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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts

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Die Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.

Daß es nicht geschah, entschuldigt und erklärt wohl einerseits der Zustand, in welchen Deutschland schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts geraten war, andrerseits der leidige deutsche Zug, das Fremde hoch und die eigene Kraft gering zu schätzen; unserem Volke war eben der selbstherrliche Stolz verloren gegangen.

Es schwand aber auch die Fühlung der Kunst mit dem Volke in dem Maße, als sie immer mehr von den Fürsten abhängig gemacht wurde. Der romanische Geist gewann auf deutschem Boden die Herrschaft, sowohl durch den Einfluß der Spanier auf das höfische Wesen, wie durch die katholische Gegen-Reformation, welche den deutschen Geist als kirchenfeindlich betrachten mußte. Die weltlichen Fürsten strebten ebenso nach Prunkhaftigkeit wie die katholische Kirche, und die Aufgaben, welche von beiden Seiten der Malerei gestellt wurden, gingen auf reiche, schmuckhafte Prachtwerke hinaus, welche die Sinne blenden, aber nicht das Gemüt ergreifen und erbauen. Für das Sinnige und Innige der deutschen Kunstweise entschwand das Verständnis, und vorbildlich erschien den Auftraggebern das Eindrucksvolle und Sinnenreizende der Italiener. Dabei kam noch in Betracht, daß es eigentlich nicht schwer war, sich die wirkungsvollen Aeußerlichkeiten der fremden Weise anzueignen, dazu war nur Ausbildung der Kunstfertigkeit nötig.

Es wurde jetzt Sitte, daß die deutschen Künstler nach Italien wanderten, um dort zu "lernen". Aus Venedig, Rom, auch Mantua - wo Giulio Romano geschaffen hatte - holten sich die Deutschen ihre Vorbilder, um ihre Eigenart zu verbilden. Die Einen hielten sich dabei an irgend einen großen Meister, dessen Art sie ausschließlich nachahmten, Andere setzten aus den verschiedenen Zügen der Vorbilder sich einen Misch-Stil zusammen und glaubten damit, auch einen eigen-persönlichen Stil errungen zu haben. Sie vergaßen aber nur sehr oft, diese Mischung mit eigenem "Geiste" zu erfüllen und zu durchdringen.

Dennoch verdient die Malerei der "Barock-Zeit" nicht jene Geringschätzung, welche ihr in der Regel zu Teil wird. Man muß sie nur von dem richtigen Standpunkte aus beurteilen, um zu finden, daß auch sie ihre "guten Seiten" besitzt und es ein Unrecht ist, Alles mit dem beliebten Schlagwort "manieriert" abzuthun. Jegliche Kunstleistung ist unter dem Gesichtspunkte des Zeitgeistes zu betrachten und nach dem Verhältnisse zwischen "Wollen und Können". Auch der größte Meister ist von seiner Zeit abhängig, das "Genie" kann derselben um "einen Schritt" voraus sein, aber Ansätze und Keime dieses Fortschrittes oder Vorangehens sind stets in dm Zeitverhältnissen bereits gegeben, nur treten sie nicht offensichtlich zu Tage. Das "Genie" erweckt nur das Schlummernde und Keimende zum Leben, giebt dem unbewußten Drang in bewußten Thaten Ausdruck.

Ueber den Geist der Barock-Zeit habe ich zur Genüge gesprochen und der Denkende wird danach ermessen können, in wiefern die Künstler gebunden und in bestimmte Bahnen hineingezwungen waren. Um ihnen gerecht zu werden, muß man also fragen, welche Absichten konnten sie haben und verfolgen, und wie weit gelang es ihnen, dieselben zu verwirklichen. Man verlangte von ihnen Werke, welche auf die Sinne stark wirken, üppiges Pracht- und Zierwerk, in geschmeidigen, geglätteten Formen und von augenreizender Farben-Stimmung, die Stoffe behandeln, welche die Nerven aufregen. Die dargestellten Vorgänge sollten entweder so packend sein, wie etwa ein Bühnen-Schlußbild eines Schauspiels - das war bei den kirchlichen Werken der Fall - oder die Sinnlichkeit reizen, daher denn auch die antike Sagenwelt, wie sie in der verderbten römischen Kaiserzeit ausgebildet worden war, die beliebtesten Stoffe lieferte; man wünschte die verfänglichen "pikanten" Geschichtchen gemalt zu sehen, welche von den "Göttern" erzählt wurden. Bei dieser Schauspiel- und Geschichtchen-Malerei war eine höhere Auffassung und geistige Vertiefung nicht erforderlich, es kam nur auf die Formbehandlung an. In dieser Hinsicht muß man jedoch unbedingt zugestehen, daß die Künstler meist in der Wahl der Mittel Geschick bekundeten und die beabsichtigte Wirkung zu erzielen verstanden.

Für die Beurteilung sollte man auch mehr jene Gattungen in Betracht ziehen, bei denen die oben erwähnten bestimmenden Umstände entfielen, das sind Landschafts- und Bildnis-Malerei. Reine Landschaftsbilder waren damals freilich nicht allzusehr "in Mode"