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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Verrenkung; Verres; Verrĭus; Verrocchio

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Verrenkung - Verrocchio

reich erlassen worden (s. Spion). – Den V. von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bestraft das Reichsgesetz gegen unlautern Wettbewerb vom 27. Mai 1896. (S. Unlauterer Wettbewerb, Betriebsgeheimnis und Geschäftsgeheimnis.)

Verrenkung (Luxatio), das Austreten eines Knochens aus seiner natürlichen Gelenkverbindung, das entweder durch vorher vorhandene Krankheitszustände (spontane oder pathologische Luxation) oder durch mechanisch auf den Knochen einwirkende Gewalt (traumatische Luxation) erfolgen kann. Bei ersterer V. finden sich krankhafte Entartungen der knöchernen Gelenkkörper oder der Gelenkkapsel und Gelenkbänder; letztere kann die Gelenkflächen selbst vollkommen unverletzt lassen und nur zerstörend auf die Gelenkbänder und benachbarten Muskeln und andern Organe einwirken. Eine V. dieser Art tritt am leichtesten da ein, wo die sich berührenden Gelenkflächen im Verhältnis zu den Knochen, denen sie angehören, am kleinsten sind, wo wenig und schlaffe Gelenkbänder und überhaupt viel Beweglichkeit im Gelenk vorhanden ist. Bei der Einwirkung mechan. Gewalt hängt besonders viel davon ab, in welcher Richtung der Knochen gerade zu dem Gelenk steht: Stoß, Fall und übermäßig starke Muskelbewegung sind die gewöhnlichen Ursachen. Man bezeichnet eine V. als vollständig, wenn die Gelenkflächen in gar keiner Verbindung mehr miteinander stehen; als unvollständig (subluxatio), wenn die Gelenkflächen wenigstens zum Teil noch miteinander zusammenhängen; als einfach, wenn das verrenkte Glied keine anderweitige Verletzung oder Erkrankung aufweist; als kompliziert, wenn dieses letztere der Fall ist. Manche V. (besonders am Hüftgelenk) kommen auch als angeborenes Leiden vor. Man erkennt eine V. an der ganz aufgehobenen oder wenigstens stark beeinträchtigten Beweglichkeit des verrenkten Gliedes sowie an gewissen von außen sichtbaren oder fühlbaren anatom. Veränderungen des Gelenks (Leersein der Gelenkpfanne, Nachweis des Gelenkkopfes an einer abnormen Stelle, veränderte Stellung des verrenkten Gliedes); dazu gesellen sich in frischen Fällen mehr oder minder starke Geschwulst, Entzündung und heftige Schmerzen.

Die V. muß sobald als möglich wieder eingerichtet (reponiert), das verrenkte Glied muß eingerenkt werden. Dies geschieht in der Weise, daß man den ausgetretenen Gelenkkopf vermittelst methodischer Manipulationen wieder auf demselben Wege in das Gelenk zurückführt, auf dem er ausgetreten ist. Um den Widerstand der Muskeln aufzuheben, die sich der Reposition widersetzen, und um die Schmerzen zu lindern, pflegt man dabei den Kranken in schweren Fällen zu chloroformieren. Nach der gelungenen Einrichtung muß man das Glied noch eine Zeit lang durch zweckmäßige Verbände fixieren, bis die Zerreißungen geheilt sind. Gegen die oft lange zurückbleibende Gelenksteifigkeit erweisen sich spirituöse Einreibungen, passive Bewegungen, Elektricität und Massage (s. d.) nützlich. Hat eine V. so lange bestanden, daß bereits Verwachsungen eingetreten sind, wozu schon einige Wochen hinreichen, so ist oft nur durch eine Operation die Wiederherstellung eines brauchbaren Gelenks zu erreichen. – Vgl. Hoffa, Lehrbuch der Frakturen und Luxationen (3. Aufl., Würzb. 1896).

Verres, Gajus, röm. Prätor, der durch die Reden Ciceros gegen ihn bekannt ist. 84 v. Chr. war er Quästor des Papirius Carbo im Cisalpinischen Gallien, unterschlug aber die ihm anvertraute Kasse und ging zu Sulla über. Als Legat des Dolabella in Cilicien (80) brandschatzte er mit diesem seine Provinz, half dann aber zur Anklage und Verurteilung seines Statthalters mit. 74 bekleidete er die städtische Prätur. Vor allem berüchtigt wurde endlich seine Statthalterschaft in Sicilien 73‒71, während deren er neben andern Willkürakten 40 Mill. Sestertien (über 7 Mill. M.) erpreßt haben soll. Die von den Siciliern deshalb 70 erhobene Klage übernahm Cicero; die Verteidigung des V. sollte Hortensius führen. V. suchte zuerst mittels eines Scheinklägers durch eine Konkurrenz in der Anklage den Cicero zu beseitigen, was dieser durch die Rede «Divinatio in Caecilium» vereitelte. Dann wollte V. den Prozeß in das folgende Jahr hinüberspielen, um vor einen ihm günstigen Prätor zu kommen. Allein auch dies wurde verhindert, und als Cicero gleich bei der ersten Verhandlung nach einer ersten einleitenden Anklagerede (der actio prima) die ganze Masse der Beweise von des V. Schuld, die er gesammelt, vorbrachte, verzichtete Hortensius schließlich auf die Verteidigung. V. ging, nachdem er vorher einen großen Teil seiner Beute in Sicherheit gebracht hatte, freiwillig in das Exil, in welchem er 43 als Opfer der Proskription des Antonius fiel. Von den auf uns gekommenen «Actiones Verrinae» des Cicero ist die zweite nicht gehalten, sondern erst nach dem Prozeß zum Zweck der Veröffentlichung ausgearbeitet. Sie ist jedoch nicht bloß als rhetorisches Kunstwerk, sondern auch als Material für die Kenntnis der röm. Provinzialverwaltung und durch die Aufzählung der von V. geraubten Denkmäler für die Kunstgeschichte von Interesse.

Verrĭus Flaccus, Marcus, röm. Grammatiker, lebte in Rom zur Zeit des Augustus und starb im hohen Alter unter Tiberius. Von seinen histor. und grammatischen Schriften sind nur noch Bruchstücke eines röm. Kalenders erhalten, die 1770 zu Präneste entdeckt und mit andern ähnlichen Überresten u. d. T. «Fasti Praenestini» von Foggini (Rom 1779) bekannt gemacht wurden. Abdrücke besorgten namentlich F. A. Wolf in seiner Ausgabe des Suetonius, Bd. 4 (Lpz. 1802), und Mommsen im «Corpus inscriptionum latinarum», Bd. 1 (Berl. 1863). Dagegen hat sich von seiner bedeutendsten Leistung, dem Werke «De verborum significatione», außer wenigen Fragmenten nur ein großer Teil des Auszugs des Festus, und der wiederum aus diesem Auszug gemachte Auszug des Paulus Diakonus erhalten. (S. Festus.) – Vgl. Reitzenstein, Verrianische Forschungen (Bresl. 1887).

Verrocchio (spr. -róckjo), Andrea del, ital. Bildhauer und Maler, geb. 1435, gest. 1488, nahm eine hervorragende Stellung in Florenz ein als Lehrer von Leonardo da Vinci, Perugino und Lorenzo di Credi. Er ging von der Goldschmiedekunst aus, der noch das 1480 gefertigte Relief der Enthauptung Johannes’ am Altar in der Dombauhütte angehört. Bedeutender aber wurde er als Bronzegießer, wie eine Reihe herrlicher Werke beweisen: Das Grabmal der Medici in San Lorenzo, Der Knabe mit dem Delphin im Palazzo Vecchio, Der junge David im Bargello, die Gruppe des Christus und Thomas an Or San Michele in Florenz. In Marmor führte er das Grabmonument des Kardinals Forteguerra im Dom zu Pistoja (1474), das Madonnenrelief im Bargello zu Florenz, in Terra- ^[folgende Seite]