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Handbuch der Drogisten-Praxis

Gustav Adolf Buchheister, Verlag von Julius Springer, Berlin, 3. Auflage, 1893

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Cortices. Rinden.

der Originalwaare hergestellt. Man wählt hierzu natürlich die guten, möglichst wenig zerbrochenen Rindenstücke, daher der Preis derselben wesentlich höher ist, als der der Fabrikrinden.

Die Familie der Cinchoneen hat die Eigenthümlichkeit, stark zu variiren und durch Kreuzungen sich in noch zahlreichere Sorten zu spalten. Es sind grosse, stattliche, immergrüne Bäume, deren eigentliche Heimath ein ziemlich scharf begrenzter Theil des südlichen Amerikas ist. Die Zone ihrer Verbreitung erstreckt sich vom 10 ° nördlicher bis zum 19 ° südlicher Breite. Sie umfasst einen Theil der Staaten Columbia, Venezuela, Ecuador, Neu-Granada, Peru und Bolivia. Die Bäume kommen niemals in geschlossenen Wäldern vor, sondern finden sich stets vereinzelt in den dichten Urwäldern der Cordilleren in einer Meereshöhe von 800-3000 m. Ihre Einsammlung ist daher mit sehr grossen Schwierigkeiten verbunden; sie geschieht durch Eingeborene, sog. Cascarilleros, vom spanischen Cascara, die Rinde (Rindensammler), welche die Bäume einfach fällen, die Rinde schälen und die Packen auf dem Rücken nach den Hafenplätzen schleppen müssen. Neuerdings ist dieser schwierige, deshalb sehr kostspielige Transport dadurch etwas erleichtert, dass der obere Amazonenstrom mit seinen riesigen Nebenflüssen der Dampfschifffahrt eröffnet ist. In Folge hiervon hat man nicht nöthig, die Waare an die weit entfernteren Hafenplätze des Stillen Oceans zu schleppen, sondern versendet sie auf jenem riesigen Stromnetz.

Bei dem Raubsystem der Gewinnung der Rinde und bei dem immer steigenden Verbrauch derselben lag die Befürchtung nahe, dass die Waldungen Südamerikas in einer nicht zu fernen Zeit nicht mehr im Stande sein würden, dem Konsum zu genügen. In Folge dessen, zugleich veranlasst durch die hohen Preise der Rinde, trat die holländische Regierung vor mehreren Jahrzehnten der Frage der Kultur in ihren ostindischen Besitzungen näher. Sie entsandte tüchtige Gelehrte zum Studium der geognostischen und botanischen Verhältnisse nach dem Vaterlande der Cinchoneen; nachdem diese sich dort unterrichtet und mit Samen verschiedener Art versehen hatten, wurden auf Java unter ihrer Leitung die ersten Pflanzungen angelegt. Hier zeigte es sich, dass die geschätzteste südamerikanische Sorte Cinchona calisaya, keine besonderen Resultate lieferte, es mussten andere Sorten versucht werden, und hier war es namentlich Cinchona succirubra und Kreuzungen derselben, mit welchen ausgezeichnete Resultate erzielt wurden. Während die beste amerikanische Calisaya höchstens 2-3% Chinin enthielt, hat man auf Java durch rationelle Kultur und durch verschiedene Kunstgriffe, z. B. Umwickeln der Stämme mit Moos, Rinden produzirt, welche 5-6 und mehr Prozente, ja sogar bis 11 % Chinin enthielten. Den Holländern folgten alsbald die Engländer; es wurden Plantagen auf dem Festlande Ostindiens, am Abhänge des Himalaya, in den blauen Bergen, in den Nilgherries und auf Ceylon angelegt. Heute ist die Produktion aller