Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Luther (Martin)'
Disputation wurde L. von der Unstatthaftigkeit des röm. Primats noch fester überzeugt.
In Rom, Köln und Löwen wurden L.s Schriften öffentlich verbrannt, und im Spätjahr 1520 erschien die von
Eck ausgewirkte, vom 15. Juni datierte päpstl. Bannbulle
«Exurge domine» gegen L. in Deutschland. Die Kraft dieser Bulle hatte
L. schon im voraus gebrochen, indem er (Juni 1520) in kühner Sprache seine Erkenntnis über den Zustand
der Kirche in der Schrift «An den christl. Adel deutscher Nation von des christl. Standes Besserung» in
Beziehung auf die äußern Angelegenheiten, und (Okt. 1520) in dem
«Praeludium de captivitate Babylonica ecclesia» in Beziehung auf die
Lehre von den sieben Sakramenten darlegte. Miltitz hatte in Lichtenberg L. nochmals zu beschwichtigen
gesucht, worauf dieser in seinem «Sermon von der Freiheit eines Christenmenschen» wirklich noch einmal
die Hand zum Frieden bot. Aber die Veröffentlichung der Bannbulle durch Eck machte allen Verhandlungen
ein Ende. Zur Antwort erneuerte L. seine Appellation an ein allgemeines Konzil und sagte sich 10. Dez. 1520
durch feierliche Verbrennung der päpstl. Bulle vor dem Elsterthore in Wittenberg für immer von Rom los.
Eine neue Bulle des Papstes (3. Jan. 1521) wiederholte den Bannfluch und belegte jeden Aufenthaltsort L.s
mit dem Interdikt.
L. hatte den Adel deutscher Nation für die Verteidigung der neuen Sache angerufen. Es waren besonders
viele tüchtige Männer dieses Standes, wie Hutten, Sickingen u. s. w., die ihn in seinem Streben ermunterten
und ihn zu schützen sich erboten. Doch L. lehnte weltlichen Schutz ab. Die Durchführung des Bannes wurde
vorläufig noch auf Drängen des Kurfürsten Friedrichs des Weisen von Sachsen verhindert und L. zunächst
vor die auf dem Reichstage zu Worms versammelten Reichsstände zur Verantwortung geladen, wozu ihm
vom Kaiser freies Geleit zugesichert wurde. Am 5. April 1521 trat er, von Justus Jonas, Amsdorf u. a.
begleitet, die Reise zum Reichstag an. Am 17. April erschien L. in der Reichsversammlnng, bekannte sich
zu den ihm vorgelegten Schriften und soll am folgenden Tage seiner Verteidigungsrede unter der sich daran
knüpfenden Rede und Gegenrede die Worte beigefügt haben: «Hier steh’ ich, ich kann nicht anders,
Gott helfe mir! Amen!»
L. verließ 26. April Worms zunächst unbehindert, aber unter so unzweideutigen Vorzeichen des ihm von
seinen Feinden drohenden Verderbens, daß Kurfürst Friedrich der Weise ihn unterwegs nach zuvor
getroffener Verabredung 4. Mai hinter dem Schlosse Altenstein in Thüringen gefangen nehmen und als
«Junker Georg» nach der Wartburg bringen ließ, um sein Leben zu sichern. Weder die kaiserl.
Achtserklärung (vom 26. Mai, aber vom 8. datiert) noch die Bannbullen des Papstes konnten ihn in der
Muße stören, die er hier zum Studium des Griechischen und Hebräischen, zu polemischen Schriften und vor
allem zur Verdeutschung des Neuen Testaments anwendete. Doch dauerte diese Zeit der Ruhe nur zehn
Monate. Auf die Nachricht von Karlstadts Bilderstürmern eilte er trotz erneuerter Achtserklärung und der
drohenden Ungnade seines Landesherrn mitten durch das Land des gegen ihn erzürnten Herzogs Georg
von Sachsen nach Wittenberg zurück, wo er 7. März 1522 eintraf. Die Predigten, mit denen er gleich nach
seiner Rückkehr ununterbrochen vom 9. bis 16. März den Aufstand der fanatischen ↔
Neuerer in Wittenberg stillte, zeugten von seiner Abneigung gegen kirchlichen Radikalismus und von seiner
Sanftmut gegen bloß Irrende. Nur wo unlautere Gesinnung sich ihm entgegenstellte oder wo er die evang.
Wahrheit in Gefahr sah, erschien auch er stürmisch. Daher seine harte Antwort auf die kleinliche
Schmähschrift König Heinrichs VIII. von England, seine Schärfe gegen die Wiedertäufer und Zwickauer
Propheten, sowie seine Abneigung gegen die aufständischen Bauern, die er zur Ruhe und zum Gehorsam
vermahnte (s. Bauernkrieg), seine Erbitterung gegen Herzog Georg von Sachsen und
in seinen Streitigkeiten mit Karlstadt und Erasmus.
Unter diesen Kämpfen und Anfechtungen war L.s Entschluß gereift, auf eine völlige Reformation der Kirche,
die von der Nation laut verlangt wurde, hinzuarbeiten. (S. Reformation.) Zunächst
begann er mit vieler Mäßigung 1523 in Wittenberg die Liturgie von manchen Mißbräuchen zu befreien. Er
selbst legte 9. Okt. 1524 die Mönchskutte ab und verheiratete sich 13. Juni 1525 mit
Katharina von Bora (s. d.). Hiermit hatte er das Zeichen
zur Aufhebung der Klöster und zu anderweitiger Verwendung der Kirchengüter gegeben. Doch nur auf dem
Wege der Ordnung wollte er die neue Form des kirchlichen Lebens eingeführt wissen. Während er den
Reichsstädten und den fremden Fürsten dabei mit Rat und That zur Hand ging, erklärte er sich um so
nachdrücklicher gegen die aufrührerischen Bauern und Wiedertäufer, je größere Gefahr seiner eigenen
Sache durch schwärmerische Überspannung drohte. Um die «reine Lehre des Evangeliums» fester zu
gründen, gab er 1527–29 unter Autorität des Kurfürsten, dem er zur Teilnahme an der Protestation auf dem
Reichstage zu Speyer (1521) riet, mit Hilfe Melanchthons und anderer der Kirche in Sachsen nach
vorangegangener Visitationsreise eine neue Ordnnng und arbeitete zugleich zur Unterweisung der
Pfarrherren und der Jugend seinen Großen und Kleinen Katechismus (s. d.) aus.
Während des Reichstags zu Augsburg (1530) blieb er als Geächteter des Reichs in Coburg zurück, feuerte
aber von hier aus den Mut der Seinen durch heldenmütige Briefe an und beteiligte sich an der Feststellung
der Augsburgischen Konfession (s. d.), die
Melanchthon ihm zur Revision und Begutachtung zusandte.
Einen einseitigen Standpunkt vertrat L. gegen die schweiz. Reformatoren wegen ihrer abweichenden Ansicht
in der Lehre vom Abendmahl (s. d.). Aber im Streite mit Karlstadt war L., um festen
Boden zu behalten, zum engsten Anschlusse an den Bibelbuchstaben gedrängt worden, und dieselbe
Festigkeit, die im Streite mit den später sog. Reformierten zur Hartnäckigkeit wurde, hat auch die Versuche
Kleinmütiger vereitelt, durch Nachgiebigkeit gegen das Papsttum die neugewonnene Freiheit aufs Spiel zu
setzen. Ganz in diesem Geiste schrieb er 1537 die
Schmalkaldischen Artikel (s. d.); aus denselben
Gründen gab er den brandenb. und anhalt. Gesandten, die 1541 vom Reichstag zu Regensburg an ihn
geschickt wurden, um ihn zur Nachgiebigkeit gegen die Katholischen zu stimmen, eine abschlägige Antwort.
Auch verweigerte er 1545 die Teilnahme seiner Partei am Tridentinischen Konzil und schrieb:
«Das Papsttum in Rom, vom Teufel gestiftet.»
Erstaunlich ist die unermüdliche Thätigkeit, mit der L. nach allen Seiten hin wirkte. Das große Werk der
Bibelübersetzung brachte er 1521–34 zu stande. Zuerst erschien 1522 das Neue Testament,
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 394.