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Osmanisches Reich (Religion. Landesprodukte)
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Osmanische Reich (Bevölkerung)'
Küste zwischen Argyrokastron und Antivari landeinwärts bis nach Novipazar, Prizren, Ochrida nnd Kastoria, in letztern Landesteilen mit Slawen untermischt. Die
Slawen der Türkei sind vorwiegend griech.-orthodoxer Religion und zerfallen in die beiden Stämme der
Serben (s. d.) und der Bulgaren (s. d.). Die
Walachen (Zinzaren), die einen rumän. Dialekt reden, sitzen im Pindusgebirge und in den Grenzgebirgen Albaniens und
Macedoniens. Zigeuner leben teils als Nomaden, teils als seßhafte Bewohner in allen Städten und vielen Dörfern der europ. Türkei.
Sie sind größtenteils mohammed. Glaubens, wechseln jedoch ihre Religion nach Bedürfnis. Die Israeliten (Jahudi) zerfallen in die
1492 von Ferdinand dem Katholischen aus Spanien vertriebenen Sephardim und in die deutsch-poln.-russ. Juden (Aschkenasim). Sie haben sich besonders in
Konstantinopel und Saloniki angesiedelt und beschäftigen sich mit Kleinhandel, Handwerken und Lastarbeit. Nur wenige haben es zu Reichtum gebracht. Die
Armenier sind in der europ. Türkei nur in größern Städten angesiedelt. Sie zeichnen sich durch Sprachtalent, Arbeitsamkeit,
Spekulationsgeist und Lernbegierde aus, zeigen aber Eigennutz und Hochmut. Ihre Volksschulen sind in gutem Zustand, dagegen fehlt es an höhern Lehranstalten. In den
größern Handelsstädten spielen die Levantiner, ein Mischvolk aus europ. Ansiedlern und Orientalinnen der verschiedensten
Nationalitäten, als gewandte Handelsleute eine wichtige Rolle. Sie zeichnen sich durch Intelligenz aus, doch mangelt es ihnen an moralischen Grundsätzen. Die statist.
Angaben über die Verteilung der verschiedenen Nationalitäten sind durchaus unsicher.
Die größten Städte sind: Konstantinopel mit Vororten 1033000 E., Saloniki 150000 E., Adrianopel 70000 E., ferner Smyrna 225000 E., Damaskus 150000 E., Haleb
120000 E., Bagdad 100000 E., Beirut 105000 E., Erzerum 60000 E., Brussa 60000 E., Mosul 55000 E., Diarbekr 47000 E., Manissa (Magnesia) 40000 E.
Nach Schätzungen beträgt die Bevölkerung:
Landesteile | | qkm | | Einwohner |
| A. Unmittelbare Besitzungen | | | | |
Europa | | 168 500 | | 4 780 000 |
Asien | | 1 777 700 | | 21 608 000 |
Afrika | | 799 000 | | 800 000 |
| B. Vasallenstaaten | | | | |
Bulgarien, Ostrumelien | | 96 600 | | 3 154 000 |
Bosnien, Herzegowina, Novipazar | | 58 460 | | 1 504 000 |
Samos | | 468 | | 49 000 |
Ägypten mit Sinaihalbinsel | | 995 000 | | 6 817 000 |
| Osmanisches Reich | | 3 895 720 | | 38 712 000 |
Die offizielle Landessprache ist die türkische; außerdem dient sie als Vermittelungssprache der verschiedenen Nationalitäten in der
europ. Türkei und in Kleinasien, während weiter südlich das Arabische vorherrscht. Zur Vermittelung mit den Europäern dient vorzugsweise das Französische, welches das
Italienische in die Handelsquartiere der Küstenstädte zurückgedrängt hat. Daneben macht neuerdings das Deutsche Fortschritte.
Religion. Als die Osmanen das Oströmische Reich unterwarfen, ließen sie die christl. Volksstämme
desselben als gesonderte Genossenschaften bestehen und faßten sie unter dem Namen Rajab, d. i. Herde, zusammen. Die Mohammedaner der europ. Türkei gehören
zum Teil der slaw., albanes. ↔ und griech. Rasse an. Man schätzt die Zahl der Moslim in den unmittelbaren Provinzen der europ. Türkei auf 2 Mill., in
Asien auf 11 1/2 Mill. Die griech.-orthodoxe Kirche hat ihre Verfassung seit der Eroberung der Hauptstadt durch Mohammed II. treu bewahrt. (Näheres s.
Griechische Kirche.) Das Oberhaupt der armenisch-gregorianischen Kirche ist der Patriarch (Katholikos) von Etschmiadzin. (S.
Armenische Kirche.) Die abendländische röm. Kirche hat ihre Anhänger unter allen Nationen des türk. Reichs und steht unter der geistlichen Leitung
eines in Konstantinopel residierenden apostolischen Vikars. Die prot. Kirche gliedert sich nach den Nationen in verschiedene Gemeinschaften. Die prot. Armenier sind seit
1853 den übrigen Kirchengemeinschaften staatsrechtlich gleichgestellt. Neben ihnen finden sich auch deutsche, englische und griechische evang. Gemeinden. Die
Israeliten sehen ihren geistlichen Vorstand in dem Großrabbiner von Konstantinopel (Chacham baschi), dem eine aus drei Rabbinern
und drei Laien zusammengesetzte Versammlung beigeordnet ist.
Landesprodukte. Das wesentlichste Hindernis für Entwicklung des Ackerbaues wie auch des
Bergbaues und Handels bildet die Art der Verwaltung mit ihrer willkürlichen Handhabung der Bestimmungen über die Besitzverhältnisse. Der Sultan ist der eigentliche
Besitzer fast allen Grund und Bodens. Der Eigentümer gilt nur als Nutznießer. Der Grund und Boden zerfällt in fünf Klassen: Miriê, die Staatsdomänen; Wakuf, d. i.
Eigentum frommer Stiftungen, der Moscheen u. a., das in Pacht gegeben werden kann; Mülk, Privatgrundbesitz; Metronkê, d. i. die Straßen, öffentlichen Plätze,
Kommunalgrundstücke; Merat, d. i. wüstes, nicht produktives Land. Jedes Privateigentum wird zum Wakuf, sobald der Besitzer ohne direkte Erben stirbt. Fremde können
erst seit dem 18. Juni 1867 Grundbesitz in der Türkei erwerben. In der Regel werden die Besitztitel nur nach Schätzung abgefaßt. Außerdem ist für jeden Besitzwechsel
die Genehmigung der Regierung erforderlich, und die Erlangung derselben in der Regel nur durch Bestechung möglich. Die Landwirtschaft leidet ferner unter den
Mißbräuchen bei der Steuererhebung, besonders der Naturalabgabe (10 Proz.) von allen landwirtschaftlichen Produkten (üschür). Die
Ausfuhr der Landesprodukte wird durch den Ausfuhrzoll von 1 Proz. des Wertes und durch die Erhebung von Binnenzöllen (8 Proz.) erschwert. Letztere wurden 1893 für
Getreide aufgehoben. Endlich ist der Mangel an öffentlicher Sicherheit sowie an Verkehrswegen und der klägliche Zustand der meisten Landstraßen eine Hauptursache für
den wirtschaftlichen Rückgang. Doch wird lebhaft an der Vervollständigung des Straßen- und Eisenbahnnetzes gearbeitet.
Wiewohl weite Strecken Landes unbebaut daliegen, liefert die Türkei dennoch aus ihren reichen Kornländern, den thraz. und macedon. Ebenen, dem Orontesthal u. a.,
alle Cerealien zur Ausfuhr, selbst Sesam und Reis. Die Gartenkultur für Gemüse, Zwiebeln, Melonen u. dgl. ist in hoher Blüte, ebenso der Obstbau von Äpfeln bis zu
Mandeln und Granaten. Der Baumwollbau hat neuerdings zugenommen. Unter den nutzbringenden Bäumen ist vor allem die Olive zu nennen. Für Feigen, die überall in
der Türkei gedeihen, ist Smyrna der bedeutendste Markt. Wein wird in Thrazien, Macedonien, auf den Küstenstrichen Kleinasiens und auf den Inseln in immer steigender
Ausdehnung gebaut
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 674.