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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Sesamöl; Shawls

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Sesamöl - Shawls

bis schwärzlich von S. orientale; Ölgehalt 56-58, selbst 70%, gewinnbar 50%, das Speiseöl des Orients, auch verwendet zu Verfälschung des Olivenöls; die Sesamkuchen sind geschätztes Futter; der Ruß von Sesamöl soll den Hauptbestandteil der chinesischen Tusche bilden. Das Öl wird auch in den europäischen Staaten geschlagen und deshalb viel S. eingeführt. Der Preis schwankt zwischen dem von Oliven und Mohn; es wird versendet in Fäßern zu 3 Ztr. und im kleinen in Blechbüchsen. - Zoll vgl. Sesamöl.

Sesamöl (oleum sesami); dasselbe wird aus den ölreichen Samen von Sesamum Orientale gewonnen; die Samenkörner sind sehr klein, eiförmig oder mehr gerundet, von Farbe weiß, bräunlich oder schwarzbraun. Die angenehm schmeckenden Samen enthalten bis zu 70% fettes Öl, das im ganzen Orient als Speiseöl im allgemeinen Gebrauch steht. Manche Autoren lassen die Sesampflanze aus dem südlichen Asien stammen, während andre das dort gebaute Gewächs zu einer besondern Art, Sesamum indicum, machen. Jedenfalls sind die Unterschiede zwischen beiden nicht wesentlich. Bei den Hindus ist das Öl als Küchenartikel noch besonders wichtig, da sie keine tierischen Fette genießen dürfen.

Das Öl ist ein nicht trocknendes, ist kalt gepreßt schön hell, blaßgelblich, während die warme Nachpressung noch eine geringere dunkle Sorte ergibt. Es hat einen angenehmen Geschmack und kommt am nächsten dem Mohnöl. In unsre Abendländer hat sich das Öl erst in neurer Zeit recht eingebürgert, sodas es schon ziemlich allgemein in Kaufläden geführt wird. Es werden zum Behuf des Ölpressens große Quantitäten Samen aus Ostindien, der Levante, aus Südafrika in England, Frankreich, Deutschland und Italien eingeführt. In Deutschland wird nur eine Sekundaware aus ostindischem und südafrikanischem Samen erzeugt, welche stark gelb ist; die helle Primasorte, aus levantischem Samen kalt gepreßt, kommt aus Südfrankreich.

Das Öl kann ganz wie Provencer- und Mohnöl gebraucht werden, soll auch in großem Maßstabe zum Verschneiden des erstem dienen, wozu es sich jedenfalls am besten eignet. Es läßt sich aber die Zumischung durch die Schwefelsäureprobe entdecken, da sich S. mit der Säure dunkelrotbraun färbt, Olivenöl nicht. Das Öl paßt auch wie das Behenöl sehr gut zur Aufnahme von Blumengerüchen. Die Verwendung desselben geschieht in Fässern bis zu 3 Ztr. Inhalt; kleinere Posten werden in Blechbüchsen gefüllt. - Zoll gem. Tarif Nr. 26 a 1 oder 2. S.-samen ist zollfrei.

Shawls (frz. châles, engl. shawls) sind bekannte Stücke des weiblichen Putzes, die jetzt überall angefertigt werden, im Original aber, wie auch ihr Name, aus Asien stammen und früher, bevor es europäische Nachahmung gab, nur von dort als kostbare Prachtstücke bezogen werden konnten. Noch jetzt sind echt indische S. ein geschätzter, über alle Mode erhabener Artikel. Der Handel damit erfordert aber eine so genaue Kennerschaft, wie sie ein Edelsteinhändler in seinem Fache haben muß. In London, dem Stapelplatze der indischen Artikel, werden jährlich zweimal Shawlsauktionen gehalten; die schönsten Stücke gehen aber von Indien direkt nach Paris und die großen Pariser Händler in Modewaren halten in Indien ihre besonderen Agenten, welche die Waren aufkaufen oder vielmehr auf Bestellung arbeiten lassen.

Der Ursitz der Shawlweberei ist das große Hochthal Kaschmir im Himalayagebirge. Es wird dort die schönste Ware produziert, aber die Zahl der Weber hat sich aus verschiednen Ursachen in neurer Zeit bedeutend verringert, besonders wegen der Verkleinerung der Konsumentenzahl und dadurch verursachter Auswanderung der Weber ins britische Indien. Niemals aber bringen dieselben Arbeiter ihre Stoffe anderwärts in gleicher Farbenschönheit zu Stande wie in der Heimat; man erklärt dies aus der großen Reinheit von Luft und Wasser in Kaschmir. Der Stoff zu den echten Kaschmirshawls ist das feine Unterhaar der Kaschmirziege, einer Abart der gewöhnlichen, welche aber nicht in Kaschmir, sondern auf dem kalten trocknen Tafelland von Thibet gezogen wird, 4000-4500 m hoch über der See. In allen andern Gegenden, wohin man die Ziege zu verpflanzen gesucht hat, artet das Haar rasch ins Grobe aus. Der Hauptmarkt für das Haar ist Kilghet, 20 Tagereisen von der Nordgrenze Kaschmirs entfernt.

Das feine Flaumhaar, das von dem groben Oberhaar sorgfältigst abgesondert wird, hat am nämlichen Tier zwei Farben, weiß und eine Art aschgrau; von jeder Sorte gibt ein Tier etwa ein kg im Jahr; die Gewinnung geschieht durch Abkämmen. Das weiße wird gefärbt, während die Kunst an dem grauen nicht viel zu veredeln weiß, weshalb man es meist naturell verarbeitet. Das Haar wird vor der Verarbeitung mehrmals mit Reisstärke gewaschen, was für sehr wesentlich gehalten wird; es verliert dabei die Hälfte seines Gewichtes. Aus der sorgfältig gekämmten Wolle fertigen die Spinnerinnen Fäden von der Länge des zu webenden Stückes. Besondere Sachverständige teilen dem Weber das für die verschiednen Farben passendste Garn in den zu einer Arbeit nötigen Quantitäten ab, worauf es der Färber erhält. Die indischen Färber sollen 64 Farbentöne zu erzeugen verstehen, alle untadelhaft echt. Das farbige Garn dient zu Erzeugung der Muster; Ketten- und Schußgarn für den Grund bleiben weiß.

Der Weber schlichtet die Kette mit dicker Reisabkochung, sodaß sie getrocknet ganz hart und steif wird. In selteneren Fällen nimmt man die Kettenfäden doppelt, wodurch sehr dicke, teppichähnliche Stoffe entstehen. Die Dispositionen für die Muster erhält der Weber von einem besondern Dessinateur. Er schießt hiernach die farbigen Fäden in den geköperten Grund, indem er alle und selbst die kleinsten Musterpartien mit einzelnen Schützen oder vielmehr garnbewickelten Holznadeln ausführt. Die Arbeit ist also eine broschierte und das Muster auf beiden Seiten sichtbar. Hierdurch unter andrem unterscheiden sich die echten S. von allen europäischen Nachahmungen, da diese eine Rechts- und eine Linksseite haben, weil man hier lancierte Arbeit macht, d. h. jeden Farbenfaden ganz durchlaufen