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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wechsel (im Handel)

Bemerkenswert ist, daß dieses ganze Wechselgeschäft ursprünglich lediglich in den Händen der Wechsler blieb. Erst im 16. Jahrh. kamen die Kaufleute dahinter, daß sie sich unter Umgehung der Wechsler und ohne Einzahlung bei einem solchen der auf den Wechselmessen ausgebildeten Formen bedienen konnten, um ohne Umtausch und ohne Überweisung von Geld zu zahlen. Wenn A an B für erhaltene oder zu erhaltende Ware zu zahlen, aber von C zu fordern hatte oder C ihm Kredit geben wollte, wies A den C in der bisher üblichen Form an, an B zu zahlen; B hieß nun der Remittent, weil er dem Trassanten Ware oder Geld oder auch Wechsel als Gegenleistung, Valuta, remittierte oder remittiert hatte. Aus der stets üblich gewesenen Anweisung, an den Einzahler oder den Präsentanten oder dessen Bevollmächtigten zu zahlen, entwickelte sich die Anweisung, an den Trassanten oder die von ihm bezeichnete Person oder deren Order zu zahlen; aus der Girata, deren sich schon auf den Messen häufig die Kaufleute selbst, nicht bloß die campsores bedient hatten, das Indossament (s. d.), das auch Indosso, Scontro, Aval, Order, Endossement genannt wurde, indem es üblich wurde, daß der Wechselinhaber, der den Trassaten anweisen wollte, nicht an ihn, sondern an einen andern Inhaber zu zahlen, seine Unterschrift auf den Rücken, en dos, des Briefes setzte, auf dem nun für die Adresse und das Accept kein Raum mehr blieb, so daß man beides auf die Vorderseite brachte. Der Name W., cambium, für die Urkunde blieb, obwohl von einem thatsächlichen Umtausch nicht mehr die Rede war. An die Stelle des Schuldbekenntnisses des campsor in der Urkunde: ex causa cambii, permutationis (aus dem Rechtsgrund des Münzempfangs, Münztausches), trat die Formel: Valuta erhalten oder Valuta in Rechnung. Die Wirkung des Trassierens und der Girata wurde beibehalten. Diese Entwicklung blieb nicht ohne Widerstand seitens der campsores, deren Wechselgeschäft samt den Wechselmessen dadurch mit dem Ende des 17. Jahrh. lahm gelegt wurde. Sie bewirkten zeitweilig das Verbot der Girata durch den Kaufmann, des wiederholten Giros, des Ziehens an Order. Im Laufe des 17. Jahrh. hat sich indessen diese Entwicklung des W. aus dem auf dem wirklichen Münzumtausch beruhenden W. der campsores zu dem kaufmännischen Orderwechsel vollständig vollzogen. Seine erste Regelung in der Form einer Gesetzeskodifikation hat das neue Rechtsinstitut in Frankreich durch die Ordonnanz Colberts vom J. 1673 erhalten, welche im wesentlichen auch dem Wechselrecht des Code de commerce (Art. 110 fg.) von 1807 zu Grunde liegt. Demselben eigentümlich und auf den Ursprung aus dem Kampsorenwechsel hinweisend ist, daß für den W. die Leistung einer Deckung, Valuta vorausgesetzt, die Valutaklausel im W. sowohl als im Indossament als wesentlich gefordert wird, daß diese Tratte die Verschiedenheit des Ausstellungs- und des Zahlungsortes (distancia loci, 1894 aufgehoben) und der W. überhaupt die Orderklausel fordert. Nicht unwesentlich abweichend davon hat sich schon im 17., dann im 18. und 19. Jahrh., abschließend durch die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (s. Wechselordnung), der W. in Deutschland ausgebildet, wo schon vor der Ordonnanz Colberts von 1673 einzelne größere Handelsstädte (Hamburg 1603, Nürnberg 1654, Augsburg 1665, Leipzig 1682) ein geschriebenes Wechselrecht besaßen, und das Wechselrecht namentlich im Preuß. Landrecht von 1794 (Teil II, Tit. 8, §§. 713-1249) eine noch jetzt interessante und bedeutsame Kodifikation erfuhr. Hier hat der kaufmännische Orderwechsel die Form des Wechselbriefes, d. h. der Anweisung des Trassanten an den Trassaten zu zahlen, beibehalten, als einer von dem Verpflichtungsgrund losgelösten, selbständigen Urkunde, die, wenn sie den vorgeschriebenen strengen Formen entspricht, den Wert in sich selbst trägt, indem sie, ohne Rücksicht darauf, ob und welcher civilrechtlicher Verpflichtungsgrund vorhanden ist, jeden dritten gutgläubigen, vorschriftsmäßig legitimierten Inhaber berechtigt, von jedem, der seine Unterschrift auf der Urkunde in verpflichtender Weise als Aussteller, Acceptant, Indossant hergegeben hat, Zahlung der in der Urkunde verschriebenen Summe wie aus einem einseitigen Versprechen zu fordern. Darin besteht noch heute das jurist. Wesen des gezogenen wie des eigenen W. (s. unten), daß aus der in bestimmter Form ausgestellten Urkunde an sich und unabhängig von dem zu Grunde liegenden Geschäft (Darlehn, Kauf, Schenkungsversprechen u. s. w.) der Anspruch auf Zahlung zusteht und mit der Urkunde übertragen wird.

II. Die ursprüngliche Form des W.,in welcher der campsor sich selbst zur Zahlung der eingezahlten Summe verpflichtete (s. oben), tritt in der Entwicklungsgeschichte des W. gegen den Wechselbrief ganz zurück. Im 16. Jahrh. gewann er zeitweilig dadurch Bedeutung, daß er zur Umgehung des Verbots des kanonischen Rechts, Zinsen von Gelddarlehen zunehmen, benutzt wurde, indem der Darlehnsnehmer in dieser Form einen Verpflichtungsschein mit der alten Wechselklausel ausstellte, in welcher die Summe die verbotenen Zinsen enthielt. Als diese cambia sicca, trockne W., genannten Urkunden als Wucherwechsel verboten wurden (1570 durch Papst Pius V.), wurde zu gleichem Zweck der Wechselbrief benutzt, den der Darlehnsnehmer auf sich selbst für den Darlehnsgeber ausstellte, also in der jetzigen Form des trassiert eigenen W. (s. Trassieren), oder den der Darlehnsgeber für sich auf den Darlehnsnehmer zog, wobei dann regelmäßig Ausstellungsort und Zahlungsort derselbe war, die Klausel des Empfanges einer bestimmten Summe vermieden wurde. Dies führte dahin, daß auch solche sog. Platzwechsel (s. d.), W. ohne die Empfangsklausel, und W., die nicht auf eine bestimmte nahe Zeit ausgestellt waren, verboten wurden.

Diese beiden ursprünglichen Formen des W., der eigene, trockne W. (Verpflichtungsschein) und der Wechselbrief (Anweisungsform), der sog. gezogene W., die Tratte, sind auch die Formen des modernen W. der Deutschen und Österr. Wechselordnung.

1) Der eigene, trockne W. (frz. billet à ordre; engl. promissory note, note of hand) hat gesetzlich folgende Form:

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Leipzig, den 1. April 1895.

Am 1. Juli d. J. zahle ich gegen diesen meinen (Sola-)Wechsel an Herrn A (oder dessen Order) die Summe von 100 Mark.

B (Unterschrift des Ausstellers).

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Wesentlich ist die Bezeichnung als W. (Wechselklausel, s. d.), die Angabe der zu zahlenden Geldsumme (s. Wechselsumme), die Angabe der Person, an welche oder an deren Order zu zahlen (s. Remittent), die Angabe der Zahlungszeit (Verfall), die Unterschrift des Ausstellers (s. Wechselaussteller), das Datum einschließlich des Ortes der Ausstel-^[folgende Seite]