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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rußland (Viehzucht. Forstwirtschaft. Fischerei und Jagd)

Außer den Getreidearten wird noch gebaut Flachs, Hanf, Zuckerrüben, Tabak, Raps, Mohn, Sonnenblumen, Senf und andere Handels- und Ölpflanzen. Der Flachsbau ist uralt in R. und hat schon Seit dem 16. Jahrh. eine industrielle Bedeutung. Gegenwärtig wird Flachs in allen nördl. Gouvernements gebaut, besonders in Pskow, Twer, Wjatka, Livland, Kowno, Smolensk und Kostroma. Die gesamte bebaute Fläche beträgt (1893) 1249432 Dessätinen, die Ernte ergab 33493520 Pud Leinsamen (bei 8573960 Pud Aussaat) und 24833528 Pud Flachs; in den vorhergehenden fünf Jahren durchschnittlich 23080000 Pud Leinsamen im Wert von 30 Mill. Rubel und 16 Mill. Pud Flachs im Wert von 48 Mill. Rubel. Die Ausfuhr von Flachs und Werg betrug im ganzen 1865: 7267157, 1870: 11512408, 1893: 20744000 Pud; davon gingen nach Großbritannien 9944000, nach Deutschland 2812000, nach Holland 3975000, nach Belgien 2000000, nach Dänemark 703000, nach Frankreich 582000, nach Schweden 473000, in die übrigen Länder 25500 Pud. Die Ausfuhr von Leinöl betrug 35481 und von Ölkuchen 4269253 Pud. Im Flachsbau nimmt R. die erste Stelle nach Ostindien ein und liefert 42 Proz. der ganzen Flachsproduktion der Erde.

Tabak wird besonders im Gebiet der Schwarzerde, den südl. Steppen und im Kaukasus gebaut. Die bebaute Fläche betrug (1894) 47184 Dessätinen, der Ertrag 4133246 Pud, darunter 1038882 türk., 220818 amerik. und 2873884 geringere Tabakssorten. Eingeführt wurden (1893) 57035 Pud im Wert von 2256030 Rubel; ausgeführt 345219 Pud im Wert von 1654219 Rubel.

Der Zuckerrübenbau ist um 1800 aus Deutschland eingeführt worden und hat seit 1840 einen großen Aufschwung genommen. Jetzt sind die Hauptcentren die Gouvernements Kiew, Podolien, Charkow, Kursk, Warschau und Radom. Die bebaute Fläche betrug 1892: 278 006, 1893: 298300, 1894: 307203 Dessätinen; der Ertrag 1894: im ganzen 32965830 Berkowez (gegen 34039674 im J. 1893); auf 1 Dessätine kommen 50-155, im Durchschnitt 99 Berkowez (= 10 Pud). Sonnenblumen werden in den mittlern und südl. Gouvernements gebaut (seit Ende der dreißiger Jahre). Die bebaute Fläche war 1881: 136000, 1893: 300000 Dessätinen: die jährliche Ernte 800000 Tschetwert, d. i. 8 Mill. Pud Sonnenblumensamen, wovon 2,5 Mill. Pud 500000 Pud Öl im Wert von 2 Mill. Rubel lieferten. Hanf wird besonders im Gebiet der Schwarzerde gebaut und giebt auf einer Fläche von durchschnittlich 423669 Dessätinen 8,5 Mill. Pud Hanfwerg und 8 Mill. Pud Samen zur Ölgewinnung. Baumwolle wird in Turkestan und Transkaukasien gebaut mit einem jährlichen Ertrag von 6 bis 7 Mill. Pud. Raps und Rübsen in Polen; Senf nur in Sarepta und Umgegend (jährlich etwa 300000 Pud); Hopfen und Mohn fast überall in beschränkter Menge; Anis in den südl. Gouvernements. Garten- und Obstbau sind meistens Nebengewerbe; nur in den südl. Gouvernements erlangt zuweilen der Bau der Zucker- und Wassermelone und des Kürbis in den sog. Melonengärten (Bachtschen oder Baschtanen) eine größere Ausdehnung. Der Obstbau ist bedeutend am Südufer der Krim und in Transkaukasien. Wein wächst bis zum 48.° nördl. Br. Bepflanzt sind damit 855170 Dessätinen, die einen Ertrag von 25 Mill. Wedra (= 12,3 l) geben. Doch kommt fast die Hälfte davon allein auf Transkaukasien.

Viehzucht. Die Viehzucht wird als wirtschaftliche, verbunden mit der Landwirtschaft, und als wilde Viehzucht bei den Nomadenvölkern betrieben. Gezüchtet werden Hornvieh, hauptsächlich die ukrainische und die tscherkassische oder Steppenrasse sowie Pferde. Für das beste Rindvieh gilt das litauische, tscherkassische (nach der Stadt Tscherkassy im Gouvernement Kiew genannt) und das cholmogorsche (nach der Stadt Cholmogory im Gouvernement Archangelsk). Die Pferdezucht wird in Gestüten und Herden (tabuny) betrieben, besonders in den Steppen und Schwarzerde-Gouvernements, im Kaukasus und in Mittelasien. 1894 gab es 27 Krongestüte mit 1916 Hengsten und 1820 Privatgestüte mit 4732 Hengsten und 35776 Stuten. Die Zucht in Herden wird in den Steppen betrieben, besonders von den Kosaken, den Kalmücken und Kirgisen. Die Schafzucht ist besonders in den südl. Gouvernements entwickelt; 25-30 Proz. der Gesamtzahl bilden Merinos. Die Schweinezucht ist am stärksten in den westl. Gouvernements (20 Proz. des gesamten dortigen Viehstandes). Endlich werden gezüchtet: Kamele in den Gouvernements Taurien, Stawropol, Orenburg und in der Kirgisensteppe; Büffel, Ziegen, besonders Angoraziegen im Süden; Renntiere bei den Fremdvölkern des Nordens und Hunde in Nordostsibirien. Die Gesamtmenge des Viehs betrug (1888) 136819000 Stück, davon 25935327 Pferde, 32884060 Rinder, 63902899 Schafe, 11464000 Schweine, 429000 Kamele, 1672680 Ziegen und 533969 Renntiere. Hiervon kamen aufs Europäische R. 109433980 Stück. An lebendem Vieh wurden (1893) ausgeführt: 33649 Pferde, 12180 Ochsen und Kühe, 59238 Hammel und Schafe und 81516 Schweine. An Butter wurden ausgeführt 1892: 349000 Pud im Wert von 3,5 Mill. Rubel, 1893: 365000 Pud im Wert von 3,8 Mill. Rubel; an Käse 38000 Pud im Wert von 185000 Rubel. Von Federvieh werden in R. Hühner, Gänse, Enten, Truthühner gezüchtet. Die Ausfuhr betrug (1893) 4510000 Stück Geflügel (Wert 4,510 Mill. Rubel), 785 Mill. Eier (13,469), 102000 Pud Federn (1,405) und 8000 Pud Daunen (216000 Rubel). Die Bienenzucht ist von alters her bedeutend, besonders in den Gouvernements südlich von Moskau und in Südsibirien, am meisten aber in Kleinrußland und Litauen, wo es gegen 2 Mill. Bienenstöcke giebt. Jährlich werden gegen 1 Mill. Pud Honig und 2-300000 Pud Wachs gewonnen. Die Seidenzucht ist südlich vom 50.° nördl. Br. an möglich, doch ist sie nur bedeutend in Transkaukasien (besonders in den Gouvernements Baku und Jelisawetpol), in Turkestan und zum Teil im Transkaspischen Gebiet. Im ganzen werden jährlich 1,3 Mill. Pud Rohseide gewonnen, und für 2-2½ Mill. Rubel ausgeführt.

Forstwirtschaft. Das Waldland nimmt im Europäischen R. mit dem Kaukasus über 1,6 Mill. qkm ein, d. i. gegen 30 Proz. der gesamten Oberfläche. Die Mehrzahl der Wälder (54 Proz.) liegt im Norden und am Ural; besonders umfangreich sind sie aber in Sibirien. Der allgemeine Verbrauch an Holz ist in R. jährlich 45 Mill. Kubiksaschen (zu 9,713 cbm). Am regelrechtesten ist die Forstverwaltung in den Ostseeprovinzen, in Polen und in den Bergbezirken des Urals. Dem Staat gehören 120 Mill. Dessätinen Waldland an. Der Handel mit Holz ist sehr bedeutend.

Fischerei und Jagd. In der Fischerei sind gegen eine halbe Million Menschen beschäftigt. Am wichtigsten, auch rücksichtlich der Qualität der Fische, ist