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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Vasen

(Santorin) gefunden sind und ans dem zweiten Jahrtausend v Chr. stammen, schon einen erheblichen Fortschritt. Sie sind auf der Scheibe gedreht und mit aufgemalten Verzierungen von matter Farbe versehen, in denen sie sich schon den mykenischen V. nähern. Man unterscheidet unter diesen mehrere Gattungen, eine ältere von V. mit Bemalung in matten, stumpfen Farben und eine jüngere, der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends angehörige, in der die Verwendung der für die ganze spätere griech. Keramik charakteristischen Firnisfarbe zum erstenmal auftritt. Der Thon ist fein und gereinigt, die glatte Oberfläche hat eine warme gelbliche Tönung, mit welcher das leuchtende Rot und tiefe Schwarz der Firnisfarbe gut zusammensteht. In den Gefäßformen vom schlanken Becher mit hohem Fuß bis zur bauchigen Amphora zeigt sich eine große Mannigfaltigkeit, bestimmte Formen, wie namentlich die Bügelkanne mit doppeltem Bügelgriff und kurzer Ausgußrohre, sind für diese Gruppe charakteristisch. Die Ornamente sind bald in streifenförmiger Anordnung, bald über die ganze Fläche hinübergreifend, neben dem beliebten Motiv der Spirale üppige, phantastische Blumenranken, Wasserpflanzen, Wellen, Fische, Seesterne, Quallen und Polypen, Korallen, Purpurschnecken und Muscheln verschiedener Art. Wie in den Gefäßformen, so zeigt sich in den Ornamenten eine besondere Vorliebe für die geschwungene Linie. An allen Stätten der mykenischen Kultur, außer in Mykenä an der ganzen Ostküste Griechenlands, auf den Inseln des Ägäischen Meers, auf Rhodos und Kreta sind diese V. vertreten. Die Zeit ihrer Entstehung ist die zweite Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr.

Die Dipylonvasen, so benannt, weil die hervorragendsten Beispiele dieser Art am Dipylon in Athen gefunden sind, sind in der Dekoration viel weniger kunstvoll als die mykenischen und bezeichnen diesen gegenüber auch in der Technik einen Rückschritt. Der Thon ist gröber und hat eine rötliche Oberfläche, auf der die Ornamente mit dünnem Firnis von rotbrauner Färbung aufgetragen sind. Die Gefäße haben zum Teil eine sehr beträchtliche Größe. Wie von einem Geflecht oder Gewebe wird die Fläche von der Dekoration umschlossen, welche aus Strichen und Streifen, Mäander, Punktreihen, Zickzacklinien und konzentrischen Kreisen gebildet wird. Tiere werden zwischen die quadratischen Ornamentfelder verteilt, aber die Figuren, namentlich die der Menschen, sind von einer kindischen Unbeholfenheit, und das Ganze hat einen leblosen, starren Charakter. Die Dipylonvasen bilden aber nur eine begrenzte Gruppe unter den V. mit geometr. Dekoration, die vielmehr, in verschiedener Weise zu bestimmten Systemen ausgebildet, in der Periode von der dor. Wanderung bis etwa zum 7. oder 6. Jahrh. v. Chr. in der Keramik überhaupt vorherrscht.

Die große Masse cyprischer V. schließt sich eng hier an. Die Gefäße sind von fein geschlämmtem Thon, von hellgelber Oberfläche und mit reichhaltigen Mustern in verschiedenen Farben (schwarzbraun, weiß, rot) bemalt; phantastische Blumen und Rosetten treten als neue Dekorationselemente hinzu und zeigen, wie der orient. Einfluß anfängt sich geltend zu machen. Wenn die cyprischen V. ein barbarisches Gepräge haben, so zeigt sich bei den rhodischen V. in der geschickten, schon auf die Gefäßform Rücksicht nehmenden Ornamentik, in der leichtern Zeichnung der Figuren zum erstenmal der griech. Geist. Die Gefäßfläche ist hier meist durch mehrere Linien in Streifen abgeteilt; in diesen sind Reihen von schreitenden Tieren, unter ihnen besonders häufig Hirsche, Steinböcke, auch Löwen, Greifen, Sphinxe dargestellt und die leeren Zwischenräume mit Rosetten, Rauten, konzentrischen Kreisen u. a. gefüllt, Ornamente, in denen zum Teil mykenische Motive fortleben. Auch Darstellungen, aus dem Epos geschöpft, treten jetzt in die Dekoration ein. So findet man, ähnlich wie es die Ilias schildert, den Kampf des Menelaos und Hektor um den gefallenen Troer Euphorbos; der Maler schrieb die Namen neben die Figuren. Solche Beischriften werden von da an in der Vasenmalerei üblich. Sie sind von Wichtigkeit für die Bestimmung der Gefäße selbst, wie für die Geschichte des griech. Alphabets. Die rhodische Gattung ist neben andern eine Spielart der Ionischen Keramik, die durch das 7. und 6. Jahrh. v. Chr. an der kleinasiat. Küste und auf den Inseln geblüht hat, und deren Ware bis weit nach Westen, namentlich in Etrurien lebhaften Absatz fand. Besonders glänzend zeigt sich ihre Leistungsfähigkeit auch in den großen, technisch und dekorativ den V. gleich behandelten Sarkophagen aus gebrannten Thon, wie sie in den letzten Jahren zahlreich in Klazomenä (am Golf von Smyrna) gefunden worden sind.

In Griechenland war im 6. Jahrh. v. Chr. als Fabrikationsort von V. namentlich Korinth in Aufschwung, das lange den ital. Markt beherrschte. Kleine, zierliche Gefäße aus feinem Thon mit braunroter Bemalung auf hellgelbem Grunde, mit einer Dekoration aus dicht nebeneinander gelegten Horizontallinien, die zuweilen durch umlaufende Friese von Tieren und Menschen erweitert wird, bilden eine besondere ältere Klasse. Die große Masse der korinthischen V., für die die "Dodwellvase" in München als hervorragendes Beispiel gelten kann, sind in der Technik und in der Wahl der Farben den rhodischen V. ähnlich; an diese erinnert auch die ornamentale und figürliche Ausstattung. Über einem vom Boden aus ansteigenden Strahlenkranze ziehen sich meist durch breite Linien getrennt Tierstreifen hin, in denen Löwen, Stiere und Sphinxe wechseln: der freie Raum ist ähnlich wie bei den rhodischen V., aber meist viel dichter, mit allerlei kleinen Ornamenten, unter denen die Rosette vorherrscht, ausgefüllt. Durchweg sind die korinthischen V. von geringer Größe, unter den Formen werden die Deckelbüchse und das kugelige Salbgefäß bevorzugt. Gegen Ende des 6. Jahrh. v. Chr. trat ein Wechsel in der Technik ein, indem man größere Gefäße, namentlich die Form der Amphora, bevorzugte, dem Thon durch stärkeres Brennen eine rötlichere Färbung gab und einen dunklern Firnis für die Bemalung wählte, auch Weiß und ein rötliches Violett reichlicher zusetzte. Der bildliche Schmuck verteilte sich nun in mehrern Streifen über das Gefäß und wurde in der Regel so angeordnet, daß ein Hauptstreifen eine Begebenheit, meist aus der Heldensage, schilderte, die übrigen mit Reihen von Tieren, Reitern oder ähnlichem gefüllt wurden. Ein hervorragendes Beispiel für diese jüngere Gruppe ist die große Vase mit dem Auszuge des Amphiaraos (im Berliner Museum).

Neben den korinth. Gefäßen fanden gleichzeitig die Fabrikate anderer Werkstätten reichen Absatz in Italien. So z. B. die V. aus Chalkis oder einer chalkidischen Kolonie; technisch haben sie mit den jüngern korinthischen die Unterscheidung der männ-^[folgende Seite]