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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Konzil

entgegen zu arbeiten, traten solche Versammlungen anfangs nur gelegentlich, später regelmäßig in einzelnen Gegenden zusammen. Die ersten K. wurden in Kleinasien auf Anlaß der montanistischen Bewegungen und des Passahstreites (s. d.) gehalten; zu Anfang des 3. Jahrh. finden sich ähnliche Versammlungen in Griechenland und bald darauf in Afrika und Italien als regelmäßige Einrichtung. Als vollberechtigte Mitglieder dieser K. galten nur die Bischöfe; die Presbyter hatten nur beratende Stimme. Die Beschlüsse erstreckten sich auf alle Gebiete der Lehre, der Sitte und des Kultus und galten als unter Einfluß des Heiligen Geistes gefaßt. Gewöhnlich wurden diese Versammlungen in der Hauptstadt der Provinz (Metropolis) unter Leitung des Bischofs derselben (seit dem 3. Jahrh. Metropoliten genannt) gehalten.

Eine weitere Ausbildung des Synodalwesens erfolgte erst seit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion. Man unterscheidet nunmehr zwischen Reichssynoden (auch ökumenische genannt), Diöcesan- und Provinzialsynoden. Die Reichssynoden, die der Idee nach als eine Vertretung der ganzen christl. Welt (grch. oikumene) galten, wurden vom Kaiser berufen, durch einen vom Kaiser beauftragten Bischof in Verbindung mit kaiserl. Kommissarien geleitet und geschlossen. Ihre Beschlüsse wurden vom Kaiser bestätigt und vollstreckt und hatten die Geltung von Reichsgesetzen. Sitz und Stimme hatten lediglich Bischöfe. Die Beschlüsse über die Lehre hießen Symbole, die über die Gebräuche Kanones. Die erste dieser Reichssynoden war die von Nicäa (325); im Arianischen Streite folgten sie sodann rasch aufeinander, und öfters stand Synode gegen Synode. Die schließlich siegreich gebliebene Partei betrachtete natürlich nur die in ihrem Sinne abgehaltenen K. als rechtmäßig, weshalb sich später eine verschiedene Zählung der allgemeinen Kirchenversammlungen in der röm. und griech. Kirche ergab. Die Diöcesansynoden wurden von den Bischöfen einer polit. Diöcese, d. h. mehrerer Provinzen zugleich, beschickt und von den Erzbischöfen (oder Exarchen), wo dergleichen bestanden, berufen und geleitet. Daneben bestanden auch die alten Provinzialkonzilien unter Leitung der Metropoliten fort. Seit der Spaltung in abendländ. und morgenländ. Kirche hielt jeder Kirchenteil, wie übrigens früher schon öfters, seine eigenen Synoden. Doch dauerten im Orient die allgemeinen Kirchenversammlungen nur bis zum Bilderstreite und wurden seitdem durch kleinere, vom Patriarchen von Konstantinopel berufene Versammlungen auserlesener Bischöfe (grch. synodoi endemusai) ersetzt.

Im Abendlande traten seit der Gründung christl.-german. Staaten an die Stelle der allgemeinen K. die Nationalsynoden, die von den Königen meist in Verbindung mit den Versammlungen der Reichsstände einberufen wurden. Dergleichen Versammlungen wurden schon seit dem 6. Jahrh. in Spanien und Gallien, später auch anderwärts abgehalten. Besonders häufig wurden dieselben seit der Karolingerzeit in Frankreich und Deutschland. Seit der Wiederaufrichtung des röm. Kaisertums durch Karl d. Gr. beanspruchten auch die Kaiser wieder das Recht, allgemeine K. zu berufen, das ihnen jedoch von den Päpsten streitig gemacht wurde. Doch hat Heinrich Ⅲ. von Deutschland auf der Synode zu Sutri (1046) drei Päpste entsetzt und einen neuen Papst eingesetzt. Je mehr aber die päpstl. Macht wuchs, desto mehr galten nur die vom Papste einberufenen, gewöhnlich im Lateran zusammentretenden K. (s. Lateransynode) als ökumenisch. Eine neue Gestalt nahmen die allgemeinen K. seit Anfang des 15. Jahrh. infolge des großen Schismas an. Als Repräsentation der «allgemeinen Kirche», von Bischöfen, Äbten, Doktoren und fürstl. Gesandten beschickt, beanspruchten diese Versammlungen die höchste Gewalt in der Kirche, deren Gesetzen und Richtersprüchen auch die Päpste unterworfen seien (Episkopalsystem, s. d.), während die Päpste und ihr Anhang den Satz aufstellten, daß das Papsttum über dem K. stehe und nicht an seine Entscheidung gebunden sei (Papal- oder Kurialsystem). Aus dem Kampfe dieser beiden Anschauungen ging zuletzt das Papsttum siegreich hervor. Nachdem zuerst auf den sog. Reformkonzilien zu Pisa (1409), zu Konstanz (1414‒18) und zu Basel (1431‒49) das Episkopalsystem die Oberhand gewonnen hatte, wurde auf der fünften Lateransynode (1512) der Satz, daß das K. über dem Papste stehe, ausdrücklich verworfen, und auch auf dem für die röm.-kath. Lehre maßgebenden Tridentinischen K. (1545‒63) behielt nach harten Kämpfen das Papsttum mit seinen Ansprüchen auf das Bestätigungs- und Interpretationsrecht der Konzilienbeschlüsse das letzte Wort. Trotzdem bestand auch nachmals in der kath. Kirche zwischen dem kurialistischen und dem episkopalistischen System ein nicht ausgeglichener Streit, der erst auf dem letzten allgemeinen K., dem Vatikanischen (1869‒70), zu Gunsten des unfehlbaren Lehramtes des Papstes und seiner absoluten Herrschaft über die Kirche entschieden worden ist.

Als ökumenische, die ganze christl. Welt vertretende K. erkennt die röm.-kath. Kirche, nächst dem angeblich von den Aposteln zu Jerusalem gehaltenen, folgende 20 an: 1) das erste K. zu Nicäa (325) gegen die Arianer (s. d.); 2) das erste K. zu Konstantinopel (381), das die Lehre vom Heiligen Geiste bestimmte; 3) das erste ephesinische (431), das den Nestorius (s. d.) verdammte; 4) das zu Chalcedon (451) gegen den Abt Eutyches (s. d.) und die Monophysiten (s. d.); 5) das zweite K. zu Konstantinopel (553) zur Beilegung des Dreikapitelstreites (s. d.); 6) das dritte K. zu Konstantinopel (680) zur Verdammung der Monotheleten (s. d.); 7) das zweite K. zu Nicäa (787) zu Gunsten des Bilderdienstes, wogegen Karl d. Gr. die Synode zu Frankfurt (794) hielt; 8) das vierte K. zu Konstantinopel (869) gegen den Patriarchen Photius (s. d.); 9‒12) die vier ersten Lateransynoden (s. d.); 13) die erste Lyoner Synode (1245) unter Innocenz Ⅳ., auf der Kaiser Friedrich Ⅱ. feierlich exkommuniziert wurde; 14) die zweite Lyoner Synode (1274) unter Gregor Ⅹ. zur Wiedervereinigung mit der griech. Kirche; 15) die Synode zu Vienne (1311) unter Clemens Ⅴ. zur Aufhebung des Templerordens; 16) das Konstanzer Konzil (s. d.); 17) das Baseler Konzil (s. d.), das übrigens von der kath. Kirche nur teilweise anerkannt wird; 18) die fünfte Lateransynode; 19) das Tridentinische Konzil (s. d.); 20) das Vatikanische Konzil (s. d.). Die griech.-kath. Kirche erkennt nur die sieben ersten ökumenischen K. an.

Die Akten und Dekrete der K. der kath. Kirche sind am besten von Mansi herausgegeben worden (31 Bde., Flor. und Vened. 1757‒98, bis 1590 reichend; neue Ausg., Par. 1884 fg.). – Vgl. He- ^[folgende Seite]

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