Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

630

Marser

wissenschaftliche Sammlungen vereinigt. Es bestehen Gesellschaften für Künste und Wissenschaften, für Medizin und Statistik sowie ein Athenäum. Wichtige Zeitungen sind: "Le Petit Marseillais", "Le Sémaphore", "La Radical", "Le Soleil du Midi" und "Le Petit Provençal". Unter den Theatern sind Grand Theâtre und Variétés hervorzuheben, ferner Alcazar und der Krystallpalast.

Handel, Industrie und Verkehr. Die Lage der Stadt ist überaus günstig. Nicht behelligt von der Versandung der Rhônemündungen, aber nahe genug, um den Fluß als Verkehrsstraße nach N. und NO. zu benutzen, ist es seit der Gallierzeit Hauptemporium Frankreichs am Mittelmeer. Seit den Kreuzzügen blüht der Verkehr mit der Levante, und nach Aufhebung der Kontinentalsperre entwickelte sich, durch die Eröffnung des Sueskanals gefördert, nur durch die Konkurrenz von Genua bedroht, der Handel mit allen Teilen der Erde, insbesondere mit den neuen franz. Kolonien. Störend wirkt seit Febr. 1892 der neue franz. Schutzzolltarif. Der Hafen, bis 1844 nur den jetzigen Vieux Port (28 ha) umfassend, besteht jetzt aus fünf Bassins (zusammen 300 ha), die, durch einen 3,6 km langen Wellenbrecher geschützt, für etwa 100 Mill. Frs. angelegt wurden. Sie sind mit Quais (14,6 km), Docks und Magazinen (nur aus Stein und Eisen) mit hydraulischen Kranen u. s. w. gut ausgestattet; Getreideelevatoren fehlen noch. Port Joliette dient franz. Passagierdampfern, Bassin du Lazaret und d'Arenc dem überseeischen Handel, Port de la Gare maritime der Getreideeinfuhr, das Bassin National den Kohlen- und Viehtransporten und der franz. Kriegsflotte. Große Erweiterungen bis Kap Janet, ein Kanal zur Rhône, neue Trockendocks sind geplant. Am nördl. Eingang zum alten Hafen liegt das Fort St. Jean, südlich gegenüber das Fort Nicolas, die Citadelle und mehrere Batterien. Östlich von den Inseln Pomègue und Ratonneau befindet sich die Klippe If mit dem Fort Château d'If, welches öfters als Staatsgefängnis diente und durch Dumas' Roman "Monte Christo" berühmt geworden ist.

Die Einfuhr zur See betrug (1894) 2 878 425 t. Getreide (Weizen) kamen 8,4 Mill. Doppelcentner (gegen 8,9 im 1.1891) aus Rußland, Nordafrika, Türkei, Rumänien, Indien, Amerika, Gerste auch aus Tunis, Zucker roh aus Réunion und aus Java 107 Mill. kg, wovon 10,5 Mill. roh und 35,9 Mill. raffiniert wieder ausgeführt wurden, Kaffee, für den auch Terminhandel besteht, 19 128 t meist aus Brasilien, Pfeffer (1773,5 t), Kakao (471,4 t), Ölsaaten (Sesam, Arachiden und Kopra) 4,6 Mill. Doppelcentner, Vieh (1,8 Mill. Stück), besonders Schafe, aus Algerien, Wein und Spirituosen (0,95 Mill. hl), während 0,29 Mill. hl ausgeführt wurden, Reis (685 000 Doppelcentner), Bohnen und andere Hülsenfrüchte, Tabak (großenteils sür die Staatsmanufaktur), Talg und Schmalz (5,97 Mill. kg), Stockfisch, Seesalz für die chem. Fabriken und die Seifenindustrie, Faßdauben (6,78 Mill. Stück), Bau- und Brennholz, Schwefel (35 167 t), Weinsteinsäure, Zimmet, Kautschuk, Gewürze, Farbhölzer, ferner Schaf- und Lammfelle (51 000 Ballen), Ziegenfelle (21718 Ballen), Häute vom La Plata, aus China, Kalkutta und Senegal, Öle zur Seifenfabrikation (85 Betriebe), seine Speiseöle aus der Levante, Palmkern- und Baumwollsamenöle, Petroleum (75 462 Fässer, in Port de Bruc 38259), Baumwolle (59 619 Ballen). Seidenabfälle, Wolle (65 533 Ballen und 70 195 Ballen in der Durchfuhr), während Tuche, Merino und Baumwollgewebe (zusammen 29 Mill. kg) franz. und fremden Ursprungs exportiert wurden, Eisenerz (25), Blei (29,4 Mill. kg) aus Spanien, Kupfer und Zinn im Durchgangsverkehr und Kohlen (1,07 Mill. t). Unter den Waren der Ausfuhr sind noch zu nennen: Öle, Seife (109 Mill. kg), Lichte (5,4 Mill.kg), Mauersteine, Ziegel, Steinfliesen, Mehl (722 088 Doppelcentner), Teigwaren (5,0), Gries (51 Mill. kg). - Neben den Öl- und Getreidemühlen und der Seifenfabrikation bestehen großartige Anlagen für Möbeltischlerei, Schiffbau, Seilerei u. s. w., Spritfabriken, Eisenwerke, z. B. bei St. Louis, Maschinenwerkstätten, Pastetenbäckereien und Lederindustrie. Auch Bierbrauerei, Herstellung von Fischergerät, von Konserven für Schiffsbedarf, Böttcherei, Hutmacherei, Zündhölzchenfabrikation sind in hervorragender Weise vertreten. Es bestehen Filialen der Bank von Frankreich und des Credit Lyonnaise, eine Société Generale,, ein Comptoir d'Escompte, 40 Konsulate und zahlreiche Versicherungsgesellschaften. 1895 liefen 7955 Schiffe mit 4,86 Mill. Registertonnen in den Hafen ein. Regelmäßigen Dampferverkehr nach franz. Küstenorten, Livorno, Corsica und Neapel unterhalten Fraissinet & Co., nach Spanien, Algerien und Tunis die Compagnie générale transatlantique, Compagnie Touache u. a., nach Ostafrika, der Levante, Asien, Australien die Messagieres Maritimes (s. d.), nach Westafrika, Brasilien und La Plata die Société Générale des Transport Maritimes. - Ein Bahnhof dient der Bahn Paris-Lyon-Mediterranee. Außerdem giebt es eine unterirdische Bahn zur Verbindung des alten Hafens mit dem Güterbahnhof und eine andere, teilweise unterirdische zur Verbindung der innern Stadt mit dem Friedhofe St. Pierre. Eine Dampftrambahn führt nach L'Estaque.

Geschichtliches. M. wurde von den Phocäern um 600 v. Chr., vielleicht schon um 900 von den Phöniziern gegründet, hieß griech. Massalia, lat. Massilia, war ein aristokratischer Freistaat sowie der Mutterstaat griech. Kolonien an der gallischen und hispanischen Küste und blühte durch Handel und Schiffahrt bis 50 v. Chr. Mit Rom war es von alters her befreundet, verlor aber seit dem Bürgerkriege zwischen Pompejus und Cäsar, wo es auf der Seite des erstern stand, an polit. Bedeutung. Aber die ausgezeichnete Lage machte die Stadt bald wieder zum großen Emporium. Auch das Christentum wurde von M. aus mittels griech. Sprache und Bildung nach Südgallien getragen. Später kam es an Burgund und Arelat. Im Mittelalter wußte es sich stets seine Unabhängigkeit und Freiheiten zu bewahren, bis es endlich 1482 den Königen von Frankreich sich unterwerfen mußte. Unter Ludwig XIV. sank M. durch den Verlust seiner Freiheiten. Wie es während der großen Revolution auf die Seite der Republik trat, so hatte es auch 1871 seine Commune. - Vgl. Teissier, Histoire du commerce de M. 1855-74 (Marseille 1878 u. 1887); Joanne, M. et ses environs (Par. 1888), und die Publikation der Association française pour l'avancement des sciences (Sept. 1891).

Marser oder Marsen, ein italisches Volk (Marsi) sabellischen Stammes, welches die von den Apenninen umschlossene Hochebene um den jetzt trocken gelegten Fuciner See mit dem Hauptorte Marruvium (jetzt San Benedetto) bewohnte. Sie standen nebst ihren Stammverwandten, den benach-^[folgende Seite]