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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ägypten
Hauptverkehrsländer 1894 (Wert in ägypt. Pfd.):
Verkehrsländer
Einfuhr
Ausfuhr
Großbritannien........ 3 183231 6517946
Türkei............ 1812 837 342391
Frankreich.......... 886352 889205
Österreich-Ungarn....... 747 353 496 292
Britische Kolonien...... 607 297 65169
Aelgien........... 375201 113365
Rußland........... 373022 1823676
Italien........... 337967 587145
Deutschland.......... 230942 257852
Vereinigte Staaten von Amerika 49 970 327 981
Haupteinfuhrartikel waren 1894: Baumwoll-
warcn (1484 665 Pfd.), feidene, wollene, leinene
und andereWebwaren(1177 098), Bauholz (507 763),
Tabak und Cigarren (498 883), Kohle (492103), Eifen-
und Stahlwarcn (462 941), Strumpfwaren, Kleider
u. ähnl. (371861), Petroleum und Öl (289960),
Maschinen (287 258), Wein, Bier und Spiri-
wosen (283 232), Kaffee (273462), Früchte und Kon-
ierven (241234), Indigo (200959): Hauptausfuhr-
artikcl: Baumwolle (8181170), Baumwollsamen
(1457 729), Bohnen (681046), Zucker (629293),
Zwiebeln (160668), Weizen (110 936 Pfd.).
Verkehrswesen, über den Schiffsverkehr f.
Alexandria. Das Eisenbahnnetz hat sich in der
Zeit vom 1. Jan. 1890 bis dahin 1895 von 1541 km
auf 2027 km, also um etwa 31 Proz., vergrößert,
so daß 1. Jan. 1895 auf je 100 hkm Flächet km
und auf je 10000 E. 3 km Eisenbahnen entfielen.
Die Verlängerung des oberägypt.Netzes von Akascheh
bis Abufatmeh (40 engl. Meilen von Dongola ent-
fernt) wurde 1896 von der Regierung in Angriff
genommen.
Geschichte. Der vorzüglichen Verwaltung des
Premierministers Riaz Pascha, dessen finanzieller
Ratgeber seit dem 25. Aug. 1889 der Engländer
E. Palmer wurde, gelang es, die Finanzverbältnisse
A.s immer sicherer zu gestalten. Durch Konvertierung
der ägypt. Staatspapiere wurde Anfang 1891 eine
Verringerung der Steuern im Betrage von 640000
ägypt. Pfd. ermöglicht. Trotzdem sind die ackerbau-
treibenden Teile der Bevölkerung, die einzigen Pro-
duzenten des Landes, noch immer viel zu hoch be-
steuert. Die Domänen werden noch immer nicht
rationell bewirtschaftet, da die Betriebe zu grost sind,
und das alte System der Naturalzahlung an die
Arbeiter weiter besteht. Im Dez. 1891 trat Niaz
Pascha in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde
Mustapha Febmi Pafcha, der dem engl. Einfluß in
noch höherm Gradezugänglich war. Aber7.Ian.1892
starb plötzlich der Chediv Tewsik. Ihm folgte sein
jugendlicher Sohn Abbas II. Hilmi (s. d.), der in Wien
und gewann nun auch auf seine Politik großen Ein-
fluß. Die erste Regierungshandlung' des neuen
Herrschers war die Aufhebung der 1885 den in Ll.
ansässigen Europäern auferlegten Gewerbesteuer.
Bald geriet er mit dem engl. Befehlshaber Grcnfell
in Konflikt, der feinen Abschied nehmen mußte und
durch den Oberst Kitchener ersetzt wurde. Im Jan.
1893 entließ der Chediv, ohne die Engländer zu
fragen, den Premierminister und ernannte an seiner
Stelle den franzosenfreundlichen Fachri Pascha.
Aber durch die energischen Vorstellungen des engl.
Residenten Lord Cromn wurde er gezwungen, ihn
wieder zu entlassen, ehe er noch zu amtieren begon-
nen batte, und nun übernahm Niaz Pascha wieder
die Leitung der Geschäfte. Im Juli des I. 1892
stattete der Chediv dem Sultan einen Besuch in
Konstantinopel ab, wurde aber nur als einfacher
Statthalter, nicht als Souverän behandelt. Um
sich des immer mächtiger werdenden engl. Einflusses
zu erwehren, begünstigte die Regierung die nationale
Opposition, die sich im Dez. 1893 in einer scharfen
Kritik des (^0N86iI leZiMtik gegen das von Lord
Palmer entworfene Budget äußerte. Man ver-
langte die Herabsetzung der Gehälter der europ.
Beamten, Aufhebung der Stadtverwaltung von
Alerandria und des Bureaus zur Befreiung von
Sklaven fowie Verminderung des Budgets des
Kricgsministeriums und verweigerte die Zahlung
der Beiträge, die England zur Vermehrung seines
Occupationsheers forderte. Doch konnte die Regie-
rung nur unwesentliche Zugeständnisse machen. Am
April 1894 trat der Armenier Nubar Pascha an die
Spitze des Ministeriums. Die antiengl. Tendenzen
des Chedivs begannen allmählich zu erlahmen, da
ihm die voll Frankreich erwartete Unterstützung nicht
zu teil wurdet besonders als ihn bei einem Konflikt
mit dem engl. Sirdar Kitchener, durch den er den
nationalgesinnten Kriegsminister Mahar Pascha zu
entlasse:' gezwungen wurde, diese Macht gänzlich im
Stiche ließ. Nun traten die Engländer mit dem
Plane hervor, in Oberägypten bei der Nilinsel Philä
ein gewaltiges Wasserreservoir anzulegen, das an-
geblich zur Hebung der Landwirtschaft, in Wahrheit
aber zur Verstärkung ihrer polit. und militär. Po-
sition dienen sollte. Aber der O0Q86Ü iLFiLlatik
verweigerte die dazu nötigen Mittel. Dann wollte
man den ägypt. Garantiefonds in Anspruch nehmen.
Aber die Mächte versagten ihre dazu erforderliche
Einwilligung, zumal sich in der ganzen gebildeten
Welt ein Sturm der Entrüstung gegen diefen Plan
erhob, durch den die Infel Philä mit ihren kostbaren
Altertümern dem Untergang geweiht gewesen wäre.
Im Herbst 1894 aber gelang es den Engländern,
eine neue wichtige Position zur Vertretung ihrer
Interessen zu gewinnen. Während der Abwesenheit
Nubar Pasckas, der zur Herstellung seiner Gesund-
heit in Deutschland weilte, trat der Engländer Gorst
als Berater in das Ministerium des Innern. Er
unternahm alsbald eine Reise durch das Land, um
die Gesinnung der Verwaltungsbeamten zu prüfen,
und veranlaßte die Entsetzung zahlreicher national-
gesinnter Männer. Nubar Pascha nahm im Nov.
1895 seine Entlassung. An seine Stelle trat Mu-
stapha Fehmi Pascha, der letzte Ministerpräsident un-
ter Tewfik, ein gefügiges Werkzeug des Lord Cromer.
Im Nov. 1895 wurde die gcolog. Erforfchung des
Landes, die sich mit ^ Mil'l. M. Aufwand auf drei
Jahre erstrecken soll, beschlossen. Eine im selben
Monat geschlossene Konvention zwischen England
und>Ä. setzte die gänzliche Abschaffung der Sklaverei
unter Androhung harter Strafen fest. Im Sudan
gelang es den Engländern, zunächst immer nur kleine
Erfolge gegen die Mahdisten zu erringen. Als aber
! nach dem Tode des Mahdi das Reich unter seinem
! schwachen Nachfolger mehr und mehr in Verfall
geriet, schien der Zeitpunkt gekommen, die verlorenen
! Provinzen wiederzugewinnen. Im Frühling 1896
brach die engl.-ägypt. Armee unter dem Sirdar
Kitchencr von Wadihalfa gegen Dongola auf, errang
6. Juni einen ersten Erfolg bei Firket und besetzte
nach einem abermaligen glücklichen Gefecht bei El-
Hasir (19. Sept.) Dongola ohne Widerstand.