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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Leinengarn

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Leinengarn - Leinengarn

gröber als das flächsene, wird aber von den besten Spinnereien, namentlich, wenn die Streckbänder auf Kämmmaschinen gekämmt werden, sehr gleichmäßig, fein und knotenfrei hergestellt, und mag sich in manche Leinwand undeklariert einmischen. Als Trockengespinst paßt es wie das ebenso hergestellte Flachsgarn besonders für die Maschinenweberei. -

Für die Bemessung und Numerierung der Maschinengarne ist in den meisten Spinnereien des Kontinents das englische System eingeführt. Hiernach hat die Weife 2½ Yards Umfang, 120 Umläufe machen also 300 Yards oder 1 Gebind, 10 Gebinde 1 Strähne und 20 Strähnen 1 Bündel englisch. Sechs Bündel bei feineren und drei bei den gröberen Nummern bilden ein Paket. Die Zahl der Gebinde, welche auf 1 engl. Pfund gehen, ergibt die Garnnummer. Es hält sonach 1 Pfd. Garn von Nr. 30 einen Faden von 9000 Yards Länge, Nr. 70 21000 Yards etc. Bei Handgarn gelten Ellen und Schocke auch heute noch an manchen Orten. In Böhmen, Mähren und Schlesien hat das Gebinde bei gröberen Sorten 80, bei feineren 60 böhm. Ellen, 240 Gebinde machen ein Stück und 60 Stück ein Schock. Beim preußischen Schock hat jedes der 60 Stück 4 Strähnen und 1 Strähne 10 engl. Gebinde à 3000 Yards, enthält mithin 720000 Yards Fadenlänge.

In Frankreich numeriert man teils nach dem englischen, teils nach dem metrischen System. Bei letzterem gibt die Garnnummer an, wie viel Kilometer (à 1000 Meter) in einem Kilogramm enthalten sind. Die englische Nummer, mit 1,66 dividiert, gibt die metrische, sodaß sich also die englische Nr. 30 durch Umrechnung auf die französische Nr. 18 reduziert. Umgekehrt ergibt sich durch Multiplikation einer französischen Nummer mit 1,66 die entsprechende englische.

In Österreich wird die Garnnummer häufig nach der Anzahl der Gebinde oder vielmehr Schneller bestimmt, welche auf das Wiener Pfund gehen. Ein Schneller enthält 700 Fadenlängen à 2⅛ wiener Ellen = 1165 Meter. Nach dem Verhältnis zwischen englischem und wiener Pfund ist eine englische Nummer, um die entsprechende wiener zu erhalten, mit 0,814 zu multiplizieren; Nr. 54 englisch z. B. wird dadurch zu 43,96, also Nr. 44 österreichisch.

Das L. kommt gewöhnlich von Nr. 10-200 vor, wird aber jetzt auf Maschinen auch bis 300 gesponnen. Das höchste, was die Hand einer geschickten Spinnerin leisten kann, ist aber dadurch noch lange nicht erreicht; die Garne zu den feinsten Batisten und Spitzen können nur auf dem Rade gesponnen werden, und in Belgien spinnt man deren bis Nr. 1600, von denen das Pfund 4000 Frcs. kostet. In Böhmen, wo man sich auf Spinnen des sog. Lotgarns verlegt, wiegt in den feinsten Sorten das Stück von 16800 Ellen nur 1½-1¾ Lot (circa 13100 m auf 26-30 gr). -

Die im Laufe der siebziger Jahre angestrebte einheitliche Garnnummerierung ist leider ohne großes Resultat geblieben. Auf den internationalen Kongressen zu Wien 1873 und Brüssel 1874 wurde die metrische Nummerierung (die Anzahl von Metern in einem Gramme Garn) empfohlen. -

Es bestehen zwischen Maschinen- und Handgespinst wesentliche Unterschiede, indem jede der beiden Arten ihre besonderen Vorzüge und Mängel hat, welche für die Verwendung maßgebend sind. Nicht durch wohlfeilere Preise hat ersteres das letztere aus einem großen Gebiete verdrängt, sondern durch die größere Gleichmäßigkeit eines Fadens. Derselbe ist immer gleichmäßig voll und gerundet, das Handgarn dagegen häufig stellenweise dünner oder dicker, kantig, nicht frei von Knötchen. Dagegen ist es weit glatter als jenes, das durch hervorstehende feine Härchen rauh, wollig erscheint. Hiernach besonders verteilen sich die Rollen der beiderlei Garne. Das fadengleiche Maschinengarn hat sich überall festgesetzt, wo auf diese Eigenschaft etwas ankommt, wie bei Zwirn, glatten Bändern, Leinen. Die Gewebe daraus entbehren aber des eigentümlichen Leinenglanzes; sie erscheinen nach der Bleiche rauh, und reiben sich beim Tragen noch wolliger auf, unterliegen daher auch schneller der Abnutzung, tragen sich weniger angenehm und schmutzen leichter. Das Werggarn hat diese Eigenschaft im höchsten Maße. Wo also der Leinenglanz, der sog. Spiegel, zur Geltung kommen soll, wie bei Damast, ist das Handgarn nicht zu verdrängen. Es kann sich überhaupt um so eher gegen die Maschine behaupten, je besser gesponnen wird, denn gutes Handgarn von gleichem Faden ist stets dem besten Maschinengarn vorzuziehen. Man hat daher auch schon längst in den Spinnereidistrikten durch Spinnschulen die Geschicklichkeit der Arbeiterinnen zu heben und sie namentlich auf die feineren Nummern hinzuführen gesucht. Die Lage der Spinner ist daher auch jetzt nicht mehr so trostlos als zu den Zeiten, wo die mechanischen Spinnereien Englands zuerst ihre Massenprodukte auf den Markt brachten. -

Die Hauptsitze der Leinenindustrie sind bei uns bekanntlich in Böhmen, Mähren, Schlesien, Sachsen, Westfalen, Hannover, Württemberg. Österreich und Deutschland stehen sich hinsichtlich der Menge der Produktion ungefähr gleich; das Spinnerzeugnis von England, Schottland und Irland allein übertrifft, nach den aufgestellten Spindelzahlen, noch weit alles, was in Frankreich, Belgien, Deutschland, Österreich und Rußland gewonnen wird. Die mechanischen Spinnereien haben sich natürlich eben da angesiedelt, wo die Leinenindustrie ihre alten Sitze hat; sie sind am zahlreichsten in Böhmen. Die amerikanische Baumwollkrisis brachte für einige Jahre eine große Rührigkeit in die mechanische Leinenspinnerei und veranlaßte manche neue Anlagen. Als aber die Baumwolle ihre frühere Stellung wieder einnahm, trat eine bittere Reaktion ein, welche nicht wenige Spinnereien halb und ganz zum Erliegen brachte. Und auch heute ist die Lage der mechanischen Leinenspinnereien in Deutschland keine glänzende. Sie haben in den Jutespinnenereien noch einen neuen Feind zu bekämpfen. -

Die Leinengarne werden je nach ihrer Bestimmung, ob sie zum Verweben oder zu Zwirn dienen sollen, schon beim Spinnen verschieden fest gedreht. Das Kettengarn erhält mehr Drehung als das mehr lockere Schußgarn; das zu Zwirn bestimmte wird ebenfalls weniger fest ge-^[folgende Seite]