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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Provinzialhilfskassen; Provinzialismus; Provinzialkonzilien; Provinziallandtag; Provinzialordnung

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Provinzialhilfskassen - Provinzialordnung

wird und nur auf Grund von Specialgesetzen überschritten werden darf. Die Generalräte in Frankreich dürfen außerdem auch seit 1871 Anleihen, die binnen 15 Jahren zurückgezahlt werden, selbständig beschließen, während für andere Anleihen wiederum Specialgesetze nötig sind. Die ärmern Departements erhalten von der Staatsregierung Zuschüsse aus dem 1838 gebildeten, auf 7 Zuschlagcentimen gestützten Fonds commun. In Österreich dürfen die Kronländer und die Bezirke in Böhmen bis zu 10 Proz., in Galizien bis zu 20 Proz., in Steiermark bis zu 27 Proz., in Tirol bis zu 50 Proz. Zuschläge zu den direkten Staatssteuern ausschreiben. In Preußen dürfen die Provinziallandtage, welche auch die Provinzialhaushalte feststellen, Zuschläge zu den direkten Staatssteuern bis zu 25 Proz. beschließen. Höhere Zuschläge, Mehr- oder Minderbelastungen einzelner Teile der Provinz, sowie neue, über 5 Jahre hinaus dauernde, ohne gesetzliche Verpflichtung beschlossene Belastungen der Provinz bedürfen ministerieller Genehmigung. Preußen hat den Provinzen auch namhafte Zuschüsse aus Staatsmitteln gegeben, z. B. an Hannover durch Gesetz vom 7. März 1868 jährlich 1,5 Mill. M., an Nassau durch Gesetz vom 11. März 1872 jährlich 426000 M., an die ältern Provinzen sowie an Schleswig-Holstein, Hohenzollern und Frankfurt a. M. durch Gesetz vom 30. April 1873 jährlich 2 Mill. M. (S. auch Gemeindesteuern, Gemeindehaushalt, Provinzialordnung.)

Provinzialhilfskassen, s. Landwirtschaftlicher Kredit (Bd. 10, S. 950 b).

Provinzialismus (neulat.), ein Wort oder eine Redensart, die nur in einer bestimmten Provinz oder Gegend des Sprachgebietes gebräuchlich ist.

Provinzialkonzilien, s. Konzil.

Provinziallandtag, s. Provinzialordnung.

Provinzialordnung, das preuß. Gesetz vom 29. Juni 1875, durch welches die kommunale Selbstverwaltung auf ihrer obersten Stufe organisiert ist. Dasselbe trat 1. Jan. 1876 in Kraft, erstreckte sich aber zunächst nur auf die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen (vereinigt bis zum April 1878), Brandenburg ohne die Stadt Berlin, Pommern, Schlesien und Sachsen. Durch Gesetz vom 7. Mai 1884 ist dann auch für Hannover, durch Gesetz vom 8. Juni 1885 für Hessen-Nassau, durch Gesetz vom 29. Juni 1887 für die Rheinprovinz, vom 27. Mai 1888 für Schleswig-Holstein die P. mit gewissen, durch die besondern Verhältnisse jener Provinzen bedingten Abänderungen eingeführt worden. In Posen sind ähnliche Provinzialeinrichtungen durch Gesetz vom 19. Mai 1889 geschaffen worden. Zur ursprünglichen P. erging eine Novelle unterm 22. März 1881.

Nach der P. bildet jede Provinz einen mit Korporationsrechten ausgestatteten Kommunalverband zur Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten, vertreten durch den Provinziallandtag, der aus den Abgeordneten der Land- und Stadtkreise besteht. Für jeden Kreis werden gewöhnlich zwei, für schles. Kreise mit weniger als 40000 Civileinwohnern nur ein, für größere Kreise drei oder mehr Abgeordnete auf sechs Jahre gewählt, und zwar für die einen eigenen Kreis bildenden Stadtgemeinden vom Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung in gemeinschaftlicher Sitzung, für die übrigen Kreise vom Kreistage. Wählbar ist jeder selbständige Deutsche, welcher das 30. Lebensjahr vollendet hat, sich im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindet und seit mindestens einem Jahre der Provinz durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehört. Den Abgeordneten wird eine ihren baren Auslagen entsprechende Entschädigung gewährt. Der Provinziallandtag wird vom König alle zwei Jahre mindestens einmal berufen und kann aufgelöst werden, in welchem Falle jedoch Provinzialausschuß und Kommissionen bestehen bleiben. Vertreter der Staatsregierung bei den Verhandlungen ist der Oberpräsident als königl. Kommissarius, welcher auf Verlangen zu jeder Zeit gehört werden muß. Der Provinziallandtag regelt seinen Geschäftsgang selbst, darf Anträge und Beschwerden, welche die Provinz betreffen, an die Regierung richten, beschließt über Statuten mit königl. Genehmigung, über die Verwendung der aus der Staatskasse überwiesenen Jahresrenten und Fonds sowie sonstiger Einnahmen, über die Aufnahme von Anleihen und Eingehung von Bürgschaften mit Genehmigung des Ministers des Innern, richtet die Provinzialämter ein, wählt den Landesdirektor und die sonstigen leitenden Beamten der Provinzialverwaltung und vollzieht die Wahlen zum Provinzialausschuß. Dieser besteht aus einem Vorsitzenden, 7‒13 Mitgliedern und dem Landesdirektor, welche vereidigt werden und so oft zusammentreten, wie es die Geschäfte erfordern. Der Provinzialausschuß bereitet die Beschlüsse des Provinziallandtags vor und führt sie aus, insoweit damit nicht besondere Kommissionen oder Beamte beauftragt sind, verwaltet die Angelegenheiten des Provinzialverbandes, ernennt und beaufsichtigt die Provinzialbeamten, soweit dies nicht dem Provinziallandtag vorbehalten ist, und begutachtet die ihm von den Ministern oder dem Oberpräsidenten überwiesenen Angelegenheiten. Sämtliche Provinzialbeamten haben die Rechte und Pflichten mittelbarer Staatsbeamten; ihr Vorgesetzter ist der auf 6‒12 Jahre zu erwählende und der Bestätigung durch den König bedürfende Landesdirektor (s. d.). Dieser führt unter Aufsicht des Provinzialausschusses die laufenden Geschäfte der kommunalen Provinzialverwaltung, vertritt den Provinzialverband nach außen und führt den Schriftwechsel; er darf die vermittelnde und begutachtende Thätigkeit der Kreis-, Amts- und Gemeindebehörden in Anspruch nehmen, kann aber nicht an dieselben verfügen.

Die Verteilung der Provinzialabgaben erfolgt auf die einzelnen Land- und Stadtkreise nach Maßgabe der in ihnen aufkommenden direkten Staatssteuern mit Ausschluß der Gewerbesteuer vom Hausierbetrieb. Hierbei sind die von einer Belastung mit Kreis- oder Gemeindeabgaben ganz oder teilweise befreiten Steuerbeträge, z. B. die der Militärpersonen, außer Ansatz zu lassen, dagegen die behufs Aufbringung der städtischen und Kreisabgaben besonders veranlagten Beiträge auf Höhe der Staatssteuern mit anzurechnen. Der Genehmigung der Staatsregierung bedürfen gewisse Punkte in den Satzungen über die dienstlichen Verhältnisse der Provinzialbeamten, über die Landarmen- und Korrigendenanstalten, über die Irren-, Taubstummen-, Blinden- und Idiotenanstalten, über die Hebammenlehrinstitute, über die Provinzialhilfs- und Darlehnskassen und über die Versicherungsanstalten. Auch behalten die Minister den größten Teil ihrer bisherigen Befugnisse in betreff polizeilicher Vorschriften. In der allgemeinen Landesverwaltung fügte die P. als neues Glied den Be-^[folgende Seite]