fremdvölker", d. h. Baschkiren, Kalmüken, Tataren u. a. wilde Reiterstämme, die allmählich in den verschiedenen Kosakenheeren aufgegangen sind.

Irregularia, s. Seesterne.

Irregularität (neulat.), Unregelmäßigkeit, bezeichnet im kath. Kirchenrecht ein Hindernis, welches eine Person vom Empfange der geistlichen Weihen (s. Ordination) ausschließt. Sie hat ihren Grund entweder in einem Mangel (Irregularitas ex defectu) der Eigenschaften, die zur ordentlichen Amtsversehung erforderlich sind (z. B. Defectus aetatis, scientiae, corporis, d. h. zu jugendliches Alter, Mangel der nötigen Kenntnisse, anstoßerregende Gebrechen), oder in einem Vergehen, das sich der Kandidat hat zu Schulden kommen lassen (Irregularitas ex delicto). Die Weihe eines Irregulären ist zwar gültig, aber strafbar an dem ordinierenden Bischof, und der Geweihte darf die mit dem empfangenen Weihegrade verbundenen Rechte nicht ausüben.

Irrelevant (neulat.), unerheblich; davon das Substantiv Irrelevanz.

Irreligiosität (lat.), Mangel an Religiosität, Religionslosigkeit.

Irrenanstalten (früher auch Irrenhäuser, vielfach auch Asyle genannt), zur ärztlichen Behandlung bez. zur Verpflegung von Geisteskranken bestimmte und zu diesem Behufe mit besondern Einrichtungen ausgestattete Hospitäler. Diese Einrichtungen sollen einesteils eine genaue Überwachung insbesondere der gefährlichen Irren gewährleisten, sodaß dieselben weder sich noch andern Schaden zufügen können, andernteils möglichst günstige hygieinische Bedingungen schaffen und eine zweckmäßige Beschäftigung ermöglichen. Hierzu dienen teils bautechnische Vorkehrungen, wie verwahrte Fenster (am besten aus starkem Glas), festkonstruierte Isolierzimmer (früher Tobzellen genannt), eventuell mit Polsterung von Wänden und Fußböden ("Polsterzellen"), noch viel mehr aber ein besonders geschultes, möglichst zahlreiches und human gesinntes Krankenwartepersonal (in Heilanstalten mindestens 1 auf 6 Kranke), endlich Werkstätten, Gärten, Felder u. dgl. m., wo die Kranken unter der Leitung von Angestellten arbeiten. Um ein möglichst ungestörtes Zusammenleben der Kranken zu ermöglichen, den Ruhebedürftigen Ruhe zu schaffen, Aufregungen zu vermeiden, müssen besondere Abteilungen einerseits für die Ruhigen, andererseits für die Störenden, besonders scharf zu überwachenden ("Wachabteilungen") vorhanden sein. Daneben finden sich gewöhnlich noch Räume zur geselligen Unterhaltung, zu Vergnügungen, religiösen Übungen, zu Schulunterricht u. s. w. Zur ärztlichen Behandlung bettlägeriger Kranker dienen Räume (Infirmerie), welche die gewöhnlichen Hospitaleinrichtungen darbieten; die Wohn- und Schlafräume der übrigen Kranken pflegt man jetzt meist ganz wie im gewöhnlichen Leben auszustatten. Dasselbe gilt auch für den Baustil im ganzen und großen, wobei insbesondere alles Gefängnisähnliche thunlichst zu vermeiden ist. Während man früher vielfach ein kloster- oder schloßartiges Äußere erstrebte, was zum Teil darauf zurückzuführen ist, daß viele der ältern I. aus Klöstern bez. Schlössern in I. umgewandelt worden waren, wendet man neuerdings bei Neubauten, wo es sich um größere Anstalten handelt, gewöhnlich das "Pavillonsystem" an, wie bei den Hospitälern für körperliche Kranke. (S. Krankenhaus.)

In Deutschland ruht die gesamte Oberleitung in der Hand des ärztlichen Direktors, dem auch die Verwaltung, geistliche Pflege u. s. w. unterstellt ist, da nur so eine allseitig zweckmäßige Behandlung der Kranken erreicht werden kann. Der Direktor wird hier von der vorgesetzten Verwaltungsbehörde kontrolliert; in andern Ländern überwachen besondere Kommissionen die I. (in England Commissioners in lunacy). Die Zahl der Irren in den einzelnen Anstalten schwankt meist zwischen 100 und 1200, selten mehr (bis zu 2000); die öffentlichen (vom Staat, Provinzen oder Gemeinden unterhaltenen) I. sind naturgemäß viel größer als die für die wohlhabenden Stände bestimmten Privatanstalten.

Geschichtliches. Früher wurden die Irren nur aus polizeilichen Gründen aus der Gemeinschaft der Gesunden entfernt und bald in Gefängnissen zusammen mit Verbrechern und Vagabunden, bald in Armen- und Arbeitshäusern, meist in den schlechtesten Räumlichkeiten, untergebracht. Mit der fort-^[folgende Seite]