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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Algerienne

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Algerien (Geschichte) - Algerienne.

Stämme in nicht weniger als 20 Treffen und 6 geordneten Schlachten. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 ernannte Ludwig Napoleon (11. Dez. 1851) den General Randon zum Generalgouverneur, der diesen Posten bis Ende August 1858 innehatte und sich um Befestigung und Ausdehnung der französischen Herrschaft sehr verdient machte. Im Dezember 1852 wurde die Oase Laghuat im Süden Algeriens in Besitz genommen, und um dieselbe Zeit stellte sich der mächtige Stamm der Beni Mzab unter französischen Schutz. 1853 und 1854 wurden wieder erfolgreiche Expeditionen gegen die Kabylen unternommen und die Oasenlandschaften von Tuggurt und Wadi Suf besetzt, in den folgenden Jahren aber auch die Uled Sidi Scheich und die Oase Wargla der französischen Herrschaft unterworfen. Die Feldzüge von 1856 und 1857 vollendeten die Bezwingung der Kabylen, so daß seitdem die Grenze des französischen Gebiets bis an den Rand der Sahara vorgeschoben war. Durch die Dekrete vom 24. Juni und 31. Aug. 1858 wurde die Kolonie unter ein Ministerium für A. und die Kolonien gestellt, dessen Chef der Prinz Napoleon, dann 24. März 1859 der Graf von Chasseloup-Laubat ward, das aber schon durch Dekret vom 11. Dez. 1860 wieder aufgehoben und durch ein Militärgouvernement ersetzt wurde. Dieses erhielt Marschall Pélissier, dem ein Vizegouverneur, ein Generaldirektor für Zivilgeschäfte, ein Ministerium für Justiz-, Schul- und Kirchenwesen sowie ein Konseil von 30 Mitgliedern zur Beratung des Budgets an die Seite gestellt wurde. Nach dem Tod Pélissiers (Mai 1864) trat der Marschall Mac Mahon (September) an dessen Stelle. Die Schwierigkeiten waren gerade damals wieder besonders groß; allgemeine Gärung, offene, nur zum Teil niedergeworfene Aufstände ließen eine Krisis fürchten. Der Grund lag in der drückenden materiellen und sozialen Lage der unter französischer Herrschaft stehenden Stämme, welche die militärischen Obrigkeiten, die sogen. bureaux arabes, durchaus nicht zu behandeln verstanden. Der Mangel an Verkehrswegen, der französische Schutzzoll auf die Produkte der Kolonie, die Formalitäten und Schreibereien der Büreaukratie bewirkten, daß der Wohlstand der algerischen Bevölkerung eher zurückging, als sich hob. Ende April 1865 entschloß sich daher der Kaiser, die dortigen Verhältnisse aus eigner Anschauung kennen zu lernen. Durch freundlichen Verkehr mit den Arabern und durch eine vielverheißende Proklamation suchte er der Unzufriedenheit zu begegnen. Seine Gedanken über A. brachte der Kaiser durch einen Brief an Mac Mahon im Oktober 1865 vor die Öffentlichkeit. Für Frankreich sollten die Lasten dieser Kolonie verringert, der europäischen Ansiedelung dort ersprießlichere Bahnen angewiesen, Hemmnisse des Verkehrslebens beseitigt, minder lästige und weniger büreaukratische Verwaltungsformen eingeführt werden. Das letztere entsprach der kaiserlichen Proklamation, welche den Arabern in A. in erhöhtem Maß Teilnahme an der Verwaltung zugesichert hatte. Aber auch jetzt kam man über Experimente und Anläufe nicht hinaus; die Unruhen und Aufstände dauerten fort, bis gegen Ende 1867 eine allgemeine Hungersnot den aufrührerischen Stämmen weitere kriegerische Unternehmungen verleidete.

Trotz der seitdem eingetretenen Ruhe war die algerische Frage für Frankreich noch ungelöst, als die Ereignisse des Jahrs 1870 hereinbrachen. An die Stelle Mac Mahons trat als interimistischer Generalgouverneur der General Durieu. Die französische Regierung sah sich genötigt, einen großen Teil der afrikanischen Truppen seit Mitte Juli im Kriege gegen Deutschland zu verwenden. Schon dies rief Bewegungen unter den Stämmen des Südens hervor. Der Sturz Napoleons und die Einsetzung einer republikanischen Regierung aber mußten auch die politischen Verhältnisse der Kolonie erschüttern. Das Verlangen der europäischen Bewohner nach bürgerlichen Freiheiten und Abschaffung der Militärregierung fand bei dem republikanischen Regiment geneigtes Gehör. Es erfolgte die Einsetzung eines Zivilgouverneurs mit drei Präfekten für die Provinzen und die Krëierung eines jährlich im Oktober zu berufenden Komitees zur Beratung des Budgets. Durieu wurde abberufen und ein Zivilgouverneur ernannt. Dessen ungeachtet dauerte die Gärung fort. Eine offene Empörung des Stammes der Uled Sidi Scheich im Süden der Provinz Oran wurde nicht völlig unterdrückt. Aber erst im April 1871 nahm der Aufstand im Süden von A. größere Dimensionen an; die europäischen Ansiedler flohen massenweise von dem flachen Land in die Städte, der Scheich El Haddad suchte ganz Mittelkabylien zum Aufstand zu bringen, und seine Emissäre schweiften bis an die Grenze von Tunis. Eine Zeitlang schien der Besitzstand der Franzosen in A. ernstlich bedroht, bis es dem neuen Generalgouverneur, Admiral de Gueydon, unter schweren Kämpfen 1872 gelang, die französische Herrschaft im frühern Umfang wiederherzustellen. Wenn auch die drei algerischen Departements Deputierte in die französische Volksvertretung wählten, so ward doch auch von der republikanischen Regierung zunächst kein Zivilgouverneur wieder ernannt, vielmehr 1873 General Chanzy, einer der tüchtigsten Generale, mit der obersten Gewalt in A. betraut. Doch wurde demselben 1875 ein Conseil supérieur, aus Zivilbeamten bestehend, beigegeben. 1879 schienen die Zustande hinlänglich befestigt, um den Wünschen der europäischen Bevölkerung entsprechen und wiederum einen Zivilgouverneur, Albert Grévy, einsetzen zu können, dessen Gewalt sich übrigens bloß auf den Küstenstrich, ein Neuntel des algerischen Gebiets, beschränkte; die Stämme der Araber und Berber blieben unter militärischer Gewalt, die sie wenigstens im Zaum hielt, wenn sie dieselben auch nicht mit der französischen Herrschaft versöhnen konnte. Als daher Frankreich 1881 den Feldzug gegen Tunis begann und A. zeitweilig von Truppen entblößte, erhob sich im Westen ein kühner Häuptling, Bu Amema, und fügte durch kühne Streifzüge und Überfälle (z. B. auf Saida) den Franzosen und den europäischen Kolonisten empfindliche Verluste zu. Man sah sich daher nach Grévys Rücktritt wieder zur Verstärkung der militärischen Gewalt genötigt.

Vgl. Mac Carthy, Algeria Romana (Par. 1857); Boissière, L'Algérie romaine (2. Aufl., das. 1883, 2 Bde.); Fillias, Histoire de la conquête et de la colonisation de l'Algérie, 1830-60 (das. 1860); Heim, Geschichte der Kriege in Algier (Königsb. 1861, 2 Bde.); Ault-Dumesnil, Relation de l'expédition d'Afrique en 1830 et de la conquête d'Alger (2. Aufl., Par. 1869; enthält auch die frühere Geschichte des Landes); Nettement, Histoire de la conquête d'Alger (2. Aufl., das. 1871); Rousset, La conquête d'Alger (das. 1879).

Algerienne (spr. alsche-), in lebhaften Farben quergestreifter Wollenstoff, wird in Algier gewebt und dient zu Zelten, Vorhängen etc.; wird in Europa in leichterer Ware nachgeahmt.