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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sklaverei

hält an ihrer wirtschaftlichen Notwendigkeit fest. Den Grundstock der Sklavenbevölkerung bildeten die Nachkommen der unterjochten Ureinwohner. Dazu kamen zu allen Zeiten Kriegsgefangene und besonders seit dem 7. Jahrh. eine stetig zunehmende Einfuhr fremder Sklaven. Nicht nur die bürgerliche Bevölkerung hielt zu Landbau und gewerblichen Verrichtungen Sklaven, sondern auch die Staaten bedienten sich in weitem Umfange der Sklavenarbeit. Am hervorstechendsten war das Staatssklavenwesen im kommunistischen Sparta entwickelt, dessen Geschichte durch das stammfremde, hart gehaltene und zu erbitterten Aufständen immer geneigte Helotentum hervorragend bestimmt wurde. Bei der großen Mannigfaltigkeit des polit. und wirtschaftlichen Lebens in Griechenland war die sociale Stellung der Sklaven eine sehr verschieden abgestufte; im ganzen aber war ihre Lage keine drückende, und das Heraustreten aus dem Stande der Unfreiheit war nicht erschwert. Das Asylrecht diente dem Sklaven, sich einer unwürdigen Behandlung zu entziehen; die Freiheit erlangten athenische Sklaven durch Loskauf aus ihrem Nebenverdienst oder durch Freilassung. Auch gab der Staat Sklaven frei, die in Notfällen bewaffnet worden waren oder sonst dem Gemeinwesen wichtige Dienste geleistet hatten. Die Zahl der Unfreien schätzt J.^[Karl Julius] Beloch zu Beginn des Peloponnesischen Krieges (bei einer Bevölkerung Griechenlands, mit Macedonien und den umliegenden Inseln von 3 Mill.) auf etwa 1 Mill. Ihre Hauptmasse erfüllte die Mittelpunkte des Handels und der Gewerbthätigkeit, Korinth, Athen, Ägina.

Am konsequentesten ausgebildet und mit Sitte, Staatswirtschaft und Politik verwachsen war das Sklavenwesen bei den Römern. Schon in der ältern Zeit häufte sich mit den Eroberungen die Zahl der Sklaven; nach den Punischen Kriegen war Rom mit einer Übermenge von Sklaven erfüllt, die noch fort und fort durch die zahlreichen Kriege und auf dem Wege des Handels vermehrt wurden. Der Staat selbst hielt Mengen von Sklaven zur Verrichtung der öffentlichen Arbeiten, zum Minenbau, zur Bedienung der Magistrate; jeder wohlhabendere Bürger besaß Sklaven, und das Gesinde der Großen wuchs in der Zeit der spätern Republik und unter den Kaisern bis zu 5000, 10000, ja 20000 Köpfen. Ein Teil dieser Masse diente allein dem Luxus der Besitzer, andere wurden zur Besorgung der häuslichen Geschäfte verwendet, zum Betreiben von Künsten und Gewerben organisiert und zur Bebauung des Landes gehalten. Der röm. Sklave der ältern Zeit war rechtlos und besitzlos, das völlige Eigentum seines Herrn, der eine unbeschränkte Gewalt über Leben und Tod ausübte. Die Strafen für Vergehen waren hart; schon die Denunziation seines Herrn, ferner jeder Diebstahl eines Sklaven wurde mit Todesstrafe belegt, die bis auf Konstantin in der Kreuzigung bestand. Der Sklave konnte keine rechtliche Ehe schließen, sein Zeugnis vor Gericht dürfte er nur auf der Folter ablegen. Auch vom Kriegsdienst waren die Unfreien ausgeschlossen, und nur in einigen Fällen besonderer Bedrängnis des Staates wurden hierin Ausnahmen gemacht. Die Freilassung (manumissio) erfolgte unter feststehenden Formen (s. Freilassung). Nur der durch feierliche manumissio Freigelassene (libertus) wurde röm. Bürger, sofern sein Herr selbst das Bürgerrecht besaß. War dies nicht der Fall, so trat der Freigelassene nur in die Klasse der Lateiner oder der Provinziellen. Aber auch der Freigelassene, der in die Reihe der Bürger aufgenommen wurde, erlangte nur einen beschränkten Besitz der Bürgerrechte. Andererseits wurden nach älterm Recht Freie durch Überschuldung unfrei, und bei schweren Verbrechen degradierte man röm. Bürger zu Sklaven, um an ihnen die Strafe vollziehen zu können. Seit 265 v. Chr. wurde es Sitte, Sklaven als Gladiatoren zu erziehen. Bei der Härte, die die röm. Sklaven erfuhren, waren Aufruhr und Verschwörungen nicht selten; 135-132 und 102 v. Chr. mußten in Sicilien Sklavenempörungen niedergekämpft werden, 73-71 v. Chr. erschütterte der Aufstand unter Spartacus (s. d.) die Republik. (S. Sklavenkriege.) Erst in der Kaiserzeit, namentlich unter dem Einfluß der stoischen Lehre, begann das Los der Sklaven milder zu werden. Die Kaiser, Trajan und mehr noch Hadrian, beschränkten die Willkür der Herren und hoben die Sklaven aus dem Zustande der Rechtlosigkeit heraus. Ein gemißhandelter Sklave, der unter die Statue des Kaisers floh, hatte Anspruch auf dessen Schutz. Die Sklaven durften Eigentum besitzen und ihren Erwerb zur Loskaufung verwenden. Antonin endlich entzog den Herren das Recht über Leben und Tod ihrer Sklaven. Man begann Sklaven anzusiedeln, und die Freilassungen wurden bald in solchem Maße üblich, daß gesetzliche Beschränkungen getroffen wurden. Das Christentum nahm die ihm aus dem Heidentum entgegenkommende humanitäre Strömung in sich auf, blieb aber der S. als einer Institution des staatlichen Lebens gegenüber neutral, so daß diese die Zertrümmerung des Römischen Reichs überdauerte.

Im Orient ist der Unterschied zwischen Unfreien und Herren zu allen Zeiten weniger schroff gewesen; die Sklaven standen ihren Herren näher und trugen mehr den Charakter des Hausgesindes. Die Freilassung der Sklaven wird im Koran als ein Gott wohlgefälliges Werk empfohlen. Es liegen keine Hinweise vor, daß Mohammed und die Chalifen Kriegsgefangene zu Sklaven machten. Die Sklavenscharen an den Höfen der Chalifen waren vielmehr zumeist Neger, die aus dem Innern Afrikas auf dem Handelswege erworben wurden. Erst in den Kreuzzügen übten die Mohammedaner wechselseitig mit den Kreuzfahrern die Sitte, die Gefangenen zu Sklaven zu machen. Die auf die Kreuzzüge folgende Ausbreitung der islamit. Macht führte dann Tausende von Christen in die mohammedanische S.

In den abendländ. Reichen, die sich auf den Trümmern der röm. Kultur erhoben, hat sich S. und Sklavenhandel auch nach der Einführung des Christentums noch Jahrhunderte lang erhalten. Die Germanen hatten Sklaven, die durch Unterjochung oder Kriegsgefangenschaft unfrei geworden waren, aber auch solche, die durch Überschuldung und sogar durch Verlust ihrer Freiheit im Spiel in die Knechtschaft geraten waren. Die Sklaven wurden im Hausdienste verwendet, und sicher hielten Vornehme einen größern Troß von Unfreien. Weiterhin wurden sie auf Hufen angesiedelt und waren zu Abgaben und Diensten verpflichtet. Die Knechte der Germanen galten rechtlich nicht als Personen, sie wurden als Vermögensobjekte und als außerhalb der Nation stehend angesehen. Der Herr verfügte unbeschränkt über seine Unfreien. Tötung und Verletzung fremder Sklaven wurde nicht durch ein Wergeld, sondern durch einen ihrem Besitzer zu leistenden Schadenersatz vergolten. Die Freilassung konnte eine widerrufliche sein, welche die Zugehörigkeit zum Hause des Herrn nicht auf-^[folgende Seite]