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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Wendekreise; Wendekultivator; Wendel; Wendelin von Speyer; Wendelstein; Wendelstinus; Wendeltreppe; Wenden

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Wendekreise - Wenden (Volksstamm)

Gefieder von grauer Grundfarbe, mit gewässerten dunklern Zeichnungen, Kletterfüßen, kurzem, geradem und spitzigem Schnabel, der Mitte April kommt, mit Ende des Sommers nach dem Süden zieht, von Insekten, besonders von Ameisen, lebt und seinen Namen von den Grimassen hat, mit denen er den Hals dreht und wendet, so daß der Schnabel nach hinten steht. Der W. läßt sich leicht zähmen, ist aber still und träge. Das Nest befindet sich in Baumhöhlen und das Gelege besteht aus 8-11 reinweißen Eiern.

Wendekreise, Tropen oder Tropici, die beiden dem Äquator parallelen Kreise der Himmelskugel und der Erdkugel, die von dem Äquator (des Himmels und der Erde) 23° 27' nördlich und südlich entfernt sind. Die W. des Himmels haben ihren Namen daher, weil die Sonne, sobald sie auf ihrer jährlichen Bahn einen derselben erreicht hat, gleichsam umwendet oder umkehrt und sich dem Äquator wieder nähert, nachdem sie sich von demselben nördlich oder südlich entfernt hatte. Die W. der Erde, von denen man den nördlichen den Wendekreis des Krebses, den südlichen aber den Wendekreis des Steinbocks nennt, weil die Sonne in den Sternbildern gleichen Namens steht, wenn sie wendet, bilden die Grenzen der heißen Zone und gehen durch alle diejenigen Punkte der Erdoberfläche, in denen die Sonne einmal des Jahres, und zwar zur Zeit ihrer größten südl. oder nördl. Entfernung vom Äquator, im Zenith steht.

Wendekultivator, ein dem Exstirpator ähnliches Instrument zur Tieflockerung des Bodens bei der Dampfkultur. Der W. ist nicht wie der Balancierpflug (s. Pflug) für die Arbeit nach beiden Richtungen eingerichtet, sondern wird in sehr sinnreicher Weise durch die Maschine selbst, am Ende des Feldes angekommen, umgewendet.

Wendel, Sankt, preuß. Stadt, s. Sankt Wendel.

Wendelin von Speyer, Buchdrucker, s. Johann (von Speyer).

Wendelstein, Gipfel des Zeller Gebirges in den Altbayrischen Alpen (s. Ostalpen), zwischen dem Inn und dem Schliersee, 1840 m hoch, aus Kalkstein bestehend. Der Gipfel, der eine prachtvolle Aussicht gewährt, trägt eine Kapelle, das geräumige Wendelsteinhaus (1724 m), hat meteorolog. Station und Telephon. Eine Bergbahn von Aibling aus ist geplant. - Vgl. Edelmann, Der W. (Innsbr. 1887).

Wendelstinus, Gegner Luthers, s. Cochlaeus.

Wendeltreppe, im Bauwesen, s. Treppen.

Wendeltreppe (Scalaria), ein Kammkiemergeschlecht, das aus etwa 100 lebenden, in allen Meeren vorkommenden und aus fast ebenso vielen vom Jura an auftretenden, im Tertiär besonders stark entwickelten fossilen Arten besteht. Die Schalen sind turmförmig mit starken Längsrippen. Die echte W. (Scalaria pretiosa Lam.) wird über 5 cm hoch, ist weiß mit stark ausgeprägten Rippen, die einzelnen Umgänge berühren sich nicht; sie kommt in den Meeren Ostindiens vor. Die unechte W. (Scalaria communis Lam.) wird 3 cm lang, ist schmutzigweiß und in allen europ. Meeren gemein.

Wenden oder über Stag gehen, ein Manöver beim Kreuzen (s. d.), wobei das Beim Winde (s. d.) segelnde Schiff durch den Wind hindurch dreht und dann, nachdem die Rahen (s. d.) rundgebraßt (s. Brassen) sind, über den andern Bug (s. d.) weiter segelt. Bei flauem Wind oder hohem Seegang ist das W. nicht ausführbar, dann muß der Umweg des Halsens (s. d.) gemacht werden. Beim W. braucht das Schiff nur durch etwa 12 Strich (s. d.) zu drehen, beim Halsen dagegen durch 20 Strich, und verliert dann noch wesentlich Luv (s. d.), während Schiffe und namentlich Boote mit Schratsegeln beim W. durch das Aufschießen (Hineinlaufen) in den Wind meist noch Luv gewinnen.

Wenden, in älterer Zeit bei den deutschen Stämmen allgemeine Bezeichnung der slaw. Völker; gegenwärtig versteht man darunter nur die Slawen der Ober- und Niederlausitz, die sich selber Serben (Serbjo) nennen und danach auch Sorben (s. d.) genannt werden. Nicht zu verwechseln sind damit die Winden oder W. in Österreich (s. Slowenen). Am Anfang der geschichtlichen Überlieferung reichte das Gebiet der sorbischen Stämme ungefähr von der Saale bis zum Bober, ging nördlich etwa bis zum Parallelkreis von Berlin und südlich bis an das Lausitzer und Erzgebirge. Jetzt ist das wend. Sprachgebiet beschränkt auf ein Viereck, das ziemlich gut bestimmt wird durch die Diagonalen Löbau-Lübbenau und Bischofswerda-Pinnow (etwa 3300 qkm; s. die Karte der Deutschen Mundarten. Der südl., kleinere Teil davon gehört zu Sachsen (Kreishauptmannschaft Bautzen), der nördliche größere zu Preußen (Provinzen Schlesien und Brandenburg). Das Gebiet der W. ist völlig von Deutschen umgeben und hat keinen Zusammenhang mit andern slaw. Sprachgebieten. Das Sorbische gehört zur westl. Abteilung der slaw. Sprachen und zerfällt in zwei stark voneinander abweichende Dialekte: Obersorbisch und Niedersorbisch, deren Grenze ungefähr durch eine Linie von Senftenberg über Spremberg nach Muskau gegeben wird. Nach der Volkszählung von 1890 hatten in Preußen 65254 Personen ihre Umgangssprache als wendisch, 5427 als wendisch und deutsch angegeben. In Sachsen wurden (1885) 49916 W. gezählt. Die Gesamtzahl darf daher (1895) auf 120000 angenommen werden, wovon reichlich 40 Proz. auf die Niederwenden (Niedersorben) kommen. Der Religion nach ist die Mehrzahl evangelisch-lutherisch, nur etwa 12000 Obersorben sind römisch-katholisch (im Südwesten des Sprachgebietes, sechs Parochien in Sachsen, eine in Preußen). Eine wend. Litteratur begann unter dem Einfluß der Reformation und ging bis 1840 wenig über den Kreis der kirchlich-religiösen und praktischen Bedürfnisse des Bauernstandes, aus dem fast das ganze Volk besteht, hinaus: von da an, im Zusammenhang mit dem erwachenden Nationalbewußtsein, beginnt man sich weitere Ziele zu stecken, namentlich unter den Obersorben. Der eifrigste Förderer aller auf Hebung der Sprache, der Litteratur und des Nationalbewußtseins gerichteten Bestrebungen war Joh. Ernst Schmaler (geb. 1816, gest. 1884) in Bautzen. Seit 1848 giebt der litterar. Verein Maćica serbska (1847 in Bautzen gegründet, seit 1880 mit einer Abteilung für die Niederlausitz in Cottbus; s. Matica) eine Zeitschrift "Časopis maćicy serbskeje" heraus, die ziemlich alles enthält, was nach wissenschaftlicher Richtung in sorbischer Sprache geschrieben ist. Der Belletristik speciell sind gewidmet die Zeitschriften "Łužičan" (1860-77) und "Łužica" (1882 fg.). Außerdem erscheinen je eine Wochenschrift in Bautzen ("Serbske Nowiny") und Cottbus ("Serbski Casnik"). Als Dichter sind am bekanntesten Andreas Seiler ("Handrija Zejlerja Zhromadźene spisy", 4 Bde., Bautzen 1883-91) und J.^[Jakub] Ćišinski (Jakob Bart). Für die religiöse Lektüre sorgt je ein evang.