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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Ost-Lothian; Ost-Main; Ostmannen; Ostmitteldeutsch, Ostniederdeutsch; Ostpreußen

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Ost-Lothian - Ostpreußen

Ost-Lothian, schott. Grafschaft, s. Haddington.

Ost-Main, Teil von Labrador, s. East-Main.

Ostmannen, s. Normannen.

Ostmitteldeutsch, Ostniederdeutsch, s. Deutsche Mundarten.

Ostpreußen, die nordöstlichste Provinz des preuß. Staates, zugleich der nordöstlichste Teil des Deutschen Reichs, gebildet 1. April 1878 durch Gesetz vom 19. März 1877 aus dem östl. Teil der bisherigen Provinz Preußen, grenzt im NW. an die Ostsee, im O. und S. an Rußland, im W. an die Provinz Westpreußen und umfaßt 36 988,04 qkm, mit Ausschluß jedoch des Kurischen Haffs (s. d.) und des zu O. gehörigen Teils (578,01 qkm) vom Frischen Haff (s. d.). (S. die Karte: Ost- und Westpreußen, beim Artikel Westpreußen.)

Oberflächengestaltung, Gewässer, Klima. O. bildet einen Teil des von W. nach O. streichenden südbaltischen Küstenplateaus und ist ein aus Hügel- und Flachland bestehender, mit zahlreichen größern und kleinern Landseen (Ostpreußische Seenplatte) durchsetzter und von vielen Flußläufen durchzogener, im NO. und S. vielfach sumpfiger und mooriger, an der Küste mit kahlen Dünen eingerahmter Abschnitt des Norddeutschen Tieflandes, der neben umfangreichen sterilen Sandflächen mit erratischen Blöcken auch große Strecken des fruchtbarsten Bodens enthält. Die bedeutendsten Höhen liegen östlich von den masurischen Seen, insbesondere in der Gegend von Goldap (Goldaper Berge, 272 m; Seesker Berg, 309 m) und südlich von Osterode (Kernsdorfer Höhe, 313 m). Die größten der in mebrern Gruppen auftretenden Landseen sind die masurischen Seen, der Mauersee (105 qkm), der Spirdingsee (102 qkm), der Lötzener (Löwentin-) und der Nosch- (Warschau-) See, ferner die Seen bei Liebemühl, von denen der Geserichsee schon nach Westpreußen hinüberreicht. Hauptflüsse sind: die Dange, die Minge, der Niemen oder die Memel mit seinen Zuflüssen Jura (rechts) und Scheschuppe (links), der Nemonien, der Pregel mit Inster, Pissa und Angerapp und seinem linken Nebenflusse Alle sowie die Passarge. Die natürlichen Wasserstraßen, von denen etwa 430 km schiffbar sind (davon entfallen 117 km auf den Pregel, 64 km auf die Memel, 48 km und 42 km auf Ruß und Gilge), werden durch ein den zahlreichen Seen sich anschließendes Kanalnetz von rund 415 km Länge ergänzt; die wichtigsten Kanäle sind der König-Wilhelms-Kanal (s. d.), der Elbing-Oberländische Kanal (s.d., davon eine Strecke in Westpreußen), der Schilling-Drewenz-Kanal (s.d.), der Seckenburger Kanal, der große Friedrichsgraben (s. d.) und die Masurische Wasserstraße (s. Tabelle zum Artikel Schiffahrtskanäle).

Das Klima ist verhältnismäßig rauh: die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Königsberg 6,7, in Memel 6,6, in Tilsit 6,4 und in Klaussen bei Lyck 6,3 °C., die mittlere jährliche Niederschlagshöhe in Tilsit 69, Klaussen 53 und Königsberg 63 cm.

Bevölkerung. Die Provinz hatte 1890: 1 958 663, 1895: 2 006 689 (965 131 männl., 1 041 558 weibl.) E., ferner 199 761 bewohnte Wohnhäuser und 791 andere bewohnte Baulichkeiten, 411 354 Haushaltungen und 873 Anstalten. Dem Religionsbekenntnis nach waren (1895) 1 711 729 Evangelische, 266 641 Katholiken, 13 865 andere Christen und Dissidenten und 14 364 Israeliten; der Staatsangehörigkeit nach (1890) 19 56 421 Reichsangehörige, 1 779 Reichsausländer und 463 andere. Der Muttersprache ↔ nach sind die meisten Bewohner Deutsche, mit Ausnahme von 316 166 Polen, Masuren, Kassuben und 114 914 Litauern.

Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kamen 1893 auf Acker- und Gartenland 1 990 997, Wiesen 440 814, Weiden und Hutungen 270 272, Öd- und Unland 100 070, Holzungen 647 663, Haus- und Hofräume 30 164, Wegeland, Gewässer u. s. w. 218 823 ha. Landwirtschaft wird in ausgedehntem Maße betrieben. Unter den Erzeugnissen nehmen Roggen (bebaute Fläche 1895: 424 870 ha) und Hafer (302 957) die erste Stelle ein, hierauf folgen Kartoffeln (158 795) und Hülsenfrüchte; Weizen (101 153) und Gerste (92 588 ha) sowie Handelsgewächse treten zurück. Der Ernteertrag belief sich 1895 auf 400 437 t Roggen, 111 740 Weizen, 86 501 Gerste, 1 416 776 Kartoffeln, 282 470 Hafer und 723 225 t Wiesenheu. Berühmt ist die litauische Pferdezucht, die durch das königl. Hauptgestüt zu Trakehnen sowie durch die Landgestüte zu Insterburg, Rastenburg, Gudwallen und Braunsberg mit zusammen etwa 560 Beschälern und 176 Deckstationen gefördert wird. Aus der Deckung durch die Beschäler dieser Gestüte stammen jährlich allein gegen 20 000 Fohlen. Auch die Rindvieh-, Schweine-, Gänse- und Bienenzucht ist entwickelt. Die Schafzucht dagegen geht zurück, wenngleich sie noch immer hervorragend ist. Am 1. Dez. 1892 wurden gezählt: 423 792 Pferde, 958 288 (1893: 964 022) Stück Rindvieh, 937 039 Schafe, 699 971 (1893: 734755) Schweine, 25 545 Ziegen und 146 657 Bienenstöcke. Der Wald besteht zu 79,5 Proz. aus Nadelholz und liefert wertvolle Produkte für den Ausfuhrhandel.

Industrie und Gewerbe. Nach der Berufszählung von 1882 waren in Industrie und Gewerbe 15,49, in Handel und Verkehr 4,99 Proz. beschäftigt; Gewerbe, Handel und Verkehr zählten (1882) 88 510 Betriebe mit 153 947 beschäftigten Personen; davon waren nur 1890 größere Betriebe (über 5 Gehilfen) mit 35 469 Personen. Fischerei, Torfgräberei, Ziegelei, Eisengießerei und Eisenverarbeitung, Weberei und Bleicherei (Leinwand), Schiffbau, Holzbearbeitung (Sägemühlen) und Bereitung vegetabilischer und animalischer Nahrungsmittel sind die wichtigsten Gewerbszweige, neben denen noch die Bernsteinindustrie (s. d.) Erwähnung verdient.

Handel und Verkehrswesen. Der Handel, namentlich der Großhandel, und die Verkehrsgewerbe haben sich, begünstigt durch die zahlreichen Wasserstraßen, die guten Seehäfen Memel, Pillau, Königsberg und Braunsberg und ein allerdings nicht engmaschiges, aber in neuerer Zeit durch Nebenbahnen vervollständigtes Eisenbahnnetz (1894/95: 1846,1 km, d.i.49,9 m auf 1 qkm Fläche und 9,4 km auf 10,000 E.) gut entwickelt. 1524 km sind Staats-, 322 km Privatbahnen; für 226 km Nebenbahnen sind die Mittel bewilligt, zum Teil ist der Bau begonnen. Oberpostdirektionen bestehen in Königsberg und Gumbinnen.

Unterrichtswesen. An Bildungsanstalten bestehen die Universität zu Königsberg, das Lyceum Hosianum zu Braunsberg, das königl. pädagogische Seminar, die königl. Kunstakademie zu Königsberg, 16 Gymnasien, 1 Progymnasium, 3 Realgymnasien, 1 Oberrealschule, 1 Realprogymnasium, 2 Realschulen, 4 höhere Knaben-, 26 höhere Mädchenschulen und 8 Schullehrerseminare, 4 Präparandenanstalten, 2 höhere Landwirtschafts- und 11 niedere Landwirtschaftsschulen. 2 Navigationsschulen, 4 Taubstum-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 765.