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Kriegsrecht – Kriegsschulen
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Kriegsrat'
gen beruft, um ihre Ansicht über die zu fassenden Entschlüsse zu hören. Stets ist die Berufung eines K. ein bedenkliches
Zeichen für die augenblickliche Kriegslage; zuweilen sucht auch ein nicht charakterstarker Feldherr durch die Berufung eines K.
einen Teil der Verantwortlichkeit von sich abzuwälzen.
Kriegsrecht, im objektiven Sinne, wie ursprünglich im Altertum, so heute noch in einzelnen Wendungen
die durch keine Rechtsschranken gehemmte Freiheit der Kriegführenden, gegen Land und Leute des Feindes nach Gutdünken
zu verfahren; so wenn man sagt, daß gegen den Spion, gegen die aufständische Bevölkerung eines occupierten Gebietes und ihr
Eigentum «nach K.» verfahren werden kann. Indes erkannte schon das spätere Altertum gewisse völkerrechtliche Schranken der
Kriegführung an; die christl. Gesittung hat diese vermehrt, und seit dem Werke von Grotius (s. d.) «über das
Recht des Krieges und Friedens» hat sich ein K. (Kriegsvölkerrecht) als der Inbegriff von
Rechtssätzen für den Kriegszustand teils durch den Kriegsgebrauch (s. d.), teils durch Verträge von Staat zu
Staat entwickelt und ist in der neuesten Zeit auch durch allgemeine Vereinbarungen wie die
Genfer und Petersburger Konvention (s. diese Artikel)
ergänzt worden. Eine allgemeine Kodifikation des K., mit Ausnahme jedoch des
Seekriegsrechts (s. d.), war der von Kaiser Alexander II. von Rußland berufenen
Brüsseler Konferenz von 1874 gestellt und durch ihren Entwurf einer Erklärung vom 27. Aug. 1874 erzielt worden. Obwohl diese
eine formelle Bestätigung nicht erhalten hat, kann ihr Inhalt doch nach dem Gange der Beratungen als Ausdruck der allgemeinen
Rechtsanschauung der gesitteten Völker gelten. – K. im subjektiven Sinne ist das jedem unabhängigen und selbständigen Staate
zustehende Recht, zur Durchführung völkerrechtlicher Ansprüche nach freiem Entschlusse Krieg zu führen oder eine feindselige
Behandlung als Kriegsfall zu nehmen. Daß die neutralisierten Staaten durch die von ihnen eingegangene Verpflichtung zu
allgemeiner Neutralität (s. d.) auf das K. mit Ausnahme eines reinen Verteidigungskrieges verzichtet haben,
ist mit ihrer völkerrechtlichen Unabhängigkeit nur insofern vereinbar, als sie nach den Grundsätzen über die Kündbarkeit
völkerrechtlicher Verträge durch Verzicht auf den Schutz ihrer Neutralität die Freiheit ihrer Entschließung über Krieg und Frieden
wieder erlangen können. – Vgl. Bluntschli, Das moderne Völkerrecht (3. Aufl., Nördl. 1878); Rys,
Le droit de la guerre et les précurseurs de Grotius (Brüss. 1882); Resch, Das moderne K.
der civilisierten Staatenwelt (3. Aufl., Graz 1890); Triepel, Die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete des K. (in der «Zeitschrift für
Litteratur und Geschichte der Staatswissenschaften», Bd. 2, Heft 3 u. 4, Lpz. 1894).
Im engern Sinne bezeichnet K. das in den für strafbare Handlungen im Felde erlassenen
Kriegsgesetzen enthaltene Recht. Die Kriegsgesetze, ein Teil des Militärstrafgesetzbuches,
gelten nach dem Deutschen Militärstrafgesetzbuch vom 20. Juni 1872:
-
a. für den mobilen Zustand des Heers, der Marine oder einzelner Teile derselben;
-
b. für die Dauer des nach Vorschrift der Gesetze erklärten Kriegszustandes in den davon betroffenen Gebieten;
-
c. in Ansehung der Truppen, denen bei einem Aufruhr, einer Meuterei oder einem kriegerischen Unternehmen der befehligende
Offizier dienstlich bekannt gemacht hat, daß die Kriegsgesetze für sie in Kraft treten.
↔ Während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges sind alle Personen, welche sich in
irgend einem Dienst- oder Vertragsverhältnisse bei dem deutschen Heere befinden oder sonst sich bei demselben aufhalten
oder ihm folgen, den Kriegsgesetzen unterworfen; ebenso die an Bord eines Schiffs, d. i. Fahrzeugs der Marine, auf welchem ein
militär. Befehlshaber nebst Besatzung sich befindet, dienstlich eingeschifften Personen. Die Kriegsgesetze haben zugleich den
besondern Gerichtsstand vor den Militärgerichten zur Folge.
Kriegssanitätsdienst, Kriegssanitätsordnung,
Kriegssanitätswesen, s. Sanitätswesen.
Kriegsschäden, Vermögensverluste, die durch den Krieg, namentlich durch feindliche Maßnahmen,
wie Beschießung, Plünderung u. s. w. veranlaßt werden. Sie werden im allgemeinen vom Staat nicht entschädigt. Für Deutschland
behält aber das Reichsgesetz vom 13. Juni 1873 vor, durch ein jedesmaliges Einzelgesetz die Entschädigung zu regeln für alle
K., welche nach den Vorschriften dieses Kriegsleistungsgesetzes nicht oder nicht hinreichend entschädigt werden. 1870/71 sind
den aus Frankreich ausgewiesenen Deutschen durch Reichsgesetz vom 14. Juni 1871 Beihilfen gewährt, durch Reichsgesetz
vom 22. Juni 1871 den Bundesregierungen Mittel zur Verfügung gestellt worden, um aus denselben den durch die Einziehung zur
Fahne in ihren Erwerbsverhältnissen besonders geschädigten Wehrleuten u. s. w. die Wiederaufnahme ihres bürgerlichen Berufs
zu erleichtern; ferner sind die sachlichen K., wie die durch Beschießung u. s. w. entstandenen Vermögenseinbußen auch in dem
erst infolge des Krieges hinzugekommenen Gebiete reichlich entschädigt worden, über die Verluste an Menschen im Kriege
s. Menschenverluste im Kriege. Über Kriegskosten s. d.
Kriegsschatz, eine in gemünztem Gelde bereit gehaltene Summe zur Deckung der Kosten einer
Mobilmachung. Der K. gestattet die Barzahlung bei dem Übergange von dem Friedensfuß zum Kriegsfuß eines Heers, ohne daß
es notwendig wäre, hierfür Anleihen aufzunehmen, die nur mit schweren Opfern abzuschließen wären. Preußen besaß vor 1866
einen K. von 30 Mill. Thlr. Seinem Beispiele ist das Deutsche Reich gefolgt, für welches aus der franz. Kriegsentschädigung
durch Gesetz vom 11. Nov. 1871 ein K. im Betrage von 40 Mill. Thlr. gebildet wurde, der im Juliusturm der Citadelle von Spandau
in gemünztem Gelde niedergelegt ist. Die Verfügung über den K. erfolgt durch den Kaiser mit Zustimmung von Bundesrat und
Reichstag. Das Deutsche Reich ist der einzige Großstaat, welcher einen K. besitzt.
Kriegsschauplatz, Kriegstheater, im weitern Sinne dasjenige
Land, in dem ein Krieg geführt wird, im engern Sinne ein größerer oder kleinerer Abschnitt des allgemeinen K., auf dem
selbständige Operationen stattfinden, die aber doch nur Teilhandlungen des Gesamtkrieges sind. Dieser engere Begriff des K.
ist sehr dehnbar und je nach Umständen veränderlich.
Kriegsschulen, im allgemeinen Bezeichnung für militär. Fachschulen, welche aber in den
verschiedenen Heeren eine verschiedene Bedeutung hat, indem sie teils auf solche Anstalten angewendet wird, welche die
Heranbildung, teils auf solche, welche
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 737.
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