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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Ruge; Rüge; Rügegerichte; Rugen; Rügen

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Ruge (Sophus) - Rügen

bei der dortigen Universität mit einer Schrift über «Die platonische Ästhetik» und begründete 1838 mit Echtermeyer die (in Leipzig erscheinenden) «Halleschen Jahrbücher für deutsche Kunst und Wissenschaft», die in Hegelscher Tendenz das bedeutendste litterar.-kritische und philos. Organ der Zeit wurden. Infolge von Censurschwierigkeiten begab sich R. 1840 nach Dresden und verwandelte die «Halleschen Jahrbücher» in «Deutsche Jahrbücher» (ohne die Namen der Herausgeber), deren polit. und religiöse Tendenz jetzt immer radikaler wurde. Ende 1842 erfolgte die Unterdrückung der «Jahrbücher» durch die sächs. Regierung. R. wandte sich nun nach Paris. In «Zwei Jahre in Paris» (2 Bde., 1845) spricht er sich über seine Stellung zum Socialismus ausführlich aus. 1846 begann er die Herausgabe seiner «Gesammelten Schriften» (10 Bde., Mannh. 1846‒48), die unter anderm auch die 1839 zuerst herausgekommene Sammlung «Der Novellist» enthalten. Inzwischen war R. nach Zürich übergesiedelt und hatte sich mit J. Fröbel an dem Litterarischen Comptoir buchhändlerisch beteiligt. Als der Deutsche Bund diese Firma verbot, kehrte R. nach Leipzig zurück und gründete dort 1847 das «Verlagsbureau», welche Firma 1851 von der sächs. Regierung ebenfalls verboten wurde. An der Bewegung von 1848 beteiligte sich N. im demokratischen Sinne und gab in Leipzig «Die Reform» heraus. Für Breslau in die Nationalversammlung gewählt, gründete er in Frankfurt die äußerste Linke. Da ihm die Verhandlungen die demokratische Bewegung nicht gehörig zu beschleunigen schienen, begab er sich im Juli nach Berlin und leitete dort «Die Reform» als das Organ der Linken der Berliner Nationalversammlung. Die Maßregeln vom 5. Nov. 1848 hatten jedoch die Unterdrückung des Blattes und die Ausweisung seiner Redacteure zur Folge. 1849 begab er sich nach London und bildete hier mit Ledru-Rollin, Mazzini, Daracz und Bratiano das «Europäische demokratische Komitee für die Solidarität der Partei ohne Unterschied der Völker». Später zog er sich aus dem Centralkomitee zurück. Seit 1852 lebte R. in Brighton als «visiting tutor» an verschiedenen Schulen. Nach der nationalen Umgestaltung der deutschen Verhältnisse 1866 und 1870 sprach sich R. publizistisch in Briefen an deutsche Zeitungen vielfach für Bismarcks Politik aus und bezog seit Febr. 1878 vom Deutschen Reich, dessen Aufrichtung ihn mit der preußischen Politik versöhnte, einen Ehrensold von jährlich 3000 M. Er starb 31. Dez. 1880 in Brighton.

Von seinen Schriften sind etwa noch zu nennen: «Poet. Bilder aus der Zeit» (2 Bde., Lpz. 1847 u. 1848), «Polit. Bilder aus der Zeit» (2 Bde., ebd. 1847 u. 1848), «Novellen aus Frankreich und der Schweiz» (1848), «Revolutionsnovellen» (2 Tle., Lpz. 1850), seine Memoiren u. d. T. «Aus früherer Zeit» (4 Bde., Berl. 1862‒67), «Reden über Religion, ihr Entstehen und Vergehen» (ebd. 1869; neue Ausg. 1875), «Wanderbuch, 1825‒73, gedichtet von Arnold R.» (Ausgabe für Nordamerika, Lpz. 1874), «Geschichte unserer Zeit» (ebd. 1881), die beiden Tragödien «Schill und die Seinen» (Stralsund 1830) und «Die neue Welt», «Zwei Doppelromane in dramat. Form: Marie Bluntfield. Der Probekuß» (1865) und die histor. Erzählung «Bianca della Rocca» (unter dem Pseudonym Durangelo, Berl. 1869). Auch veröffentlichte R. eine vorzügliche deutsche Übersetzung der «Briefe des Junius» (3. Aufl., Lpz. 1867). «Arnold R.s Briefwechsel und Tagebuchblätter aus den J. 1825‒80» gab Nerrlich heraus (2 Bde., Berl. 1886).

Ruge, Sophus, Geograph, geb. 26. März 1831 zu Dorum im Lande Wursten (Hannover), studierte 1850‒54 in Göttingen und Halle, war 1859‒70 an der Handelsschule, 1870‒74 an der Annenschule zu Dresden thätig und wurde 1874 ord. Professor der Geographie und Ethnographie an der Technischen Hochschule daselbst. Er arbeitet besonders über Geschichte der Erdkunde. Außer Programmschriften veröffentlichte er die 2. Auflage von Peschels «Geschichte der Erdkunde» (Münch. 1878), «Geschichte des Augustusbades» (Dresd. 1880), «Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen» (Berl. 1883), «Abhandlungen und Vorträge zur Geschichte der Erdkunde» (Dresd. 1888), «Die erste Landesvermessung des Kurstaates Sachsen von Matthias Öder» (ebd. 1889, Kartenwerk), «Columbus» (ebd. 1891), «Entwicklung der Kartographie von Amerika bis 1570» (in Petermanns «Mitteilungen», Ergänzungsheft 106, Gotha 1892).

Rüge, im Mittelalter die pflichtmäßige Anzeige von Verbrechen durch Zeugen (testes synodales, Rügezeugen) in den geistlichen, durch die Schöffen und Bauernmeister in den weltlichen Gerichten, sodann die so angezeigten Verbrechen selbst. Auch bezeichnete man als R. nur geringere, mit bloß bürgerlichen, nicht peinlichen Strafen zu belegende Vergehen, zu deren Aburteilung selbst unter der Herrschaft des schriftlichen und heimlichen Verfahrens in vielen deutschen Ländern, z. B. Hannover, Württemberg, Sachsen, sich Überreste der alten Gemeindegerichte in periodisch stattfindenden Rügegerichten erhalten hatten. Im Entwurf des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes waren Feld- und Forstrügegerichte und Polizeirügegerichte für geringere Übertretungen als besondere Gerichte zugelassen. Dieselben sind vom Reichstag gestrichen; dagegen ist durch §. 3 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung der Landesgesetzgebung vorbehalten, ein besonderes Verfahren ohne Schöffen für Forst- und Feldrügesachen anzuordnen.

Rügegerichte, s. Rüge.

Rugen, german. Stamm, s. Rugier.

Rügen, Deutschlands größte Insel, in der Ostsee gelegen, wird von dem Festlande, mit dem sie wahrscheinlich einst zusammenhing, durch den Rügenschen Bodden (s. Bodden) und den nur 2,46 km breiten Strelasund getrennt und bildet mit den vorliegenden Eilanden einen Kreis im preuß. Reg.-Bez. Stralsund, hat 967,65 qkm und (1890) 45185 (22090 männl., 23095 weibl.) E., 2 Städte, 73 Landgemeinden und 247 Gutsbezirke. (Hierzu eine Karte: Rügen.) Der größte Längendurchmesser von S. nach N. beträgt 49 km, die Breite von W. nach O. etwa 45 km. Die Insel zeichnet sich durch ihre zerrissene Gestalt aus. Auf allen Seiten ist das Meer tief eingedrungen und bildet eine Menge größerer und kleinerer Binnenwasser, Wieke und Bodden (s. d.) genannt. Durch diese sind auf allen Seiten Halbinseln entstanden, die zum Teil durch ganz schmale Landengen (wie Schaabe zwischen Jasmund und Wittow) miteinander oder mit dem Kern der Insel selbst (wie Schmale Heide) zusammenhängen. So streckt sich gegen N. die Halbinsel Wittow mit dem Vorgebirge Arkona (s. d.), gegen NO. Jasmund (s. d.), gegen SO. Mönkgut oder Mönchgut mit den Vorgebirgen Thiessower Hövd