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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Thüringen

und Warnen, haben sich mit den Hermunduren zu dem neuen Stamme der Thüringer vereinigt. Abgesehen von einem kleinen linksrhein. Gaukönigtum, das 491 durch Chlodwig unterworfen wurde, erstreckte sich ihr Reich von der niedersächs. Tiefebene südwärts bis gegen die Donau hin. Ihr letzter König Hermanfried (s. d.) suchte gegen den Frankenkönig Chlodwig Schutz im Anschluß an Theodorich d. Gr., mit dessen Nichte Amalaberga er sich vermählte. Nach der Schlacht bei Burgscheidungen wurde sein Reich vernichtet. Der nördl. Teil fiel den Sachsen zu, der südliche, die Maingegend, den Franken (Ostfranken); der Name T. blieb nur an dem von der Werra und Saale, dem Harz und dem Thüringer Walde begrenzten Landstrich haften. Unter den spätern Merowingern erhoben sich in T., vermutlich als Schützer des Landes gegen die andringenden Sorben, eigene Herzöge; König Dagobert I. erkannte in dieser Würde um 630 den Ratolf an, der nur noch dem Namen nach die Oberherrlichkeit des Frankenreichs ertrug. Seine Nachfolger nahmen ihren Sitz zu Würzburg, aber Anfang des 8. Jahrh. erlosch das Herzogtum, und die Bekehrung zum Christentum, besonders die Thätigkeit des Bonifatius, knüpfte T. enger an das Fränkische Reich.

T. wurde im 8. Jahrh. von fränk. Grafen verwaltet und bildete seit Karl d. Gr. den Ausgangspunkt für die Unterwerfung der Sorben. 805 wird Madalgaud als ein über T. gesetzter Königsbote genannt, der zu Erfurt saß, und dessen Amtsbezirk bis an den Main reichte; mit der Zeit wurden aus den mit außerordentlichen Vollmachten bekleideten Königsboten Markgrafen; der erste namentlich genannte Vorsteher der Thüringischen Mark war Thakulf (849), der 873 starb. Sein Nachfolger Ratolf unterwarf 874 im Verein mit Erzbischof Liutbert von Mainz die empörten Sorben an der Mulde. Diesem folgte der Babenberger Poppo, dem jedoch König Arnulf 892 die herzogl. Würde entzog, um sie auf den ostfränk. Grafen Konrad, den Vater des nachherigen Königs Konrad I., zu übertragen. Nachdem dieser sie bald freiwillig niedergelegt hatte, erhielt sie Burchard (s. d.), der 908 gegen die Ungarn fiel. Unter ihm erhob sich das auf das Amt der Grenzverteidigung gestützte thüring. Herzogtum zu größerer Geltung als je zuvor, aber er erhielt keinen Nachfolger. Otto der Erlauchte, Herzog von Sachsen, dehnte nun seine Gewalt auch über T. aus; sein Sohn Heinrich befestigte seine Macht über T. durch Vermählung mit Hatheburg, der Tochter des reichen Grafen Erwin, machte Merseburg zum Hauptstützpunkt und hielt sich mit Erfolg gegen die Angriffe des Königs Konrad I.

Durch diese Verbindung mit Sachsen sowie durch die Vorschiebung der deutschen Ostgrenze, die ihm die Bedeutung einer Grenzmark raubte, verlor T. seine selbständige Stellung. In kirchlicher Beziehung stand T. unter der Mainzer Kirche, die hier reichen Besitz hatte. Nach der Ermordung des Markgrafen Elkehard I. von Meißen, 1002, der auch zum Herzog von T. erhoben war, wurde das Haus der Grafen von Weimar das mächtigste im Lande. Mit den Grafen Wilhelm IV. (1039-62) und Otto (1062-67), die zugleich die markgräfl. Würde von Meißen bekleideten, erlosch das Haus Weimar. Um von dem Erzbischof Siegfried von Mainz die Belehnung mit den mainzischen Lehen zu erhalten, hatte Otto versprochen, die Thüringer zur Zahlung des verabscheuten Zehnten an die Mainzer Kirche zu zwingen. Dieser Zehntstreit kam 1073 auf einer Synode zu Erfurt unter Teilnahme König Heinrichs IV. im wesentlichen zu Gunsten des Erzbischofs zum Austrag; infolgedessen schloß sich ein Teil der thüring. Herren den aufständischen Sachsen gegen Heinrich IV. an.

Während dieser Kriege trat ein von bescheidenen Anfängen aus aufblühendes Geschlecht hervor, dem es gelang, sich zur Führerschaft des ganzen Stammes aufzuschwingen. Ahnherr desselben ist Graf Ludwig der Bärtige aus einem frank. Geschlecht und ein Lehnsmann des Mainzer Stuhls. Er erwarb durch seine Gemahlin Cäcilie Sangerhausen und starb 1056. Sein Sohn Ludwig (s. d.) der Springer förderte die Entwicklung seines Hauses durch seine Vermählung mit der Witwe des ermordeten Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen. Ihm folgte 1123 sein gleichnamiger Sohn (gest. 1140), der von Kaiser Lothar 1130 die Würde eines Landgrafen von T. erhielt, die zuerst Graf Hermann I. von Winzenburg besessen, dessen Sohn Hermann II. wegen begangenen Mordes aber verloren hatte. Nun erst gelangte T. zur Einheit und zu einer lebendigen innern Entwicklung. Zu Mittelhausen hielt der Landgraf jährlich dreimal im Namen des Kaisers Gericht, außerdem gab es noch vier Dingstühle: zu Gotha, Thomasbrück, Weißensee und Buttelstädt. Unter den Städten T.s hob sich besonders Erfurt und im Schutz der Wartburg Eisenach. Ludwig II. (s. d.), der Eherne (1140-72), mehr durch die Sage als die Geschichte berühmt, stiftete die Klöster Georgenthal und Ichtershausen. Sein Sohn Ludwig III. (s. d.), der Milde (1172-90), schloß sich, dem bisherigen Bunde mit Heinrich dem Löwen entsagend, der Bekämpfung desselben an. Der Lohn für diesen Parteiwechsel war 1180 die Verleihung der durch Adalberts von Sommerschenburg Tod erledigten sächs. Pfalzgrafenwürde, auf die er jedoch 1181 zu Gunsten seines Bruders Hermann verzichtete. Seine Fehde mit Markgraf Otto (s. d.) von Meißen schlichtete der Kaiser. Da er bei seinem Tode 1190 keine Nachkommen hinterließ, folgte ihm sein Bruder Hermann I. (s. d., 1190-1217), der gegen Markgraf Albrecht von Meißen, die Erzbischöfe Konrad von Mainz und Adolf von Köln u. a. zahlreiche Fehden führte und durch den Wankelmut, mit dem er während des Doppelreichs bald die staufische, bald die welfische Partei ergriff, T. wiederholt zum Schauplatz des Krieges machte. Sein jugendlicher Sohn Ludwig IV. (s. d.), der Heilige, der Gemahl der heil. Elisabeth, beendete als Vormund seines Neffen Markgraf Heinrich des Erlauchten die in Meißen und Osterland ausgebrochenen Unruhen, starb aber schon 11. Sept. 1227 zu Otranto an der Pest. Für seinen erst vierjährigen Sohn Hermann II. führte dessen Oheim Heinrich Raspe (s. d.) die Vormundschaft, der die Landgräfin-Witwe Elisabeth von der Wartburg verstieß und nach Hermanns Tode 1241 selbst als Landgraf folgte. Obgleich von Friedrich II. zum Reichsverweser bestellt, ließ er sich doch durch die päpstl. Partei verleiten, als Gegenkönig aufzutreten.

Nachdem mit Heinrich Raspes Tode 16. Febr. 1247 der Mannsstamm Ludwigs des Bärtigen erloschen war, ergriff Markgraf Heinrich (s. d.) der Erlauchte von Meißen auf Grund seiner Abstammung von Jutta, einer Tochter Hermanns I., sowie der 30. Juni 1242 von Kaiser Friedrich II. erhaltenen Eventualbelehnung von der Landgrafschaft Besitz und behauptete sich in dem nun ausbrechenden sog. Thüringer Erbfolgestreite sowohl gegen den