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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Ausdruck - Ausflußgeschwindigkeit.

Ausdruck, überhaupt die äußere Darstellung einer Empfindung oder Vorstellung, sei es in Worten, Tönen, Mienen oder Gebärden. Ästhetisch ist A. die angemessene und der Idee des Schönen entsprechende Äußerung eines innern Zustandes, einer innern Stimmung, so in der Rhetorik, Musik und in den bildenden Künsten. Der rhetorische A. (elocutio) muß sich zuvörderst nach den Regeln der Grammatik und in der Sphäre des logischen Denkens bewegen. Nimmt aber die Rede einen höhern Schwung an, soll sie ein lebhaftes Gefühl, eine individuelle Gesinnung darlegen, so muß auch der rhetorische A. eine besondere Färbung gewinnen und nicht bloß grammatisch und logisch richtig, sondern schön und dabei sprechend und seelenvoll sein. Dann wird die Rede selbst ein Kunstprodukt. - In den bildenden Künsten besteht der A. darin, daß das Kunstwerk die Idee des Künstlers scharf und wahr darstellt, wobei die jeder Kunst eigentümlichen Mittel des Ausdrucks ihre Sphäre bestimmen. - In der Musik ist A. die feinere Nüancierung im Vortrag musikalischer Kunstwerke, welche die Notenschrift nicht im einzelnen auszudrücken vermag; sie umfaßt alle die kleinen Verlangsamungen und Beschleunigungen (Agogik), die dynamischen Schattierungen, Accentuationen und verschiedenen Tonfärbungen durch die Art des Anschlags (Klavier), Strichs (Violine etc.), Ansatzes (Blasinstrumente, Singstimme) etc., welche in ihrer Gesamtheit als ausdrucksvolles Spiel bezeichnet werden. In der Mathematik ist A. s. v. w. Formel.

Ausdünstung, im allgemeinen die Ausscheidung von gasförmigen Stoffen aus festen Körpern, welche keiner andern als der natürlichen (nicht künstlich erhöhten Wärme) ausgesetzt sind. In der Physiologie und Medizin die Ausscheidung von Wasserdampf und andern dampf- oder gasförmigen Substanzen durch die Haut. Der eigentümliche Geruch der A. rührt meist von fetten Säuren her. Erhöht wird die A. durch Trockenheit und Bewegung der Luft, hohe Temperatur, Anstrengung, Erregung, reichlichen Genuß von Getränken etc. Auch die Qualität und Quantität der riechenden Substanzen wird durch mancherlei Körperzustände, große Anstrengung, Krankheit, Erregungen, in hohem Grad beeinflußt. Über die A. der Lunge s. Atmung.

Auseinandersetzungssachen, Angelegenheiten der innern Landeskultur und Bodenverbesserung, bei welchen eine Mitwirkung der öffentlichen Behörden eintritt. Dazu gehören die Ablösung der Grundlasten, die Gemeinheitsteilungen, die Zusammenlegung der Grundstücke, die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Eigentumsverhältnisse, die Regelung von Grundgerechtigkeiten und die Bildung von Genossenschaften und Verbänden im Interesse der Landeskultur. Als Auseinandersetzungsbehörden fungieren in manchen Staaten die ordentlichen Verwaltungsbehörden, in andern die ordentlichen Gerichte; in andern Staaten wiederum sind besondere Auseinandersetzungsbehörden, namentlich zur Erledigung der Ablösung (s. d.) der Grundlasten, eingesetzt.

Ausfall, das Herausbrechen einer Truppenmasse aus einer Stellung, namentlich aber Offensivunternehmungen der Garnisonen belagerter Festungen, um den Belagerer an der Durchführung des Angriffs zu hindern, Lebens- und Hilfsmittel einzutreiben, sich Kommunikationen offenzuhalten etc.; vgl. Festungskrieg. Im Exerzierreglement der Kavallerie ist A. der in schnellster Gangart bewirkte Übergang eines Teils der Truppe aus der geschlossenen zur zerstreuten Ordnung behufs Verfolgung des Feindes od. dgl. - In der Fechtkunst ist A. (passe) das schnelle Vorsetzen des rechten Fußes und der damit verbundene Angriff des Gegners durch Stoß oder Hieb, beim Hiebfechten auch Vortritt genannt. Beim Stoßfechten muß das Auftreten mit dem Fuß hörbar sein, beim Hiebfechten dagegen geschieht es leise und so, daß während des Hiebes das rechte Knie gebogen und der Fuß in gerader Richtung nach dem Gegner gesetzt wird. Je schneller der A., namentlich beim Stoß, ist, desto sicherer der Erfolg, wenn gleichzeitig die Waffe gut geführt wird.

Ausfallbatterien, Feldbatterien, welche in Festungen formiert werden, um bei Ausfällen der Besatzung mitzuwirken.

Ausfallthor, in ältern Festungen, besonders in Citadellen, ein ins Freie führendes Thor, das in der Regel nur zum Ausfall oder zur Verbindung mit den Außenwerken geöffnet wird. Im bedeckten Weg ist der entsprechende Ausgang (sortie) mit einem Palissadenthor oder Gatter (Ausfallgatter) geschlossen. In den neuern Festungen dienen die Friedenskommunikationen oder Poternen als Ausfallthore (vgl. Ausgang).

Ausfertigung, die von einer Amtsperson oder Behörde in vorschriftsmäßiger oder üblicher Form ausgestellte Urkunde, namentlich die Reinschrift einer solchen im Gegensatz zum Konzept. Von besonderer Bedeutung sind in dem modernen Prozeßverfahren die vollstreckbaren Ausfertigungen, worunter man die Ausfertigungen von Urteilen, Entscheidungen, Vergleichsverhandlungen und Schuldurkunden versteht, welchen am Schluß von der dazu befugten Amtsperson die Vollstreckungsklausel beigefügt ist, d. h. die von der Behörde, gewöhnlich dem Gerichtsschreiber, unterschriebene und mit dem amtlichen Siegel versehene Erklärung: "Vorstehende A. wird dem N. N. zum Zweck der Zwangsvollstreckung erteilt". Vgl. Deutsche Zivilprozeßordnung, § 662 ff.

Ausflammen, ein Gewehr oder Geschütz nur mit einer Pulverladung abfeuern, um das Innere des Rohrs zu erwärmen, bei gezogenen Rohren mit Bleiführung auch Bleirückstände zu entfernen.

Ausflußgeschwindigkeit, die Geschwindigkeit, mit welcher ein flüssiger oder gasförmiger Körper aus einer Öffnung des ihn enthaltenden Gefäßes ausströmt. Da während des Ausströmens eines bestimmten Flüssigkeitsquantums stets eine gleichgroße Flüssigkeitsmenge von der Oberfläche bis zum Niveau der Öffnung herabsinken muß, so ist die A. gleich der Geschwindigkeit, welche ein Körper erlangen würde, wenn er vom Flüssigkeitsspiegel bis zur Ausflußöffnung frei herabfiele (Torricellis Lehrsatz). Bezeichnet man daher mit v die A., mit h die vertikale Tiefe der Öffnung unter der Flüssigkeitsoberfläche (Druckhöhe) und mit g die Beschleunigung der Schwere (g = 9 m,81 ^[9^{m},81]), so ist ^[img]. Die A. hängt demnach nur von der Druckhöhe, nicht aber von der Natur der Flüssigkeit ab, so daß z. B. bei gleicher Druckhöhe Wasser und Quecksilber gleichschnell ausfließen. Da der Druck in einer Flüssigkeit nach allen Richtungen hin gleichstark wirkt, so ist es für die A. gleichgültig, ob sich die Öffnung im Boden oder in einer Seitenwand des Gefäßes befindet, ob der ausfließende Strahl nach abwärts, nach seitwärts oder nach aufwärts (Springbrunnen) gerichtet ist. Hätte der ausfließende Strahl eine cylindrische Gestalt, so könnte man das pro Sekunde ausgeflossene Flüssigkeitsvolumen leicht berechnen, indem man die A. mit dem Flächeninhalt der Öffnung multipliziert. Der Strahl ist jedoch nicht cylindrisch, sondern er zieht