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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Indigo

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Indigo

Über Kalinken oder Kolinsky s. Marderfelle. - Zollfrei.

Indigo (lat. indicum, frz. und engl. indigo); der wichtigste und ächteste blaue Farbstoff, ein Erzeugnis des Pflanzenreichs, das seit undenklichen Zeiten in Ostindien bekannt und benutzt ist und schon zu den Zeiten der alten Römer nach Europa gebracht wurde. Plinius führt denselben unter dem Namen indicum auf; Marco Polo, der berühmte Reisende des Mittelalters, gab im 13. Jahrhundert aus eigner Anschauung Nachricht von der Gewinnungsweise des Stoffes in Indien; gleichwohl hielt man denselben viel später noch für ein Mineral, das bergmännisch gewonnen werde, und nannte es indischen Stein. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts brachten die Holländer den; Indigo nach Europa, der aber doch erst ein Jahrhundert später allgemein bekannt und benutzt wurde, denn der Einfuhrartikel verletzte die Interessen der europäischen Indigobauern, d. h. der Pflanzer von Waid (s. d.) in Deutschland, Italien und Frankreich; sie opponierten und verleumdeten den neuen Stoff so sehr, daß sie sogar Regierungsverbote gegen denselben auszuwirken wußten. Seit Ende des 18. Jahrhunderts begannen indes die Engländer in Ostindien sich auf die Indigokultur zu verlegen und seitdem mehrten sich die Zufuhren aus jenem Lande beständig und noch heute kommt der meiste I. von dorther. Andre Sendungen kommen aus Amerika, das auch eine selbsteigene Art von Indigpflanze besitzt, welche schon die spanischen Entdecker bei den Mexikanern kultiviert und zum Färben benutzt fanden. Mittelamerika war früher selbst das Hauptbezugsland, bevor die Engländer in Bengalen den von den Eingebornen nur für Selbstbedarf betriebenen Anbau emporbrachten. - Der Indig, wie er als Ware sich darstellt, findet sich in keiner Pflanze fertig vor, sondern die Pflanzen geben nur Säfte, aus denen durch äußere Einwirkungen der Farbstoff erst herausgebildet wird, ein Verhältnis, das sich übrigens auch bei allen Farben gebenden Flechten wiederfindet. Die meiste Ausbeute geben verschiedne Arten des Geschlechts Indigofera, die eben hiervon ihren Grundnamen „Indigpflanze“ führen; sie sind aber nicht im Alleinbesitz dieser Eigenschaft, denn unsre heimische Waidpflanze, obwohl von weit abweichender Natur, liefert ebenfalls echten Indig, nur bedeutend weniger; der nämliche Fall wiederholt sich bei der Pflanze, welche den Chinesen und Japanesen zum Blaufärben dient und eine Art einjähriger Knöterich (Polygonum tinctorium und chinense) ist. Ein kleiner Gehalt von I. findet sich noch bei manchen andern Pflanzen, so Galega tinctoria, Nerium tinctorium, Wrightia tinctoria, selbst in dem einheimischen Unkraut Mercurialis annua (Bingelkraut). Von der Indigofera selbst werden 5-6 verschiedne Arten als Nutzpflanzen angeführt, namentlich I. tinctoria, am häufigsten in Ostindien gebaut und sehr ausgiebig an Farbstoff, der aber nicht zur besten Sorte gehört, welche vielmehr von einer andern Art, I. pseudotinctoria kommen soll; dann der sichelschotige oder Anilindig (I. Anil), in Ostindien und Amerika gebaut, eine Farbe von guter Mittelsorte liefernd; der zweisamige Indig (I. disperma) in den beiden Weltteilen gebaut, liefert besonders den geschätzten Guatemala-Indig; der silberglänzende oder ägyptische Indig (I. argentea) mit weißfilzigen Blättern, gibt weniger Ertrag, aber von sehr guter Beschaffenheit wird jetzt auch in Ostindien und Zentralamerika stark angebaut; I. emarginata wird in den Senegalländern kultiviert. Die Indigoferen sind holzige Sträucher, welche aus der Wurzel zahlreiche dünne Ruten treiben, die einfach gefiederte Blätter und in den Blattwinkeln kleine Trauben von Schmetterlingsblüten tragen, die je nach den Arten verschiedentlich einfach oder bunt gefärbt sind. Die Früchte sind kleine schmale knotige Schoten. Der Anbau geschieht immer durch Aussaat. In den heißen Klimaten, in welchen überhaupt nur von Indigbau die Rede sein kann, werden die aufgehenden Pflanzen in 2-3 Monaten schnittreif, werden aber bis dahin sorgfältig von Unkraut rein gehalten, weil dieses, mit verarbeitet, sowohl die Menge als Güte des Farbstoffes bedeutend schädigt. Das Schneiden geschieht kurz vor der Blüte und werden die Ruten etwa 2½ cm hoch über dem Boden fortgenommen; je nach den Witterungsumständen erhält man im Laufe des Sommers durch neue Schößlinge eine zweite und auch wohl eine dritte, doch weniger ausgiebige Ernte. Auf dem besten Indigoboden, im Gangesdelta, kann der Überschwemmung wegen nur ein Schnitt gewonnen werden. Zwei bis drei Jahre läßt sich eine Pflanzung in dieser Weise benutzen, doch weiterhin wird die Triebkraft der Wurzeln zu schwach, daher sie ausgerissen und neue Einsaaten gemacht werden. Die Verarbeitung der geschnittenen Pflanzen geschieht meistens sofort. Man hat dazu zwei in ungleicher Höhe bei einander stehende große Bottiche oder gemauerte Zisternen, in deren obere die Pflanzen eingeschichtet, mit Steinen beschwert und mit Wasser übergossen werden, sodaß sie völlig bedeckt sind. Die hohe Luftwärme bewirkt bald das Eintreten einer Gärung, die sich immer lebhafter gestaltet; es werden große Mengen von Kohlensäure und andern Gasen frei und die Flüssigkeit bedeckt sich mit Schaum, der nacheinander mehrere Färbungen annimmt. Wenn er braunrot geworden und einen kupferigen Metallschimmer angenommen hat, wird der Gärungsprozeß abgebrochen und die Flüssigkeit in den tieferstehenden und flachern Behälter übergezapft, der erste Behälter von den Pflanzenresten geleert und neu gefüllt. Die klar abgezogene Flüssigkeit, welche goldgelb aussieht, wird nun mit Schaufeln oder andern Rührinstrumenten fortwährend stark bewegt, um möglichst vielfache Berührungen zwischen der Flüssigkeit und der Luft hervorzubringen. Die Luft nämlich oder vielmehr ihr Anteil an Sauerstoff ist es, der das in dem Safte der Indigpflanze enthaltene farblose Indican in Indigblau umwandelt. In dem Maße wie diese Einwirkung erfolgt, tritt der I., der in Wasser unlöslich ist, in der Flüssigkeit als anfänglich grüner Niederschlag und später als blaues Pulver auf, das sich schließlich, wenn das Durcharbeiten aufhört, als feiner Schlamm zu Boden setzt, von welchem