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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Volksunterhaltungsabende - Volkswirtschaftslehre

dung von Lehrern in den Jugendspielen eingerichtet. Ferner begründete Abgeordneter von Schenckendorff 21. Mai 1891 zu Berlin den «Centralausschuß zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland», der eine äußerst rege Thätigkeit entfaltet. Neben den vom Ausschuß herausgegebenen Jahrbüchern (bisher erschienen Ⅰ-Ⅵ, hg. von E. von Schenckendorff und F. A. Schmidt, Lpz. 1892‒97) erscheinen «Allgemein unterrichtende Mitteilungen zur Einführung in die Jugend- und Volksspiele» (Lpz. 1894 fg.), die in kurz gefaßten Aufsätzen über Ziele, Bedeutung, Spielgeräte, Einrichtung von Spielplätzen, Spielbücher u. a. m. Auskunft geben. Der Centralausschuß richtet jährlich Kurse zur Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen ein. Bis einschließlich 1896 wurden etwa 114 solcher Kurse abgehalten, an welchen sich etwa 1500 Lehrer und Lehrerinnen beteiligten. Seit 1895 hat er bei 16 deutschen Hochschulen auch studentische Kurse eingerichtet.

Nach einer Veröffentlichung im Jahrbuch Ⅳ haben in Deutschland 1894 von im ganzen 1629 Anstalten (1310 höhern Lehranstalten,191, Lehrerseminaren und 128 Präparandenanstalten) 1455 die Anfragen des Centralausschusses beantwortet. Es spielten: in den Unterrichtspausen 63 Anstalten, nur während der Turnstunden 461, zu besonders angesetzten Zeiten, und zwar wöchentlich in 1‒2 Stunden 380, in 2‒3 Stunden 78, in 3‒4 Stunden 69, in mehr als 4 Stunden 96, in unbestimmten Stunden 213, nur gelegentlich 56 und überhaupt nicht 39. Die Anstalten, in denen das Spiel neben dem pflichtmäßigen Turnen betrieben wurde, betrug: mit freiwilliger Beteiligung 784, mit pflichtmäßiger Beteiligung 139. Von diesen spielten während des ganzen Jahres 298 und nur während der warmen Jahreszeit 625 Anstalten.

Die Litteratur ist in dem vorgenannten Jahrbuch Ⅰ des Centralausschusses für Jugend- und Volksspiele vollständig aufgeführt. Hervorzuheben sind GutsMuths, Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und des Geistes (1796; 8. Aufl., bearb. von J. C. Lion, Hof 1893); H. Raydt, Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper (Hannov. 1889); ders., Die deutschen Städte und das Jugendspiel, nach den amtlichen Berichten der Städte bearbeitet (Hannov.-Linden 1891); M. Zettler, Die Bewegungsspiele, ihr Wesen, ihre Geschichte und ihr Betrieb (Wien 1893); F. A. Schmidt, Die Leibesübungen nach ihrem körperlichen Übungswert dargestellt (Lpz. 1893); Eitner, Die Jugendspiele (7.Aufl., ebd. 1892); Kohlrausch und Marten, Turnspiele nebst Anleitung zu Wettkämpfen und Turnfahrten (5. Aufl., Hannov. 1895); J. C.Lion und Wortmann, Katechismus der Bewegungsspiele für die deutsche Jugend (Lpz. 1891); Kreunz, Bewegungsspiel und Wettkämpfe für Mittelschulen und verwandte Fachanstalten (2.Aufl., Graz 1897); Koch und E. von Schenckendorff, Wie wird das Bewegungsspiel im Freien zur Volkssitte? (Braunschw. 1895); von Woikowsky-Bidau, Das Bewegungsspiel in der deutschen Volkshygieine und Volkserziehung (Lpz. 1895). In Leipzig erscheint seit 1892 die «Zeitschrift für Turnen und Jugendspiel», hg. von Schnell und Wickenhagen.

Volksunterhaltungsabende, Volksunterhaltungsvereine, s. Volksheime.

Volksverein für das katholische Deutschland, ein 1890 mit dem Sitz in Mainz von hervorragenden kath. Laien und Geistlichen begründeter Verein zu dem Zweck, die Irrtümer und Umsturzbestrebungen auf socialem Gebiet zu bekämpfen sowie zur Verteidigung und Erneuerung der christl. Ordnung in der Gesellschaft beizutragen. Er verfolgt seine Zwecke durch Veranstaltung von öffentlichen Volksversammlungen, Verbreitung von Volksschriften, Flugblättern u. dgl. sowie durch Errichtung von Volksbureaus (s. d.) in den Industriegebieten, Unterstützung von Volksmissionen, Abhaltung praktisch-socialer Kurse und Versendung einer Socialkorrespondenz an kath. Zeitungen. Der Verein hat bis 1896 5000 Versammlungen abgehalten und 10 Mill. Schriften unter das Volk verbreitet. Er hat im Westen und Süden Deutschlands viel Boden gefunden und zählte 1896 an 185000 Mitglieder aus allen Ständen und Berufsklassen. Sein Organ ist «Der Volksverein» (München-Gladbach).

Volksvermögen, s. Nationalvermögen.

Volksversammlung, s. Ekklesia und Komitien. Über das jetzt geltende Versammlungsrecht s. d.

Volksvertretung, die Vertretung des Volks in seiner Gesamtheit durch Abgeordnete (s. d.) oder auch vom Staatsoberhaupte berufene Vertreter, im Gegensatz zu der nach Ständen gegliederten Landesvertretung (s. Landstände). Die dem franz. Recht entnommene Bezeichnung gesetzgebender Körper, gesetzgebende Versammlung (frz. Corps législatif, Assemblée legislatif) leitet sich aus der von Montesquieu aufgestellten Theorie von der Teilung der Gewalten her (s. Konstitutionelles System), da man die Funktion der V. im Staate in der Ausübung oder Mitausübung der gesetzgebenden Gewalt erblickte. Über Ein- und Zweikammersystem s. Landtag.

Volkswirtschaft, die Wirtschaft (s. d.) eines ganzen Volks im Gegensatz zur Privatwirtschaft. Die Wissenschaft, die sich mit der V. beschäftigt, heißt Volkswirtschaftslehre (s. d.).

Volkswirtschaftlicher Kongreß, eigentlich Kongreß deutscher Volkswirte, eine 1858 zum erstenmal zusammenberufene Vereinigung deutscher Volkswirte freihändlerischer Richtung, welche lange Zeit hindurch den Mittelpunkt der von dieser Seite kommenden Agitation für Freihandel, liberale Gestaltung des Gewerbe- und Heimatsrechts u. s. w. bildete. Hauptteilnehmer waren Lette, Schulze-Delitzsch, Faucher, Prince-Smith, Max Wirth, Karl Braun (lange Zeit Vorsitzender), V. Böhmert, Th. Barth, M. Weigert u. a. Der letzte 22. Kongreß wurde im Sept. 1885 in Nürnberg abgehalten. Der Kongreß hatte in Berlin eine ständige Deputation, welche im Verein mit der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft in Berlin die noch jetzt erscheinenden «Volkswirtschaftlichen Zeitfragen» (Vorträge und Abhandlungen) herausgab.

Volkswirtschaftslehre, auch Nationalökonomie oder politische Ökonomie (frz. économie politique; engl. political economy),die Wissenschaft, die sich mit der Feststellung des Wesens und der Gesetze der volkswirtschaftlichen, d. i. jener Erscheinungen befaßt, die aus der auf die Deckung des Bedarfs an Gütern gerichteten Thätigkeit eines Volks entspringen. Diese volkswirtschaftlichen Erscheinungen sind aber nicht bloß ein Gegenstand allgemeiner Betrachtung, bei welcher man sich mit der thatsächlichen Feststellung ihres Wesens und der Erklärung ihres Zusammenhangs (theoretische V.) begnügt; die Volkswirtschaft ist vielmehr ein Objekt zielbewußter Beeinflussung wenn auch nicht durch den Einzelnen, so doch durch die Gesamtheit oder