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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Vormundschaft

fenen Vermögens ein zeitlich beschränkte Vorzugsrecht; das Preuß. Einführungsgesetz vom 6. März 1879, §. 9, hat dieses Vorzugsrecht ausgedehnt auf die Befriedigung außerhalb des Konkurses in gewissen Fällen. In Ansehung der Sicherheitsleistung seitens des Vormundes sind noch viele neuere Rechte dem Gemeinen Rechte gefolgt, mit mannigfachen Abweichungen unter sich; andere lassen eine solche nur ausnahmsweise eintreten, z. B. Preuß. Vormundschaftsordnung §§. 58, 59; noch andere, wie der Code civil, haben diese Pflicht ganz beseitigt. Das Deutsche Bürgerl. Gesetzbuch hat sich für die Regel den letztern angeschlossen. Obervormundschaft und Vorschriften über Kapitalanlage stehen an der Stelle. Nur aus besondern Gründen kann Sicherheitsleistung auferlegt werden (§. 1844). Über das Verhältnis der Pflegschaft zur V. s. Kuratel.

Das geltende Recht giebt gewissen nahen Verwandten ein Recht, zum Vormunde berufen zu werden und gewährt gewissen Personen, insbesondere dem Vater oder der ehelichen Mutter (so Bürgerl. Gesetzb. §§. 1776 u. 1777) oder andern Verwandten oder solchen, welche dem Mündel Vermögen zuwenden, das Recht, einen Vormund zu ernennen.

Die Übernahme der V. ist überwiegend eine Pflicht. Das geltende Recht spricht dies zum Teil ausdrücklich aus (z. B. Preuß. Vormundschaftsordnung §. 20 und Deutsches Bürgerl. Gesetzbuch: «jeder Deutsche», §. 1785), teils setzt es die Pflicht stillschweigend voraus (z. B. Code civil Art. 427; Österr. Bürgerl. Gesetzb. §§. 200, 193, 195), selbstverständlich nicht im Falle der Berufung durch einen andern als die Obervormundschaft. Grundlose Weigerung hat meist Haftung für Schaden zur Folge (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §. 1787). Mitunter sind Ordnungsstrafen zulässig (ebenda §. 1788: dreimal zu je 300 M. in Zwischenräumen von mindestens einer Woche). Alle Rechte kennen Gründe, aus welchen jemand nicht bestellt werden kann (entmündigt) oder soll (minderjährig, Konkurs), und andere Gründe, aus welchen die Übernahme abgelehnt werden kann (s. Ablehnung), vgl. ebenda §§. 1781, 1782, 1786.

Die Form der Verpflichtung des Vormundes ist zumeist die Verpflichtung mittels Handschlags an Eidesstatt, z. B. in der Preuß. Vormundschaftsordnung §. 24, im Deutschen Bürgerl. Gesetzb. §. 1789. Üblich ist die Ausstellung einer Bestallung, auch nach Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §, 1901; Österr. §. 206; Deutschem §. 1791, d. i. einer Urkunde, welche die Verpflichtung als Vormund für die namhaft gemachten Mündel seitens der Obervormundschaft bezeugt.

In welcher Weise die V. im einzelnen zu führen ist, darüber enthält das geltende Recht zahlreiche, zum Teil sehr voneinander abweichende Vorschriften, insbesondere auch wegen der Erziehung, der religiösen Erziehung u. s. w. (vgl. Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §§. 1793 fg.). Über Anlegung der Mündelgelder s. Mündelgut. Verschieden sind auch die Vorschriften über die Veräußerungsbefugnis des Vormundes. Näher wird zumeist bestimmt, zu welchen Rechtsgeschäften ein Vormund allein befugt sei, zu welchen er der Genehmigung des Gegenvormundes (s. d.), zu welchen er der Genehmigung der Obervormundschaft bedarf. Weiter wird die Pflicht des Vormundes, Rechnung zu legen, geregelt und zwar meist dahin, daß solche in gewissen Zeitabschnitten während, insbesondere aber nach Beendigung der V. zu legen sei. (Vgl. Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §§. 1840 fg.) Nähere Vorschriften sind gegeben über die Haftung des Vormundes für seine Verwaltung und über die Haftung der Obervormundschaft. (Vgl. ebenda §§. 1833 u. 1844.) Die V. wird unentgeltlich geführt; nur unter ganz besondern Umständen soll ein Honorar zugebilligt werden. So bestimmen Gemeines Recht, Preuß. Vormundschaftsordnung §§. 33, 34; Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1954, 1955; Österr. §§. 266, 267; Deutsches §. 1836. Nach Code civil besteht auch die Ausnahme nicht, während einzelne Rechte, z. B. das Bayrische Landr. Ⅰ, 7, §. 15, das württemb. Recht sowie das hamburg. Recht, regelmäßig Anspruch auf Honorar gewähren.

Beendigt wird die V. durch Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Vormundes, sowie durch Tod oder Volljährigkeit des Mündels. Meist legen die geltenden Rechte den Erben des Vormundes eine Anzeigepflicht in Ansehung des Todes des Vormundes (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §. 1894), zum Teil sogar noch weitere Verpflichtungen auf, welche verschieden bestimmt sind. Vgl. z. B. Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 1972; Code civil Art. 419, u. a. Außerdem kennt das geltende Recht eine Enthebung des Vormundes von dem Amte, zum Teil, im Anschlusse an das Gemeine Recht, mit Unterscheidung einer Absetzung und einer (mildern) Ersetzung (vgl. z. B. Preuß. Vormundschaftsordnung §. 63), zum Teil ohne eine solche Unterscheidung als Entlassung von Amts wegen und auf Antrag, z. B. Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1974, 1978; Österr. §§. 253, 254; Deutsches §§. 1866 fg. Die Art der Entlassung ist verschieden bestimmt, meist entscheidet endgültig das Gericht ohne Verfahren im ordentlichen Rechtsstreit (so Deutsches Bürgerl. Gesetzbuch), mitunter ist ein solches Verfahren noch zulässig. Nach Code civil Art. 446‒449 entscheidet der Familienrat (s. d.); jedoch bedarf sein Beschluß, wenn der Vormund widerspricht, gerichtlicher Bestätigung. Nach Deutschem Bürgerl. Gesetzbuch kann ein Familienrat auf Wunsch eingesetzt werden. Da er nicht bloß aus Familienvertretern, sondern auch aus dem Amtsrichter besteht, der Obervormundschaftsrichter wäre, also der Amtsrichter hier weniger selbständig ist, tritt der Familienrat im Bürgerl. Gesetzbuch vollkommen an die Stelle des Vormundschaftsgerichts; die Entlassung durch ihn bedarf also keiner Bestätigung (§§. 1860, 1872). Auch die Entlassungsgründe sind nicht gleichmäßig bestimmt, vgl. z. B. Code civil Art. 442 fg.; Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §§. 1886/88. Nach einigen Rechten kann der Vormund bei Eintritt eines Ablehnungsgrundes Entlassung fordern (Bürgerl. Gesetzb. §. 1889).

Das geltende Recht kennt ferner eine V. über Volljährige, und zwar nicht nur über Entmündigte, sondern auch über Gebrechliche. Das Gemeine Recht kennt in beiden Fällen, das Deutsche Bürgerl. Gesetzbuch (§. 1909 gegenüber §. 1896) im letztern nur Pflegschaft. Über gewisse Personen kann auch vorläufige V. stattfinden. (S. Zustandsvormund.) Überwiegend ist dem geltenden Rechte ferner eine sog. befreite V. bekannt. Es werden darunter V. verstanden, bei welchen Vormund oder Vormünder auf Anordnung des Vaters oder der Mutter (Deutsches Bürgerl. Gesetzb. §§. 1852 fg.) oder desjenigen, welcher dem Mündel Vermögen zuwendet, freier gestellt sind, als sonst die Vormünder stehen. Abgesehen von Deutschem Bürgerl. Gesetzbuch und Code civil, kennen diese Rechtsbildung insbesondere Preuß. Vormundschaftsordnung §§. 26, 35, 47, 57‒60; Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §§. 1907,