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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Milchsterilisation
Kühler und die Milchkannen Wasserdampf getrieben wird, bevor derselbe in die Heizschlange geleitet wird, mittels welcher die Milch angewärmt wird. Die Kannen (Fig. 3) müssen dazu in ihrem Deckel zwei Öffnungen haben, von deren einer aus, in welche der Dampf geleitet wird, eine Röhre bis dicht über den Boden der Kanne reicht. bei diesem Bitterschen Verfahren werden sämtliche pathogenen Keime und ein großer Teil der Gärungserreger abgetötet, und die Milch ist bei einer Temperatur von 15° drei bis vier Tage haltbar, während Farbe, Geruch und Geschmack der rohen Milch völlig unverändert bleiben. Die Kosten, welche durch das Pasteurisieren verursacht werden, sind sehr gering, sie betragen pro Liter etwa 1 Pf., so daß auch in dieser Hinsicht die pasteurisierte Milch mit der rohen Milch konkurrieren kann.
^[Abbildung]Fig. 1.
^[Abbildung]Fig. 2.
^[Abbildung]Fig. 3.
Da nach den frühern unvollkommenen Methoden des Pasteurisierens nichts oder wenig erreicht wurde, indem einmal die Temperatur von 70° C. viel zu kurze Zeit einwirkte, andererseits sofort wieder eine nochmalige Infektion der Milch mit Keimen vom Kühler und den Kannen her erfolgte (bei der Art des einfachen Reinigens mit Wasser, die in Milchwirtschaften üblich ist, ist es unmöglich, die kolossale Menge von Bakterien, welche sich in den in den Kannen und auf dem Kühler zurückgebliebenen Resten von Milch entwickelt haben, zu entfernen), so verzichtete man darauf, die Eigenschaften der rohen Milch zu bewahren, und versuchte, die Milch dadurch keimfrei zu machen, daß sie in Flaschen mit Patentverschluß, wie er bei Bierflaschen üblich ist, 30 Minuten bis 1 Stunde auf 100-103° C. erhitzt wird, welches Verfahren als partielle Sterilisation bezeichnet wird. Dieses Erhitzen geschieht gewöhnlich mit Wasserdampf in Desinfektionsöfen, die leicht für die M. umzuändern sind. Die Flaschen werden mit lose aufgelegtem Verschluß in den Ofen gestellt. Darauf wird der Ofen angeheizt. Hat die Maximaltemperatur etwa 5 Minuten eingewirkt, so werden die Flaschen herausgenommen, fest verschlossen und dann noch 1/2-1 Stunde auf der Temperatur von 100 bis 103° gehalten. Dieses Herausnehmen der Flaschen, um sie fest zu verschließen, ist beim Großbetrieb störend, und es hat Gronwald einen Ofen konstruiert, in dem der definitive Verschluß der Flaschen ohne Öffnen des Ofens durch eine außen angebrachte Vorrichtung bewirkt werden kann. Durch dieses Sterilisieren werden alle pathogenen Keime sicher abgetötet, ferner die Bakterien der Milchsäuregärung, und wenn das Erhitzen eine Stunde gewährt hat, auch die Buttersäurebacillen. Dagegen werden die widerstandsfähigen Sporen der Heubacillen, welche ein fünf- bis sechsstündiges Erhitzen auf 100° ertragen, nicht beeinträchtigt, so daß also gerade die Keime, welche durch ihre Toxine den Säuglingen verderblich werden, zurückbleiben. Diese entwickeln sich dann, da sie durch die Stoffwechselprodukte der Milch- und Buttersäurebakterien nicht beeinträchtigt werden, sehr reichlich in der partiell sterilisierten Milch. Man hat versucht, durch sog. Vorkeimen oder Vorwärmen bessere Resultate zu erzielen. Dabei wird die Milch zuerst auf 80° erhitzt, dann mehrere Stunden bei 30° gehalten und darauf 30 Minuten auf 100° gebracht. Der Sinn dieses Verfahrens ist der, daß die widerstandsfähigen Sporen auskeimen und durch das andauernde zweite Erhitzen dann die Wuchsformen der Bakterien abgetötet werden. Es ist also hier das Princip der fraktionierten Sterilisation eingeführt. Allein es gelingt nicht einmal, im Laboratorium unter Beobachtung aller erforderlichen Vorsichtsmaßregeln durch intermittierendes Erhitzen absolute Sterilisation zu erlangen, um wieviel weniger dann in Fabriken bei häufig irrationellen Betrieben. Durch die partielle Sterilisation ist also eine absolut keimfreie Milch nicht zu erzielen, und es sind daher die Bezeichnungen "keimfreie Dauermilch", welche häufig der nach diesem Verfahren sterilisierten Milch aufgedruckt werden, zu verbieten, da sie das Publikum irreführen, welches glaubt, in dieser Milch ein vollständig ungefährliches, beliebig lange haltbares Präparat zu besitzen. (S. auch Auffütterung der Kinder.) Wird die partiell sterilisierte Milch bei niederer Temperatur, unter 15° C., aufbewahrt, so hält sie sich allerdings längere Zeit, und eine Entwicklung der so gefährlichen Heubacillen ist nicht zu befürchten. Den gleichen Effekt erzielt man aber auch durch ein geeignetes Pasteurisierverfahren, und man hat bei letzterm außerdem den Vorteil, daß der Geruch, Geschmack und das Aussehen der rohen Milch bewahrt ist, in deren Intaktheit das Publikum mit Recht ein Kriterium der guten Beschaffenheit der Milch sieht, während das bei der partiell sterilisierten Milch nicht der Fall ist, und endlich wird die Milch durch die partielle Sterilisation bereits beträchtlich verteuert. Ein Nachteil liegt bei der partiellen Sterilisation auch darin, daß sich diese Milch für