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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schwindsucht – Schwingung

Schwindsucht, im allgemeinen (Tabes, Tabescentia) alle langwierigen Krankheiten, bei denen die Kranken allmählich, aber unaufhaltsam an Fleisch und Kräften abnehmen. Die ältere Medizin unterschied als zwei Hauptklassen die Darrsucht (s. d.) oder trockne S., Abzehrung (Marasmus), von der eigentlichen S. oder Auszehrung (s. d.), bei welcher letztern reichliche Stoffverluste und krankhafte Entzündungs- oder Eiterungsprozesse als Ursachen des allmählichen Abzehrens vorlagen und meist hektisches Fieber (s. Hektik und Fieber) vorhanden war. Von den Laien wird unter S. fast ausschließlich die Lungenschwindsucht (s. d.) verstanden. (S. Phthisis.)

Schwindung, die Verkleinerung des Rauminhalts oder der Abmessungen, welche verschiedene Körper infolge gewisser physik. Vorgänge erfahren. Die Zahl, welche die S. angiebt, heißt Schwindmaß. Holz (s. d., Bd. 9, S. 305 a.) schwindet beim Trocknen, gegossene Metalle beim Abkühlen, weshalb die Gußmodelle entsprechend größer sein müssen als die fertigen Gußstücke. Gußeisen schwindet z. B. um 1/96 seiner Abmessungen; gegossener Stahl 1/75; Zink 1/80; Messing 1/62, Zinn 1/147; Blei 1/92 Bei der Verarbeitung der Körper zu Gebrauchsgegenständen kann die S. verschiedene üble Folgen nach sich ziehen, Holzgegenstände werfen sich oder reißen infolge des Umstandes, daß die S. in verschiedenen Richtungen nicht die gleiche ist; ebenso können metallene Gegenstände sich verziehen oder innere Spannung, d. h. Neigung zum Zerspringen bekommen oder auch wirklich zerspringen, wenn einzelne Teile des Abgusses früher schwinden als andere, sei es, daß sie schwächer im Querschnitt sind als diese oder daß sie durch irgend einen Zufall rascher abgekühlt wurden; im Innern gegossener Metallgegenstände aber pflegt sich da, wo das Metall am längsten flüssig bleibt, ein hohler Raum zu bilden infolge des Umstandes, daß hier noch S. eintritt, nachdem die früher erstarrte Kruste bereits geschwunden ist. Da jener Hohlraum ursprünglich vollständig luftleer ist, so verrät sich dessen Entstehung nicht selten durch ein Senken der Oberfläche des Abgusses oder eine völlige Trichterbildung an der betreffenden Stelle: die Luft drückt die Oberfläche zusammen und strebt, den leeren Raum auszufüllen (Lungern oder Saugen). Durch geeignete Kunstgriffe kann der Gießer die geschilderten übeln Folgen der S. verhüten.

Schwingekanal, ehemalige Kanalverbindung zwischen Oste und Schwinge: auch soviel wie Elmer Schiffgraben. Über beide s. Tabelle beim Artikel Fehn- und Moorkolonien (Bd. 6, S. 629).

Schwingel, Pflanzengattung, s. Festuca.

Schwingen, eine Operation der Flachs- und Hanfspinnerei (s. Flachsspinnerei, Bd. 6, S. 859 b). – S. im Seewesen s. Schwoien.

Schwingen, in der deutschen Schweiz eine in manchen Berggegenden vorkommende Form des Ringens, bei der sich beide Teile gegenseitig mit der Faust und ausgestrecktem Arme am Wulst ihrer bis zum Oberschenkel zurückgerollten Beinkleider oder an besonders dazu bestimmten Schwinghosen fassen (daher der Trivialname Hosenlupf), um einander in die Höhe zu heben und durch einen kräftigen Schwung zu Boden zu werfen. Dieses Kampfspiel, das in Beinen und Armen große Kraft und Gewandtheit erfordert, hat seine genau bestimmten althergebrachten Regeln; Sieger ist, wer den Gegner auf den Rücken wirft. Die Schwinger benachbarter Thäler, oft auch mehrerer Kantone, versammeln sich an bestimmten Tagen und Punkten zum Wettkampf oder «Schwinget», so auf der Großen Scheideck, auf den Alpen zwischen Obwalden und Oberhasle, Emmenthal und Entlebuch u. s. w.; seltener bei Interlaken, Bern, Burgdorf u. s. w., wo die Schwingfeste größere Dimensionen annehmen, aber auch viel von ihrer Ursprünglichkeit und Volkstümlichkeit einbüßen. Wer an mehrern aufeinander folgenden Schwingfesten Sieger geblieben, ist der Schwingerkönig. Als die besten Schwinger gelten die Emmenthaler und Oberhasler (Bern), die Entlebucher (Luzern) und die Oberwaldner.- Vgl. Schärer, Anleitungen zum Ringen und S. (2. Aufl., Bern 1883); Osenbrüggen, Die Schweizer (Berl. 1875); G. Herzog, Schweiz. Volksfeste, Sitten und Gebräuche (Aarau 1884).

Schwingfaden, Algengattung, s. Oscillaria.

Schwingkölbchen oder Halteren (Halteres), die verkümmerten Hinterflügel der Zweiflügler (s. d.), welche die Gestalt kleiner mit einem runden Endknopf versehener Stielchen angenommen haben. Ihre Bedeutung ist unklar, doch spricht der Umstand, daß sich an ihrem Grunde ein Nervenapparat befindet, dafür, daß sie irgend eine Sinneswahrnehmung vermitteln.

Schwingkran oder Droop, ein Kran zum Senken von Lasten, der zum Niederlassen und Entladen von Steinkohlenwagen, beim Beladen von Schiffen mit Steinkohlen besonders in England Verwendung findet. Der von einem erhöhten Gleis herabzusenkende Kohlenwagen wird an das eine Ende des Kranauslegers gehängt; dieser besteht aus einem doppelarmigen um eine horizontale Achse drehbaren Hebel, der in der Ruhelage fast senkrecht steht. Das andere Hebelende ist mit einem Gegengewicht belastet; auf der Hebelachse sitzt eine Bremsscheibe. Löst man die Bremse etwas, so dreht sich durch das Übergewicht des angehängten Kohlenwagens der Ausleger herab, bis der Wagen unten ankommt und abgelöst wird. Hierauf schwingt der Ausleger, angetrieben durch das Gegengewicht am Hebelende, wieder nach oben.

Schwingmaschine, s. Flachsspinnerei (Bd. 6, S. 859 b).

Schwingung, Vibration oder Oscillation, jede Bewegung, die einen Körper zwischen bestimmten Grenzen nach bestimmten Gesetzen hin- und wieder zurückführt; so die Bewegungen des Pendels (s. d.), des Wagebalkens, der Glocken, der gespannten Saiten, der im Gleichgewicht gestörten Magnetnadel u. s. w. Der Schall (s. d.) besteht aus S. der Luft, das Licht (s. d.) aus solchen des Äthers. S. treten überall auf, wo das stabile Gleichgewicht (s. d.) eines Körpers gestört wird und derselbe die Gleichgewichtslage wieder zu gewinnen sucht. Hängt z. B. eine Last P (s. vorstehende Fig. 1) an einer Spiralfeder S, so wird das Gewicht der erstern bei einer ge- ^[folgende Seite]

^[Fig. 1]

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