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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Verpflegungszuschuß; Verpflichtungsschein; Verplatinieren; Verpuppung; Verputz; Verquicken; Verr.; Verrat

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Verpflegungszuschuß - Verrat

Entgelt wird von dem Unterstützten eine, wenn auch nur geringe Arbeitsleistung gefordert. Die V. entstanden zu Anfang der achtziger Jahre in Deutschland, als die Vagabundenplage (s. Vagabund) hier eine außerordentliche Ausdehnung angenommen hatte, und die Arbeiterkolonien (s. d.) und die Herbergen zur Heimat (s. d.) dem Übel nicht mehr zu steuern vermochten. Sie wurden teils von wohlthätigen Vereinen, teils von Gemeinden oder Selbstverwaltungskörpern ins Leben gerufen und betrieben; später bildeten sich auch verschiedene Landes- und Provinzialverbände, die schließlich zu einem deutschen Gesamtverband zusammentraten. Im J. 1890 belief sich die Gesamtzahl aller in Deutschland vorhandenen V. auf 1957. Die wirtschaftliche Krisis der folgenden Jahre wirkte ungünstig auf sie ein, da der Besuch der V. und damit die Kosten bedeutend zunahmen, so daß einzelne Kreise und Gemeinden die Mittel zu ihrer Fortführung verweigerten. Auf Ansuchen des Gesamtverbandes legte die preuß. Regierung 1895 dem Abgeordnetenhaus einen Gesetzentwurf vor, wonach die Kreise zur Einrichtung von V. verpflichtet sein, ihnen aber die Hälfte der Kosten vom Provinzialverbande ersetzt werden sollten. Der Entwurf wurde jedoch abgelehnt, und der Rückgang der V. hat in fast allen deutschen Staaten einen immer größern Umfang angenommen, so daß sie 1896 bis auf 1287 gesunken sind; eine Zunahme (von 239 auf 342) ist nur in Bayern und in Sachsen-Meiningen (von 3 auf 13) erfolgt. Angesichts dieser Sachlage beschloß der Gesamtverband 6. Mai 1896 die preuß. Regierung von neuem um Förderung der Sache zu bitten und die Verbindung der V. mit Arbeitsnachweiseinrichtungen als wünschenswert zu bezeichnen.

Schon in den achtziger Jahren wurden auch in verschiedenen Kantonen der Schweiz V. eingerichtet, die 12. Juli 1893 zu einem interkantonalen Verband zusammentraten, und auch in Niederösterreich und in Böhmen ist das Institut der V. gesetzlich geregelt. – Vgl. Huzel, Das System der kommunalen Naturalverpflegung armer Reisender zur Bekämpfung der Wanderbettelei. Nach den Erfahrungen in Württemberg (Stuttg. 1883); Märcker, Vagabundennot, Arbeiterkolonien und V. (Heilbr. 1887); von Massow, Statistik der Naturalverpflegungsstationen in Deutschland 1890 (Gadderbaum 1891); von Schlieben, Die Fürsorge für mittellose Wanderer im Königreich Sachsen (Dresd. 1891). (S. auch die Litteratur bei Arbeiterkolonien.)

Verpflegungszuschuß, s. Naturalverpflegung.

Verpflichtungsschein, ein Schein, in welchem der Aussteller eine Verpflichtung oder Schuld übernimmt, oder sich zu einer solchen bekennt, oder dieselbe zu zahlen verspricht. (S. Schuldschein und Kaufmännischer Verpflichtungsschein.)

Verplatinieren, das Überziehen von Metallen mit Platin. Als Ersatz für die teuern Platingerätschaften der chem. Laboratorien hat man solche empfohlen, die nur einen dünnen Überzug von Platin haben, und hat das zu deren Anfertigung dienende Blech durch heißes Auswalzen von starkem, mit dünnem Platinblech belegten Kupferblech hergestellt. Diese verplatinierten Gegenstände haben sich im Gebrauch jedoch nicht bewährt.

Verpuppung, die Verwandlung der Insektenlarve in eine Puppe (s. d. und Metamorphose).

Verputz, soviel wie Abputz (s. d. und Putz- und Stuckarbeiten).

Verquicken, die Behandlung von goldhaltigen Erzen mit Quecksilber zum Behuf der Bildung eines Amalgams; in übertragener Bedeutung ist V. soviel wie Durcheinandermengen.

Verr., hinter der lat. Benennung naturgeschichtlicher Gegenstände Abkürzung für Jules Verreaux (spr. wärroh), einen franz. Naturforscher, besonders Ornithologen, Reisenden und Naturalienhändler.

Verrat, nach älterm deutschem Recht in engerm Sinne Treubruch gegen den Lehnsherrn, im weitern das treulose Handeln gegen Personen, denen man zur Treue verpflichtet ist. Im weitern Verlauf der Entwicklung überwog das polit. Moment, Majestätsverbrechen, Hoch- und Landesverrat (s. d.) gewannen besondere strafrechtliche Bedeutung. Sichere Abgrenzung der einzelnen Begriffe findet sich erst im neuern Recht; die Strafbarkeit des Verräters als solchen ist ihm fremd. – Der V. militärischer Geheimnisse und Vorbereitungshandlungen dazu (Spionage im Frieden) sind durch Reichsgesetz vom 3. Juli 1893 besonders geordnet. Danach wird, wer vorsätzlich Gegenstände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesverteidigung erforderlich ist, in den Besitz oder zur Kenntnis eines andern gelangen läßt, mit Zuchthaus nicht unter 2 Jahren bestraft (zulässig daneben Geldstrafe bis zu 15000 M.; zuständig zu Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz das Reichsgericht), wenn er weiß, daß dadurch die Sicherheit des Reichs gefährdet wird; sonst tritt Festungshaft bis zu 5 Jahren ein, woneben Geldstrafe bis 5000 M. zulässig (zuständig Strafkammer); bei mildernden Umständen Festungshaft nicht unter 6 Monaten, neben welcher auf Geldstrafe bis 10000 M. erkannt werden kann. Der Versuch ist strafbar. Wer vorsätzlich Besitz oder Kenntnis von Gegenständen der bezeichneten Art in der Absicht sich verschafft, davon zu einer die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdenden Mitteilung an andere Gebrauch zu machen (Spion), wird mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft, neben dem Geldstrafe bis zu 10000 M. zulässig ist (zuständig Reichsgericht). Wer ohne diese Absicht vorsätzlich und rechtswidrig Besitz oder Kenntnis solcher Gegenstände sich verschafft, wird mit Gefängnis oder Festung bis zu 3 Jahren bestraft (Strafkammer). Neben der Festungshaft ist Geldstrafe bis zu 5000 M. zulässig. Bei mildernden Umständen kann ausschließlich auf Geld erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. Schon die Verabredung mehrerer (Komplott), ein (mit Zuchthausstrafe bedrohtes) Verbrechen der vorstehenden Arten zu begehen, wird, wenn es zu Ausführung oder zu strafbarem Versuch nicht kommt, mit Gefängnis nicht unter 3 Monaten bestraft (Strafkammer). Wer von dem Vorhaben eines jener Verbrechen zu einer Zeit glaubhafte Kenntnis erhält, in welcher Verhütung möglich ist, und unterläßt, es der Behörde anzuzeigen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch begangen ist, mit Gefängnis zu bestrafen (Strafkammer). Wer aus Fahrlässigkeit Gegenstände der bezeichneten Art, die ihm amtlich anvertraut sind, oder kraft seines Amtes oder eines von amtlicher Seite erteilten Auftrags zugänglich sind, in einer die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdenden Weise in Besitz oder Kenntnis eines andern gelangen läßt, wird mit Gefängnis oder Festung bis zu 3 Jahren, woneben auf Geld bis 3000 M. erkannt werden kann, oder nur mit solcher Geldstrafe bestraft. Ähnliche Gesetze sind auch in Italien, Österreich, England, Rußland und Frank- ^[folgende Seite]