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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Kolonĭapulver; Kolonīen

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Koloniapulver - Kolonien

Kolonĭapulver, ein Sprengstoff, der aus etwa 30 Teilen Nitroglycerin und 70 Teilen Schwarzpulver besteht.

Kolonīen. I. Begriff und Arten. K. sind im allgemeinen Niederlassungen oder Ansiedelungen in einem fremden Lande oder unter einem fremden Volke. Die Niederlassung muß dauernd sein und von einer größern Anzahl von Angehörigen derselben Nation ausgehen, die sich ihre heimische Sitte und Sprache bewahren und dadurch, meistens in Verbindung mit einer selbständigen Organisation, unter dem fremden Volke eine gesonderte Stellung einnehmen. Dagegen ist die Aufrechterhaltung der frühern Staatsangehörigkeit mit dem Begriff der K. nicht notwendig verbunden. In diesem Sinne sind z. B. die deutschen Ostseeprovinzen, obwohl Teile des Russischen Reichs, deutsche, die Vereinigten Staaten von Amerika englische K., weil die ehemaligen Kolonisten ihre Eigenart behalten haben.

Enger ist der völkerrechtliche Begriff der K., worunter nur solche Niederlassungen zu verstehen sind, die in einer staatsrechtlichen oder völkerrechtlichen Abhängigkeit vom Mutterlande stehen. Nach dem Grade der Abhängigkeit sind hier zu trennen: 1) eigentliche K., d. h. überseeische Provinzen eines europ. Staates, welche seiner Souveränität völlig unterworfen sind; 2) Protektoratsländer, d. h. überseeische Gebiete mit staatlicher Organisation, über welche ein europ. Staat die Schutzherrschaft ausübt (z. B. die französischen K. Tongking und Tunis); 3) Interessensphären (s. d.) oder Machtsphären.

Ihrer Entstehungsursache und wirtschaftlichen Eigenart nach unterscheidet man 1) Eroberungskolonien. Sie werden begründet durch Eroberung mit Waffengewalt und sind stets auf die Beherrschung und Ausbeutung des unterworfenen Volks gerichtet. Daher können Eroberungskolonien mit Aussicht auf Erfolg weder in sehr dünn bevölkerten noch in sehr niedrig kultivierten Ländern begründet werden, weil hier die Beherrschung zu geringe Vorteile bieten würde. Derartige K. waren die Herrschaften der Normannen in Unteritalien, der Saracenen in Spanien, der Spanier in Mexiko und Peru. Hierher sind auch die Militärkolonien zu rechnen, wie sie besonders von den Römern angelegt wurden, um unterworfene Länder im Zaume zu halten. 2) Ackerbaukolonien haben die Urbarmachung und Bebauung des neu besiedelten Bodens zum Zweck und sind daher nur dort möglich, wo dem kolonisierenden Volke die Entfaltung seiner physischen und geistigen Energie gestattet ist, für den europ. Landbauer und Viehzüchter also nur in der gemäßigten Zone. Sie erfordern dauernde Ansiedelung ganzer Familien in beträchtlicher Zahl und können nur von einem Lande mit großer Volkszahl und relativ starkem Bevölkerungszuwachs ausgehen, das ihnen den anfangs nötigen Zuschuß an Volkskräften zuzuführen vermag. In Anpassung an die klimatischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des neuen Landes wachsen hier die Kolonisten früher oder später zu einer selbständigen Nation heran, die sich bald auch politisch vom Mutterlande unabhängig zu machen sucht. Typische Beispiele sind die Vereinigten Staaten von Amerika und die englischen K. in Australien. Eine Unterabteilung der Ackerbaukolonien bilden die Viehzuchtkolonien in Steppengebieten, z. B. die Boersstaaten in Südafrika. 3) In Handelskolonien ist das Mutterland nur durch eine Anzahl von Handelshäusern und Faktoreien vertreten, und es findet nur ein Austausch der Erzeugnisse dieses Gebietes und seiner Nachbarländer gegen die des Mutterlandes statt. Sie gehen meist aus Niederlassungen von Kaufleuten in Gegenden hervor, die bei großem Reichtum an gewinnbringenden Naturerzeugnissen wegen der Unsicherheit ihrer Rechtsverhältnisse einen ungestörten Warenverkehr nicht zulassen und die Kaufleute zu genossenschaftlicher Vereinigung zum Zweck gemeinsamen Rechtsschutzes nötigen. Derartige Vereinigungen können eine solche Macht erlangen, daß sie die einheimische Bevölkerung aus eigener Kraft oder unter dem Schutze des Mutterlandes von sich abhängig zu machen vermögen (Englisch-Ostindische Compagnie, s. Ostindische Compagnien). In der neuern Zeit sind solche K. hauptsächlich in tropischen Gegenden angelegt worden, die zur dauernden Aufnahme europ. Bevölkerung nicht geeignet sind. 4) Pflanzungs- oder Plantagenkolonien, welche in wirtschaftlicher Beziehung den Handelskolonien sehr nahe stehen, befinden sich gleichfalls in der heißen Zone und dienen zur Hervorbringung der Kolonialwaren. Die Kolonisten treten hier, wo das Klima ihnen eine anhaltende körperliche Arbeit nicht gestattet, nur als Unternehmer und Leiter der Produktion auf, während für die körperlichen Arbeitsleistungen die eingeborene Bevölkerung oder Arbeiter aus andern Tropengegenden (Kulis in Australien und Westindien, Neger in den Südstaaten von Amerika) verwendet werden.

Von untergeordneter Bedeutung sind 5) die Verbrecher- oder Strafkolonien, in welche verurteilte Verbrecher verschickt werden, um sie für die Gesellschaft unschädlich zu machen oder zu bessern. Sobald die deportierten Verbrecher zu ordentlichen Ansiedlern werden, muß die weitere Deportation aufhören, und diese K. verlieren ihren besondern Charakter. In übertragener Bedeutung spricht man auch von Wald- und Moorkolonien, wo es sich um Rodung oder Urbarmachung wüster Strecken des eigenen Landes handelt. (S. Kolonisation, innere.)

II. Bedeutung der Kolonien. Die Gründung von K. erscheint als eine Äußerung der Expansionskraft des Mutterlandes, die durch kühne Unternehmungslust und Überfluß an unbeschäftigten Kapitalien, aber auch durch wirtschaftliche Not und proletarische Übervölkerung hervorgerufen sein kann. Die vorteilhaftesten Bedingungen für eine derartige Expansion bieten die Länder, die entweder nur sehr dünn bevölkert und völlig unkultiviert sind, oder deren Bewohner auf einer niedrigern Stufe der Gesittung stehen. Hier ist der Grund und Boden noch unentgeltlich oder sehr billig zu haben, und die Naturprodukte können noch zu günstigen Bedingungen eingetauscht werden. Dem fleißigen Arbeiter wird es leicht, einen eigenen Herd zu gründen, die Grundrente steht niedrig, der Arbeitslohn hoch, die überschüssigen Kapitalien des Mutterlandes finden bei hohem Zinsfuß eine gewinnbringende Anlage, Industrie und Gewerbfleiß einen sichern und vorteilhaften Absatzmarkt. Einem an Übervölkerung krankenden Staate gewähren solche K., deren Klima eine größere Auswanderung zuläßt, die nicht bloß wirtschaftlich, sondern auch aus Gründen der innern Politik höchst wichtige Ableitung seiner entbehrlichen Kräfte, ohne ihre produktive Leistungen zu verlieren (s. Auswanderung). Für den Kolonisten

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