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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Gerstenzucker; Gesundheitsgeschirre; Getah-Lahoë; Getah-Malabeoya; Getee; Getreide

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Gerstenzucker - Getreide

zum Teil als Kaffeesurrogat und überwiegend als Malz dem Menschen, geschroten und ungeschroten, gemalzt und ungemalzt dem Vieh, besonders bei der Mast, nutzbar. In Nordafrika und Arabien ist die G. das Futter der Pferde, bei uns nur für Geflügel Haupt-, sonst Beifutter. Das Stroh findet hauptsächlich als Futter, die Spreu, der langen Grannen wegen, wenig Verwertung. -

Europa erzeugt über 200 Mill. hl, am meisten Rußland; der Anbau schwankt in den einzelnen Ländern zwischen 4% (Italien) und 32% (Dänemark) des Getreides überhaupt. Die östlichen Länder sind die ausführenden, besonders Rußland, Österreich, der Nordosten Deutschlands und Bayern; die größte Einfuhr brauchen England, dann Holland, Schweden-Norwegen, Portugal. Frankreich bezieht viel Gerste aus Algier. Die V. St. von Nordamerika verzehren etwa 8 Mill. hl, das Deutsche Reich erbaut etwa 50 Mill. Ztr. und bedarf 3-5 Mill. Ztr. Mehreinfuhr. 1 Faß G. rechnet man in Hamburg zu 34 kg, 1 Schiffslast in Amsterdam zu 1600-1750 kg; ein Neuscheffel wiegt 29,12-31,85 kg, ein hl also 58,24-63,7 kg. - Zoll s. Tarif im Anh. Nr. 9 b; Malz Nr. 9 c; Graupen, Grütze und Mehl Nr. 25 q 2. Gebrannte G. als Kaffeesurrogat Nr. 25 m 1.

Gerstenzucker (Saccharum hordei). Die unter diesem Namen jetzt käufliche Ware besteht nur aus Zucker ohne Bestandteile von Gerste. Früher wurde eine Abkochung von Gerste oder Graupen dem Zucker zugesetzt und die Mischung so weit eingesotten, daß sie nach dem Erkalten zur festen Masse erstarrte. Jetzt verfährt man ebenso, aber nur mit reiner wässeriger Zuckerlösung. Die eingekochte Masse gießt man auf eine glatte geölte Stein- oder Metallplatte aus, zerschneidet sie noch vor dem Erkalten in Streifen, dreht diese schraubenartig um sich selbst und trocknet sie auf Blechen. - Zoll gem. Tarif im Anh. Nr. 25 p 1.

Gesundheitsgeschirre (Sanitätsgeschirre); mit diesem Namen belegt man diejenigen Topfgeschirre, welche keine Bleiglasur, sondern irgend eine andre, giftige Bestandteile nicht enthaltende Glasur besitzen. - Zoll s. Tarif im Anh. Nr. 38 b, c, d.

Getah-Lahoë (Sumatrawachs); eine Art vegetabilisches Wachs, welches auf der Insel Sumatra aus dem Milchsafte von Ficus ceriflua (Jungh.) gewonnen und dort, wie auch in Java gleich dem Bienenwachse verwendet wird. Die G. ist eine harte, graue Masse von 0,963 spez. Gew., schmilzt bei 61° C. und löst sich vollständig in kochendem Weingeist und in Äther. - Zoll gem. Tarif im Anh. Nr. 26 c 2.

Getah-Malabeoya; ein der Gutta-Percha ähnlicher Stoff unbekannter Abstammung, schmilzt bei 170° C. und ist in Chloroform löslich; findet sich bis jetzt nur im indischen Handel. - Zoll gem. Tarif im Anh. Nr. 17 a, c, d.

Getee (Getel, Jetee fibre); die Bastfaser der Marsdenia tenacissima, einer in Ostindien wachsenden Pflanze; sie wird dort wegen ihrer Stärke und ihres seidenartigen Glanzes viel verwendet. - Zoll gem. Tarif im Anh. Nr. 22. Vgl. Flachs.

Getreide. Der wichtigste Zweig des Lokal- wie des Welt-, des Klein- wie des Großhandels, und zwar sowohl hinsichtlich der Größe des Umsatzes, als auch seiner Bedeutung für das Volkswohl; er dient dem Massenverbrauch für Arm und Reich in allen Klimaten und Weltteilen und verdient die allseitigste Förderung, weil der Jahresertrag an Getreide (Cerealien, Halmfrüchte) lokal in beträchtlichem Grade durch die Witterung schwanken kann, im großen und ganzen aber nicht, oder nur infolge von Krieg oder plötzlicher Anbauvermehrung durch Urbarmachungen. Soweit der Einfluß der Eisenbahnen und der Schifffahrt reicht, kann es keine beträchtlichen Schwankungen über oder unter die Mittelpreise mehr geben und nur bei noch unentwickeltem Verkehr gibt es auch jetzt noch Hungersnot für Tausende und weite Strecken mit herrenlos wachsendem Getreide oder unverwertbarer Massenanhäufung zu gleicher Zeit, z. B. in Rußland und im Innern von Asien und Afrika. In Mittel- und Westeuropa kommen Notpreise nur noch lokal vor, wenn im Winter die Unzulänglichkeit der Ernte sich da zeigt, wohin die Zufuhr nicht zur Ausgleichung gerichtet werden kann. Die jetzigen Einrichtungen im und für den G.-handel haben diesem eine große Stabilität gegeben; die großen Saat- und Getreidemärkte (Wien, Leipzig, London, Amsterdam etc.), welche vor der Ernte abgehalten werden, dienen dem Zwecke, über das Ergebnis des Jahresertrags in den einzelnen Ländern sich zu vergewissern, um Ab- und Zufuhr regeln zu können; sie stellen gewissermaßen die internationalen Versicherungsinstitute gegen Notpreise (zu hohe oder zu niedrige) dar und bewirken im großen und ganzen die Erhaltung für alle in regem Handelsverkehr stehenden Länder auf dem Niveau des angemessenen Durchschnittssatzes (bezeichnet mit 100), bei welchem sowohl die Landwirte, als die Verzehrer in den Stadtbezirken am wohlsten sich befinden. Noch im Frühjahr 1847 hatte man in Deutschland Teuerungspreise und unmittelbar vor und nachher sehr niedrigen Kursstand. Gleichzeitig gute oder schlechte Ernten überall gibt es nicht, selbst nicht für Europa, wohl aber kann bald dieses, bald Amerika oder ein andres überseeisches Gebiet Mangel oder Überfluß haben. Noch zu Anfang des Jahrhunderts mußte der G.-handel künstlich durch Sperrmaßregeln, Ausfuhrbegünstigung u. dgl. zeitweise reguliert werden, heutzutage erscheint jede Beeinflussung durch wirtschaftspolitische Maßregeln als verkehrt und ermitteln Telegraphie und Dampf rechtzeitig nach allen Richtungen hin die gebotene Ausgleichung. Damals gab es noch künstliche Beeinflussung durch wucherische Spekulation - lokal ist zwar auch solche noch heute möglich - im Weltverkehr aber schon zur Myte geworden, weil gegenüber den Milliarden, welche im G. jährlich umgesetzt werden müssen, keine Kapitalmacht gedacht werden kann, welche bestimmend auf die Preise wirken könnte. Nur das Zusammentreffen mehrfacher außergewöhnlicher Ereignisse kann noch vorübergehend eine belästigende Erniedrigung oder Erhöhung bewirken, wie z. B. 1877/78 nach Beendigung des russisch-türkischen Kriegs die wieder