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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kelso; Kelten; Keltern; Keltiberer

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Kelso - Keltiberer

Kelso, Stadt in der schott. Grafschaft Roxburgh, an der Vereinigung des Tweed und Teviot, herrlich gelegen, hat (1891) 4174 E., eine schöne Brücke (1803), ein Museum; Flanell-, Wollwarenfabriken und Getreidehandel. In der Nähe Floors-Castle, Sitz der Herzöge von Roxburgh. Die dabei gelegene Abtei (normann. und frühengl. Kirchenruine) ist eine der berühmtesten Schottlands.

Kelten (grch. Keltoí, auch Galátai; lat. Celtae), ein indogerman. Volksstamm, der im Altertum über Westeuropa verbreitet war, heute bis auf geringe Reste romanisiert oder germanisiert worden ist. Die K. haben sich von Süddeutschland und dem heutigen Österreich aus zunächst über das Rheingebiet, Frankreich und die brit. Inseln ausgebreitet, und zwar jedenfalls schon vor der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. Durch drei große Wanderungen haben sie ihr Gebiet in geschichtlicher Zeit ausgedehnt. Ende des 6. Jahrh. v. Chr. zogen K. nach der Pyrenäischen Halbinsel (s. Hispania und Keltiberer). Zu Anfang des 4. Jahrh. v. Chr. besetzten sie das damals größtenteils etrusk. Norditalien (s. Gallien). 284-278 v. Chr. fällt der Zug der K. (Galater) nach der Balkanhalbinsel, der nach den verheerenden Raubzügen, die sich bis nach Griechenland erstreckten, mit der Ansiedelung in der Mitte Kleinasiens endete (s. Galater). Hingegen gehört der von Livius erzählte Eroberungszug des Segovesus nach Deutschland der Sage an. In Deutschland reichten die Sitze der K., wie sich vornehmlich aus den Ortsnamen beweisen läßt, einstmals ostwärts bis zur Elbe. Belgier (lat. Belgae) saßen in Norddeutschland, Walchen (lat. Volcae, woraus im Deutschen "Welsch" [s. d.] entstand) in Mittel- und Süddeutschland. Teils durch freiwillige Auswanderung, teils den Waffen der vordringenden Germanen weichend, büßten sie das rechtsrheinische Gebiet im Laufe der letzten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. ein. Nur geringe Reste sind hier sitzen geblieben und germanisiert worden. Erheblich stärker ist die Beimischung kelt. Blutes bei den süddeutschen Stämmen. Die Bojer (s. d.) wurden aus ihren Sitzen in Böhmen von den german. Markomannen in der ersten Hälfte des 1. Jahrh. v. Chr. verdrängt. Ariovist (s. d.) machte Süddeutschland nördlich von der Donau zu einem german. Lande und war im Begriff, seine Herrschaft über das heutige Elsaß und die Franche-Comté auszudehnen, wurde aber von Cäsar 58 v. Chr. besiegt und über den Rhein zurückgedrängt. Die Römer eroberten 283-191 v. Chr. (Entscheidungsschlacht bei Clastidium 222) das kelt. Norditalien und gegen Ende des 2. Jahrh. v. Chr. das Rhônegebiet und das Land südlich von den Cevennen (Gallia Narbonensis). Schon vorher waren sie die Herren von Spanien geworden. Cäsar eroberte nach hartnäckigem Widerstände 58-51 v. Chr. das heutige Frankreich (Gallia transalpina) bis ostwärts zum Rhein, das seit 27 v. Chr. als röm. Provinz organisiert wurde (s. Gallien). Der Kaiser Augustus unterwarf die in den Alpenländern (in Rhätien, Vindelicien, Noricum, Pannonien und Mösien) wohnenden K. Der größere Teil von Britannien wurde 43-85 n. Chr. von den Römern in Besitz genommen (s. Britannia). Die Romanisierung dieser weiten Gebiete erfolgte sehr allmählich im Laufe der Jahrhunderte. Der Romanisierung folgte zum Teil eine Germanisierung. Germanisiert wurden die romanisch sprechenden K. links vom Rhein, soweit die deutsche Sprachzone reicht, und südlich von der Donau. Die britannischen K. mußten den Angelsachsen weichen. Die Germanisierung dauert in Wales, Irland und Schottland heute noch fort.

Man schätzt die Zahl der in der Gegenwart noch keltisch Sprechenden auf etwa 3½ Mill. Hiervon kommen auf Wales 950000, die Insel Man 12000, Schottland 300000, Irland 868000 und auf die franz. Bretagne 1200000; die Zahl der nordamerik. Iren läßt sich nicht sicher bestimmen. In Wales spricht das Volk noch überwiegend keltisch, desgleichen auf Man; in Schottland nur in dem nordwestl. Teile (nördlich von Glasgow und westlich von Dundee); in Irland nur an der Westküste (in Munster, südlich von Limerick, in Connaught und in der nördl. Landschaft Donegal). Aus Cornwallis sind im 5. bis 7. Jahrh. n. Chr. die franz. Bretonen ausgewandert, die ihre Sprache etwa westlich von einer Linie St. Brieux-Vannes bewahrt haben.

Die K. zerfielen im Altertum in: 1) Gallier oder K. im engern Sinne (östlich von der Garonne, südlich von der Seine, dazu die süddeutschen, österr., nordital. und spanischen K.); 2) Belgier (östlich von der Seine, einstmals bis zur untern Elbe, seit dem 1. Jahrh. v. Chr. bis zum Rhein; dazu auch die Belgier im südl. Britannien); 3) Britten (in dem übrigen England und Wales); 4) Gälen (in Irland und Schottland). (S. Keltische Sprachen.)

Die K. waren im Altertum ein Volk von verhältnismäßig hoher Kultur, namentlich infolge des von Südfrankreich ausgehenden mächtigen Einflusses der griech. Kolonie Massilia (Marseille). Sie verstanden sich besonders gut auf die Metallbearbeitung. Die K. wohnten in Städten. Über die Einteilung s. Gallien (Bd. 7, S. 494 a).

Litteratur. Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstämme (Münch. 1837); Brandes, Das ethnogr. Verhältnis der K. und Germanen (Lpz. 1857); Roget de Belloguet, Ethnogénie gauloise (4 Bde., Par. 1858-73; Bd. 1 u. 2, 2. Aufl., 1872-75); Meyer, Die noch lebenden kelt. Völkerschaften, Sprachen und Litteraturen (Berl. 1863); Cuno, Vorgeschichte Roms, Bd. 1: Die K. (Lpz. 1878); De Valroger, Les Celtes (Par. 1879); Rhys, Celtic Britain [Early Britain] (Lond. 1882; 2. Aufl. 1885); Czoernig, Die alten Völker Oberitaliens (Wien 1885); Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde, Bd. 2 (Berl. 1887). (S. die Litteratur zu Gallien und zu Keltische Sprachen.)

Keltern (kaltern), soviel wie Auspressen, namentlich der Weintrauben bei der Weinbereitung (s. d.).

Keltiberer (d. h. in Iberien wohnende Kelten), im Altertum Name einer Anzahl kriegerischer Volksstämme, die aus Gallien eingewandert waren. (S. Hispania.) Die K. bewohnten die Südwesthälfte von Aragon und den ganzen Norden und Osten von Alt- und Neucastilien. Unter den Plätzen ihres Gebietes ist in der alten Geschichte Numantia die bekannteste (jetzt Ruinen von Garray bei Soria). Als Hauptstämme der K. nennen die Alten, von Westen nach Osten und Süden gruppiert: die Turmogidi, Berones, Arevaci, Pelendones, Lusones, Belli, Dittani und Lobetani. Dieselben scheinen von der karthag. Herrschaft frei geblieben zu sein. Von den Römern wurden sie während des Hannibalischen Kriegs ohne dauernden Erfolg bekämpft; erst in langwierigen Kriegen des 2. Jahrh. v. Chr. (197-133) wurden sie vermocht, die röm. Herrschaft anzuerkennen. - Vgl. Kiepert, Beitrag zur alten Ethnographie