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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wallner – Wallot

Wallner, Franz, eigentlich Leidesdorf, Schauspieler, Theaterdirektor und Schriftsteller, geb. 25. Sept. 1810 zu Wien, nahm den Namen W. erst an, als er 1830 zur Bühne überging; er kam 1836 an das Josephstädter Theater in Wien, gastierte dann zehn Jahre hindurch und erhielt 1848 nebst seiner Gattin Agnes, geborene Kretzschmar (geb. 22. Dez. 1826 in Leipzig, Pflegetochter Rob. Blums), ein Engagement am Petersburger Hoftheater. 1850 begann W. eine neue Gastspielreise; im folgenden Jahre eröffnete er seine Laufbahn als Theaterdirektor zu Freiburg i. Br. und Baden-Baden mit gutem Erfolge, übernahm 1853 das Stadttheater zu Posen, 1855 das Königstädter Vaudevilletheater in Berlin und eröffnete 1864 an Stelle des letztern das Wallner-Theater, wo er das Lustspiel, das Volksstück und die Berliner Lokalposse pflegte. W. zog sich 1868 von der Leitung seines Theaters zurück; er starb 19. Jan. 1876 zu Nizza. Auf litterar. Gebiete hat sich W. durch Arbeiten über seine Reisen und theatralische Erlebnisse: «Rückblicke auf meine theatralische Laufbahn» (Berl. 1864), «Über Land und Meer» (ebd. 1873) u. s. w. bekannt gemacht.

Wallnister, s. Großfußhühner.

Wallnöfer, Adolf, Sänger (Tenorist) und Komponist, geb. 25. April 1854 in Wien, 1886‒95 Heldentenor am deutschen Landestheater in Prag, seit 1895 Theaterdirektor in Stettin, ist besonders als Wagnersänger sowie als Konzertsänger geschätzt. Von seinen Kompositionen seien genannt: die Chorwerke mit Orchester «Die Grenzen der Menschheit» und «Der Blumen Rache», die Oper «Eddystone» (1889) und über 200 Lieder und Balladen.

Wallnüsse (Walnüsse), s. Nußbaum.

Wallon (spr.-lóng), Henri Alexandre, franz. Historiker und Politiker, geb. 23. Dez. 1812 zu Valenciennes, studierte 1831‒34 in Paris und wurde 1840 von Guizot zu seinem Suppléanten an der Sorbonne ernannt. 1849 in die Gesetzgebende Nationalversammlung gewählt, gehörte er zur Rechten, gab jedoch nach dem Gesetz vom 31. Mai 1851, das das allgemeine Stimmrecht beschränkte, seine Entlassung. Da er mittlerweile 1850 zum Mitglied des Instituts (Académie des Inscriptions) ernannt worden war, widmete er sich ganz der Geschichte und seinem Lehrfache. Seine Hauptwerke beziehen sich auf die Geschichte Jesu und die Evangelien, die er namentlich gegen Renans Schriften vom kath. Standpunkte aus behandelte («Vie de Jésus es son nouvel historien», 1864; «Mémoires sur les années de Jésus Christ», 1858), und auf sein eigentliches Fach, die Geschichte des Mittelalters («Jeanne d’Arc», 2 Bde., 1860; «Richard Ⅱ», 2 Bde., 1864). Seit 1871 gehörte er in der Nationalversammlung dem Centrum an und brachte bei der Verhandlung über die Staatsgewalten das seinen Namen tragende Amendement ein, das an die Spitze der ausübenden Gewalt einen Präsidenten stellte und wodurch 30. Jan. 1875 die Republik begründet wurde. W. trat 10. März 1875 in das Ministerium Mac-Mahons als Unterrichtsminister, welche Stelle er bis 10. März 1876 innehatte. Die jetzige franz. Konstitution ist zum großen Teil ein Werk W.s, weshalb man ihn auch Père de la Constitution und das Werk selbst Constitution W. genannt hat. Als lebenslänglicher Senator wirkt er noch gegenwärtig wesentlich im Sinne der konservativen Partei. W. ist Ehrendekan der Faculté des lettres der Sorbonne und seit 1873 lebenslänglicher Sekretär der Académie des Inscriptions et belles-lettres; als solcher veröffentlichte er in neuerer Zeit viele Lebensbeschreibungen verstorbener Akademiker, die gesammelt u. d. T. «Éloges académiques» (2 Bde., 1883) erschienen. Von seinen Schriften sind noch zu nennen: «Géographie politique des temps modernes» (1839 u. ö.), «L’esclavage dans l’antiquité» (3 Bde., 1847‒48), «La Terreur» (2 Bde., 1873), «Saint-Louis et son temps» (2 Bde., 1875; 3. Aufl. 1887), «Histoire du tribunal révolutionnaire de Paris avec le journal des ses actes» (6 Bde., 1880‒82), «La révolution du 31 mai et le fédéralisme en 1793» (2 Bde., 1886), «Les représentants du peuple en mission en l‘an Ⅱ» (5 Bde., Par. 1888‒90).

Wallōnen, Drogue, s. Ackerdoppen.

Wallōnen, die zur großen roman., speciell aber zur franz. Sprachfamilie zu rechnende Völkerschaft, welche den Landstrich längs der Grenze des german. Sprachgebietes in den südl. Niederlanden, von Dünkirchen bis nach Malmedy, inne und namentlich in dem Ardennengebiet ihren Sitz hat, also Teile der Departements Pas-de-Calais, Nord, Aisne, Ardennes in Frankreich, vorzüglich aber das südl. Brabant sowie die belg. Provinzen Hennegau, Namur, Lüttich, Luxemburg (mit Ausnahme eines deutsch redenden Teils im Osten) und endlich einige Ortschaften um Malmedy in Rheinpreußen bewohnt. Ihre Zahl soll über 2 Mill. betragen.

Wallōnisch, die Sprache der Wallonen, eine franz. Mundart, in der sich jedoch unter allen franz. Volksdialekten mit die meisten german. Sprachüberreste erhalten haben. – Vgl. Grandgagnage, Dictionnaire étymologique de la langue wallone (Lütt. 1847‒50; fortgesetzt von Scheler, Brüss. 1880); Forir, Dictionnaire liégeois-français (2 Bde., Lütt. 1866‒74); Wilmotte, Le Wallon. Histoire et littérature des origines à la fin du ⅩⅧ <sup>e</sup> siècle (Brüss. 1894).

Wallonische Kirche, Waalsche Kerk oder Waalsche Gemeente, die franz.-reform. Kirche in den nördl. Provinzen der Niederlande, wohin die Reformierten aus den wallon. Niederlanden bei der Trennung der Republik flüchteten.

Wallonschmiede, s. Eisenerzeugung.

Wallosīn, s. Fischbeinfabrikation.

Wallot, Paul, Architekt, geb. 26. Juni 1841 zu Oppenheim a. Rh., wurde an der Gewerbeschule in Darmstadt sowie seit 1860 am Polytechnikum zu Hannover gebildet. Im folgenden Jahr besuchte er die Berliner Akademie, dann die Universität in Gießen. Nach Berlin 1864 zurückgekehrt, setzte er bei Gropius, Hitzig und Lucä seine Studien bis 1868 fort, um dann Italien zu besuchen. Noch im selben Jahre begann W. seine Thätigkeit als Privatarchitekt in Frankfurt a. M., wobei er sich mehrfach an öffentlichen Wettbewerbungen erfolgreich beteiligte, erhielt bei der zweiten Konkurrenz zum Reichstagsgebäude in Berlin den ersten Preis (1882) und wurde auch mit der Ausführung (1884‒94) betraut (s. Tafel: Parlamentsgebäude Ⅰ). Auf verschiedenen Reisen durch Deutschland, England, Italien, den Orient (1891) erweiterte er den Kreis seiner Studien. Aus seinem Atelier ging eine Anzahl hervorragender jüngerer Kräfte hervor. Seit 1882 lebte W. in Berlin, wurde bei der Einweihung des Reichstagsgebäudes im Dez. 1894 zum Geh. Baurat ernannt und bald darauf als Professor an der Akademie der Künste und an der Technischen Hochschule nach Dresden berufen.