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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rembrandt

Vertreter des prot. Christentums in der Kunst. Er übersetzte die Bibel nach seiner Art für schlichte, einfache Leute und nahm bei seinen biblischen Figuren die Tracht der holländ. Juden seiner Zeit und seines Wohnortes zum Vorbild, weil er so der histor. Wahrheit näher zu kommen glaubte.

Das unter dem Namen der "Anatomie" berühmte Gruppenbild stellt den Professor Nik. Tulp vor einem Leichnam docierend dar nebst 7 Vorstehern der Amsterdamer Chirurgengilde. Das von R. 1632 vollendete Gemälde schmückte nebst einem jetzt halb verbrannten Bilde R.s von 1656 (Amsterdam, Reichsmuseum) und ähnlichen Darstellungen anderer Künstler den Anatomiesaal der genannten Körperschaft; 1828 kaufte es König Wilhelm I. für 32000 Fl. und jetzt bewahrt es die königl. Galerie im Haag (Photogravüre bei Hanfstängl, München). R.s größtes und berühmtestes Werk (3,6 : 4,4 m) ist die 1642 entstandene sog. Nachtwache, darstellend den Auszug einer Amsterdamer Schützencompagnie aus ihrem Gildehaus. Volles Sonnenlicht dringt in fast übernatürlicher Weise zwischen Bäumen oder hohen Häusern her auf den Vorplatz des Gebäudes, durch dessen hochgewölbtes Thor die Truppe auszuziehen im Begriff ist; aber das wunderbare Helldunkel, welches das ganze Bild einhüllt, hat zu der Meinung geführt, daß R. eine nächtliche Scene geschildert habe. (Vgl. Dyserinck, De Nachtwacht van R., in "De Gids", 1891, S. 235 fg.) Das Gemälde, erst im Rathaus, ist seit 1808 eine Hauptzierde des Reichsmuseums in Amsterdam. Ebenda befindet sich auch das nicht minder berühmte, durch Lebenswahrheit ausgezeichnete Gruppenbild von 1662: De Staalmeesters, d. h. die Stempelmeister (5 Vorsteher der Tuchmacherzunft). Hier anzureihen sind: Der Geldwechsler (frühestes bekanntes Bild, 1627; Berlin, Museum), der mit naivem Humor geschilderte Raub des Ganymed (1635; Dresdener Galerie). Das nächst der "Nachtwache" umfangreichste Bild R.s ist der früher sog. Schwur Johann Ziskas, vielmehr die Verschwörung der Bataver unter Claudius Civilis gegen die Römer (1662; Nationalmuseum in Stockholm). Es wurde im Auftrag der Stadt Amsterdam für das neue Rathaus gemalt, nie oder nur ganz vorübergehend aufgestellt, jetzt ist nur der mittlere Teil mit der Hauptgruppe erhalten; vier Skizzen im Kupferstichkabinett zu München weisen aus, wie das Ganze ausgesehen hat.

Von seinen biblischen Kompositionen sind folgende zu nennen: Heilige Familie (1631; München, Alte Pinakothek), Darstellung im Tempel (1631; die erste bekannte größere Komposition R.s; Galerie im Haag), Ausrichtung des Kreuzes (1633; München, Alte Pinakothek), Kreuzabnahme Christi (1633; ebd.; dieselbe Darstellung in größerm Maßstab und mit Veränderungen. 1634; in der Eremitage zu Petersburg), Isaaks Opferung (1635; Petersburg, Eremitage), Simson bedroht seinen Schwiegervater, der ihm seine Braut vorenthält (1635; Berlin, Museum), Predigt Johannis des Täufers (um 1635; ebd.), Gefangennahme Simsons (1636; Wien, Schönbornsche Galerie), Himmelfahrt Christi (1636; Münchener Pinakothek), Die Familie des Tobias (1637; Paris, Louvre), die treffliche kleine Komposition: Parabel von den Arbeitern im Weinberg (1638; Petersburg, Eremitage), Christus als Gärtner und Maria Magdalena (1638; London, Buckingham-Palast), Auferstehung Christi (1639; Münchener Pinakothek), Heimsuchung Mariä (1640; London, Grosvenor-House), Heilige Familie, sog. Zimmermannsfamilie (1640; im Louvre), Das Opfer Manoahs (1641; Dresdener Galerie), Bathseba bei der Toilette (1643; Sammlung Steengracht im Haag), Ehebrecherin vor Christus (1644; London, Nationalgalerie), Heilige Familie (1645; Petersburg, Eremitage. 1646; Galerie zu Cassel), Abraham bewirtet die Engel (um 1645; Petersburg, Eremitage), Das Mahl in Emmaus (1648; im Louvre), Die Söhne Jakobs bringen ihm das blutige Kleid des Joseph (Petersburg, Eremitage), Joseph bei Potiphar von dessen Weib verklagt (1655; Berlin, Museum), die große Komposition: Petrus verleugnet Christus (um 1656; Petersburg, Eremitage), Jakob segnet die Söhne Josephs (1656; Galerie zu Cassel), Anbetung der Könige (1657; London, Buckingham-Palast), endlich die größte biblische Komposition aus der letzten Zeit: Rückkehr des verlorenen Sohnes (Petersburg, Eremitage). Von dem Dutzend Landschaften R.s ist als Hauptbild: Die Mühle (im Besitz des Lord Lansdowne), ferner eine Gewitterlandschaft (Museum in Braunschweig), eine Berglandschaft mit Ruine (um 1650; Galerie zu Cassel) zu nennen.

Hervorragendes leistete R. auch als Porträtmaler. Von seinen etwa 40 Selbstbildnissen befinden sich die vorzüglichsten in Berlin (1634), im Haag (um 1634, der sog. Offizier), im Louvre (1637), in der Nationalgalerie zu London (1640. Hierzu die Chromotafel: Rembrandt van Rijn. Selbstbildnis), im Buckingham-Palast ebendort (um 1642); von Selbstbildnissen aus höherm Alter wären hinzuzufügen das im Louvre (1660), in der Nationalgalerie zu London (1664). Sodann das volle Lebensfreude atmende Selbstbildnis mit seiner ersten Frau Saskia van Uylenburgh befindet sich in der Dresdener Galerie (Heliogravüre bei Hanfstängl, München). Seine erste Frau hat er im Einzelbild ebenfalls wiederholt verewigt: Stockholm (1632), Petersburg (1634), Herzog von Buccleuch in London (1634), Cassel (um 1634). Ein durch Farbenpracht ausgezeichnetes Bild seiner zweiten Frau Hendrikje Jaghers besitzt das Berliner Museum; Bildnisse seiner Mutter u. a. das Augusteum zu Oldenburg (1632) und die Königin von England in Windsor-Castle. Auch Bildnisse des Vaters, der Schwester Lysbeth, des Bruders Adriaen und des Sohnes Titus sind von der neuern Kritik erkannt worden. Außerdem giebt es noch eine Reihe anderer trefflicher Bildnisse von R.s Hand; bekannt sind der sog. Kalligraph Coppenol (1631; Petersburg; um 1632 zu Cassel), Elisabeth Bas, Witwe des Admirals Swartenhont (Amsterdam, Reichsmuseum), die sog. Köchin R.s (1651; Nationalmuseum in Stockholm), sein Gönner Jan Six (1654; in der Sixschen Galerie zu Amsterdam), Cornelis Claesz Ansloo eine Witwe tröstend (1894 für das Berliner Museum erworben). Ferner sind von den unter bestimmten Titeln berühmten Bildnissen zu nennen: die sog. Danae, d. i. eine lebensgroße nackte Frauengestalt (1636; Petersburg, Eremitage), der sog. Sobieski, d. i. Bildnis eines walachischen Bojaren (1637; ebd.), eine badende Frau (1654; London, Nationalgalerie), die sog. Jüdische Braut (um 1665; Amsterdam, Gemäldegalerie), sowie das Braunschweiger Familienbild (etwa 1667-69). Mit sein Bestes hat R. in seiner Spätzeit in einigen Studienbildern hochbetagter Personen geleistet, von