Kochschule und Ratgeber für Familie & Haus
XIII. Band. Nr. 51
Erscheint wöchentlich. Abonnement jährlich Fr. 2.50; als Beilage zum "Schweiz. Familien-Wochenblatt" gratis. Inserate.die kleine Zeile 25 Cts.
Verlag Th. Schröter, Obere Zäune 12 Zürich.
1904. 18. Juni. Inhalt: Das Kochen und Braten der Speisen. - Die Reklame in der Haushaltung. - Gesundheitspflege. - Vermischtes. - Hausmittel und Rezepte. - Ungeziefer. - Handarbeit. - Einmachkunst. - Kochrezepte. - Briefwechsel der Abonnenten unter sich. - Kleine Rundschau. - Inserate.
Das Kochen und Braten der Speisen.*)
Jedermann weiß, daß viele Speisen durch das Kochen und Braten an Wohlgeschmack gewinnen. Das Kochen oder Braten hat aber auch eine große Bedeutung für die Gesundheit. Es hat den Zweck, die Nahrungsmittel für den Magen und den Darmsaft leichter zugänglich zu machen. Denn: absolut und für jeden Menschen schwer verdaulich sind nur solche Stoffe, die vom Magensaft nicht durchdrungen werden können. Beim Fleisch bewirkt das Kochen, daß das Bindegewebe zwischen den Muskelfasern gelockert wird und teilweise in löslichen Leim übergeht. Das Eiweiß gerinnt und ist auch dadurch leichter verdaulich. Die Nährstoffe der Pflanzen liegen zum größten Teil eingehüllt in Pflanzenfaserstoff (Cellulose), der für die Verdauung so gut wie unzugänglich ist. Durch das Kochen werden die Nährstoffe von dieser Umhüllung frei und dadurch zugänglich. Außerdem aber wird die Stärke in den leichter verdaulichen Kleister übergeführt. Wollte man also Kartoffeln, Gemüse, Reis, Mehl etc. in rohem Zustand genießen, so würde man nicht nur die Nahrung schlecht ausnutzen und das meiste würde unverdaut abgehen, sondern man würde auch Krankheiten erzeugen, da unverdauliche Dinge den Magen und Darm reizen und schließlich Entzündungen erzeugen.
Neben dieser nützlichen Einwirkung des Kochens, hat dasselbe aber noch den Zweck, die Parasiten, die in und auf den Nahrungsmitteln vorkommen, zu töten.
Unter den Parasiten versteht man Pflanzen oder Tiere, die auf oder in anderen Pflanzen und Tieren leben. Es gibt also pflanzliche Parasiten, soweit sie hier in Betracht kommen Bakterien, und tierische Parasiten. Die Parasiten sind entweder von Natur in den Nahrungsmitteln enthalten, oder sie gelangen als Verunreinigung hinein bei Gewinnung der Nahrungsmittel, beim Transport oder bei der Zubereitung. Die Reinlichkeit der Menschen, durch deren Hände die Nahrungsmittel gehen, der Geschirre, in denen sie aufbewahrt oder transportiert werden, läßt oft viel zu wünschen übrig. Dazu kommt der Staub, der darauf geweht wird, der Schmutz, der heranspritzt, die Insekten, die sich darauf setzten. Kurz, es gibt so viele Gelegenheiten zur Verunreinigung, die sich im großen Getriebe der Welt gar nicht vermeiden lassen, daß man die Speisen schon aus einfachen Appetitlichkeitsgründen kochen sollte und es ist unverständlich, wie es Leute gibt, die ein Beefsteak à la Tartare mit Genuß verzehren.
Man darf sich nur von dem Kochen oder Braten nicht eine allzu große Wirkung in dieser Beziehung vorstellen. In große Massen Fleisch z. B. dringt die Hitze nur schwer ein und ein Schinken oder ähnliches muß sehr lange gekocht werden, womöglich in fest verschlossenen Fleischtöpfen, wenn mit Sicherheit die Hitze durch und durch dringen soll. Vom Braten ist eine solche Wirkung überhaupt nicht zu erwarten. Dagegen genügt sowohl das Kochen, wie das Braten, um alle oberflächlich anhaftenden Parasiten zu töten. Das Räuchern und Salzen tötet jedoch die meisten Parasiten nicht, so daß dieses dem Erhitzen nicht gleich zu achten ist.
Was nun die Parasiten anbetrifft, so will ich hier nur einige erwähnen, die am häufigsten durch rohe Speisen übertragen werden.
Das Fleisch der Schweine und Rinder enthält Finnen und wenn man mit dem rohen Fleisch eine solche Finne in den Magen und in den Darm bringt, so entwickelt sich hier ein Bandwurm. Die Bandwürmer, die bei uns vorkommen, werden 3 bis 6 Meter lang. Sie bestehen aus einem Kopf, der sich an die Darmwand festsetzt, aus der er die Nahrung für den ganzen Bandwurm entnimmt, und aus einzelnen an einander gereihten Gliedern, die nach unten hin an Größe zunehmen. Die letzten Glieder sind geschlechtsreif, d. h. sie enthalten die Eier. Jedes Glied ist eigentlich ein Tier für sich, so daß ein Bandwurm nicht ein Tier, sondern eine ganze Kolonie darstellt.
^[*) Nach einem Vortrage des Prof. Dr. Hansemann.]