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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ettenheimer Lokalbahn - Evangelien

sich die Bewegung nicht nur den Aufgaben der sittlichen Erziehung, sondern auch den socialen Fragen zugewandt. Ebenso hat sie sich der Frauenfrage und der Weltfriedensbestrebungen nachdrücklich angenommen. Zu den Führern der Bewegung zählen in den Vereinigten Staaten William Mackintire Salter und Felix Adler, in England Stanton Coit, in Deutschland der Direktor der Berliner Sternwarte, Professor W. Förster (s. d., Bd. 6) sowie sein Sohn F. W. Förster (in Freiburg), Professor Fr. Jodl (in Wien) und Professor G. von Giźycki (in Berlin, gest. 3. März 1895). Als Organ der E. B. gilt auch «The International Journal of Ethics» (Philadelphia, seit 1891), herausgegeben von einem internationalen Komitee, dem von deutscher Seite Jodl angehört. In Deutschland erscheint seit 1893 die Zeitschrift «Ethische Kultur» (Berlin), zuerst hg. von G. von Giźycki, nach dessen Tode von F. W. Förster. - Vgl. Brasch, Die Ziele der E. B. (Lpz. 1893).

Ettenheimer Lokalbahn, von der Schiffbrücke bei Rheinau über die Station Orschweier der Bad. Staatsbahnen und Ettenheim nach Ettenheimmünster in Baden, 15,9 km lang und 22. Dez. 1893 eröffnet. Die Spurweite beträgt 1 m.

*Ettingshausen, Konstantin, Freiherr von, starb 1. Febr. 1897 in Graz.

Eucaīn, ein synthetisch hergestelltes Medikament, der Methylester einer benzoylierten Oxypiperidincarbonsäure. E. ist ein Ersatzmittel des Cocains, dessen lokal-anästhesierende Wirkung es besitzt.

Eucalyptōl, aus dem Eucalyptusöl (s. d., Bd. 6) dargestellte wasserhelle Flüssigkeit vom Siedepunkt 175°, die zu mediz. Zwecken Verwendung findet.

Eudoxīn, in der Medizin gebräuchlicher Name für das Wismutsalz des Tetrajodphenolphthaleïns. Man benutzt es gegen Magen- und Darmerkrankungen.

Euerdorf, Marktflecken im Bezirksamt Hammelburg des bayr. Reg.-Bez. Unterfranken, 5 km von Kissingen, an der Fränkischen Saale, Sitz eines Amtsgerichts (Landgericht Schweinfurt), hat (1895) 834 E., Postexpedition, Telegraph, schöne got. Kirche, Distriktsspital; Landwirtschaft und Weinbau.

*Eugen, Herzog von Württemberg. Sein Sohn, Herzog Wilhelm Nikolaus, der erste Agnat des Königshauses, starb 6. Nov. 1896 in Meran.

Eulenburg, August, Graf zu, preuß. Oberhof- und Hausmarschall, geb. 22. Okt. 1838 zu Königsberg, Sohn des Landhofmeisters im Königreich Preußen, Grafen Botho Heinrich zu Eulenburg-Wicken, wurde 1858 Lieutenant im 1. Garderegiment, war 1860-62 Attaché der preuß. Expedition nach Ostasien, 1865-68 persönlicher Adjutant des Kronprinzen, 1868-83 Kammerherr und Hofmarschall desselben, wurde 1871 zum Vice-Oberceremonienmeister, 1883 zum Oberceremonienmeister und 1890 zugleich zum Oberhof- und Hausmarschall des Kaisers ernannt. Auch ist er Generallieutenant à la suite der Armee und Ceremonienmeister des Ordens vom Schwarzen Adler.

*Eulenburg, Botho, Graf zu. Im Okt. 1894 traten zwischen ihm, der damals als preuß. Ministerpräsident von Reichs wegen entschiedene Maßregeln gegen die Socialdemokratie befürwortete, und dem Reichskanzler Grafen Caprivi Meinungsverschiedenheiten hervor, die schließlich dazu führten, daß der Kaiser 26. Okt. beider Entlassungsgesuch genehmigte.

Eulenburg, Philipp, Graf zu, Diplomat, geb. 12. Febr. 1847 zu Königsberg i. Pr., trat während des Krieges 1866 in das Regiment der Garde du Corps, wurde 1868 zum Offizier befördert und machte als solcher den Krieg gegen Frankreich mit. Darauf unternahm er 1871-72 Reisen im Orient und studierte 1872-75 in Leipzig und Straßburg die Rechte, arbeitete dann als Referendar beim Kreisgericht in Neuruppin, trat 1877 in den diplomat. Dienst über, wurde 1879 Botschaftssekretär in Paris, 1881 in München, 1886 Legationsrat, 1888 preuß. Gesandter in Oldenburg und Braunschweig, 1890 in Stuttgart und 1891 in München. 1894 wurde er zum deutschen Botschafter in Wien ernannt. E. ist auch Dichter und Komponist. Er veröffentlichte: «Skaldengesänge. Dichtungen» (Braunschw. 1892), «Das Weihnachtsbuch» (Stuttg. 1892), «Erich und Erika und andere Erzählungen für Kinder» (Münch. 1893), «Abenderzählungen, Märchen und Träume» (Stuttg. 1894), sowie zahlreiche Lieder und Balladen.

*Euphon. Ein dem von Chladni erfundenen ähnliches Instrument baute Chr. Friedr. Quandt in Jena, nur ersetzte er die Glasröhren durch 12-13 cm breite Glasstreifen, welche angestrichen damit verbundene Glasgabeln zum Erzittern und Tönen brachten. Dieses Instrument, das nicht zu allgemeinerer Verwendung kam, hatte den Umfang G-d<sup>3</sup>.

*Euphratbahn. Unterm 22. Mai 1893 wurde die Genehmigung zum Bau der 450 km langen Verlängerung der Beirut-Damaskus-Bahn bis Biredschik am Euphrat erteilt zum Anschluß an die beabsichtigte Weiterführung von Konia über Biredschik und Diarbekr nach Bagdad; die Baupläne sind 2. Aug. 1895 der türk. Regierung vorgelegt worden.

Euskirchener Kleinbahnen, dem Kreis Euskirchen (Rheinprovinz) gehörige, 1. März und 11. Aug. eröffnete schmalspurige (1 m) Eisenbahnen (57,6 km) von Liblar nach Euskirchen und von Arloff nach Mülheim, deren Baukosten 1960000 M. betragen.

*Evangelien. Neue Probleme sind der Evangelienforschung gestellt durch zwei neuere handschriftliche Entdeckungen, deren bedeutendere von zwei Engländerinnen, Mrs. Gibson und Mrs. Lewis, Schwestern, auf dem Sinaikloster gemacht wurde. Sie fanden im Febr. 1892 hier eine sog. Palimpsesthandschrift der vier E., unter der Aufschrift «Die getrennten E.» (im Gegensatz zu deren Zusammenarbeitend im Diatessaron des Tatianus, s. Evangelienharmonie, Bd. 6), die sie sofort photographierten. Bald darauf begaben sie sich in Begleitung der drei Gelehrten Bensly, Harris und Burkitt wieder nach dem Sinai, um hier im Febr. 1893 die Handschrift genau zu kopieren. Sie erschien 1894 im Druck («The four Gospels in Syriac transscribed from the Sinai Palimpsest», Cambridge 1894). Nicht lange nachher folgte eine vollständige engl. Übersetzung (A. Smith Lewis, «A translation of the four Gospels from the Syriac of the Sinaitic palimpsest», Lond. 1894). Der syr. Text dieser Handschrift erwies sich als nahe verwandt dem des sog. Curetonschen Syrers (einer schon länger bekannten syr. Übersetzung), jedoch als älter, und wahrscheinlich sogar auch älter als Tatianus. Am meisten Aufsehen erregte der Wortlaut von Matth. 1, 16: «und Joseph, dem die Jungfrau Maria verlobt war, zeugete Jesum», womit andere Abweichungen in der Geburtsgeschichte in Verbindung stehen. Diese alte Textgestaltung legt den Schluß nahe, daß Genealogie und Geburtsgeschichte ursprünglich nicht zusammengehörten, bei der Verbindung aber der Schluß der Genealogie, der ursprünglich lautete: «und Joseph zeugte Jesum», Änderungen erfuhr, die dann in unserm kanoni-^[folgende Seite]