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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baden

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Baden (Geschichte: Errichtung des Großherzogtums; Erbfolgefrage; Verfassung).

Errichtung des Großherzogtums Baden.

Bald brachen die Stürme der französischen Revolution über das Land herein. Der Revolutionskrieg berührte zwar in den ersten Jahren B. nur insofern, als es sein Kontingent zur Reichsarmee stellte; aber nach dem Übergang Moreaus über den Rhein bei Kehl (21. Juni 1796) wurde B. Schauplatz des Kriegs, Karlsruhe von den Franzosen besetzt, und Karl Friedrich sah sich genötigt, zu Stuttgart einen Waffenstillstand mit Moreau zu schließen (25. Juli 1796), auf welchen dann 25. Aug. 1796 der Friedensschluß zu Paris folgte. B. mußte den Frieden durch Abtretung seiner Besitzungen auf dem linken Rheinufer und der Festung Kehl, durch eine Kontribution von 2 Mill. Frank und ungeheure Lieferungen erkaufen; es gewann aber besonders aus Rücksicht auf den dem Markgrafen Georg Friedrich nahe verwandten Kaiser Alexander von Rußland durch den Lüneviller Frieden 1801 und durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Juli 1803 als Entschädigung für seine Abtretungen mit der kurfürstlichen Würde alle diesseit des Bodensees und Rheins gelegenen Besitzungen des Fürstbischofs von Konstanz und Reste der Bistümer Basel, Straßburg und Speier, die pfälzischen Ämter Bretten, Heidelberg, Ladenburg und Mannheim mit den Ämtern Lichtenau und Willstädt, das Stift Odenheim nebst den Abteien Frauenalb, Schwarzach, Allerheiligen, Lichtenthal, Gengenbach, Ettenheim, Petershausen und Salmansweiler, dann die Herrschaft Lahr und endlich die Reichsstädte Offenburg, Gengenbach, Zell, Überlingen, Pfullendorf und damit die fruchtbarsten Bezirke am Neckar, Rhein und Bodensee, zusammen 3800 qkm mit 240,000 Einw. Auch Kehl wurde wieder an B. abgetreten und der Thalweg des Rheins zur Grenze zwischen B. und Frankreich bestimmt. Nach diesen Erwerbungen teilte Karl Friedrich das neue Kurfürstentum B. in drei Provinzen ab: die badische Markgrafschaft, die badische Pfalzgrafschaft und das obere Fürstentum, deren gesamter Flächenraum sich auf 7200 qkm mit ungefähr 495,000 Seelen belief. Zu dem Bund mit Napoleon I. nach Bayerns und Württembergs Vorgang im Juni 1805 genötigt, erhielt B. durch den Frieden von Preßburg einen neuen Zuwachs in den alten zähringischen Stammlanden, den Breisgau mit Freiburg und die Baar mit Villingen, die Ortenau, das Stift St. Blasien, die Grafschaft Bonndorf und die Stadt Konstanz (2530 qkm mit 160,000 Einw.), worauf der Kurfürst auch den Titel eines Herzogs von Zähringen wieder annahm. Am 5. Mai 1806 erklärte sich der Kurfürst für den unumschränkten Souverän des Landes, indem er die ständische Verfassung des Breisgaus aufhob, die in dem Altbadischen längst erloschen war. Am 12. Juli 1806 trat Karl Friedrich dem Rheinbund bei mit der Verbindlichkeit, für denselben ein Kontingent von 8000 Mann zu stellen. Dies erwarb ihm nebst dem großherzoglichen Titel die Souveränität über sämtliche in seinem Land gelegene unmittelbare Reichsstände und Reichsrittergüter, namentlich über den größten Teil des Fürstentums Fürstenberg, über das Fürstentum Leiningen, die Landgrafschaft Kleckgau und die Grafschaft Thengen, über die Besitzungen der Fürsten und Grafen von Löwenstein-Wertheim auf dem linken Ufer des Mains und des Fürsten von Salm-Krautheim auf dem nördlichen Ufer der Jagst, im ganzen 5500 qkm mit 380,000 Einw. Das neue Großherzogtum (mit einer Bevölkerung von ungefähr 900,000 Seelen) wurde hierauf in drei Provinzen, bald darauf aber in zehn Kreise eingeteilt. Die nun folgenden Napoleonischen Kriege kosteten B. Menschen und Geld und vermehrten die Schulden des Landes. Das badische Kontingent nahm zunächst an dem Kriege gegen Preußen (1806-1807) teil; 1808 ging eine Brigade mit nach Spanien, und der Überrest des Kontingents kämpfte 1809 gegen Österreich. Nach dem Wiener Frieden 1809 bekam das Großherzogtum einen abermaligen Zuwachs von 550 qkm mit 30,000 Einw., indem Württemberg einen Landstrich von 750 qkm mit 45,000 Einw. an B. und dieses wieder 230 qkm mit 15,000 Einw. an das Großherzogtum Hessen abtrat. Karl Friedrich starb 10. Juni 1811 im 65. Jahr seiner Regierung und hinterließ seinem Enkel und Nachfolger Karl Ludwig Friedrich, dessen Vater Karl Ludwig als Erbprinz 15. Dez. 1801 zu Arboga in Schweden verstorben war, ein blühendes Land von 15,000 qkm mit 975,000 Einw.

Die badische Erbfolgefrage und die Erteilung der Verfassung.

Karl Ludwig Friedrich trat die Regierung in einer schweren, kriegerischen Zeit an. Ein Teil des badischen Rheinbundskontingents kämpfte in Spanien, und der Rest desselben ging 1812 mit nach Rußland; 1813 mußten die Truppen ganz neu organisiert werden, um aufs neue für Napoleon I. zu kämpfen. Als 1813 nach der Schlacht bei Leipzig sich der Rheinbund auflöste, trat auch der Großherzog der Allianz gegen Napoleon und 1815 auf dem Wiener Kongreß dem Deutschen Bund bei, worauf ihm der Besitzstand und die Unteilbarkeit des Großherzogtums, dessen Bevölkerung auf mehr als 1 Mill. Seelen gestiegen war, von den Mächten garantiert wurden. Indes wurde die Integrität des badischen Staatsgebiets von Bayern angefochten, welchem in wiederholten Territorialverträgen für seine Abtretungen an Österreich von diesem der Zusammenhang seines Gebiets zugesichert und zu diesem Zweck beim Aussterben der direkten Nachkommenschaft des regierenden Großherzogs Karl der badische Teil der ehemaligen Kurpfalz, bis dahin die Zahlung einer "Kontiguitätsentschädigung" versprochen worden war. Nun starben die beiden Prinzen, welche die Großherzogin Stephanie nach längerer kinderloser Ehe gebar, kurz nach ihrer Geburt unter Umständen, welche zu düstern Gerüchten und später sogar zu der übrigens grundlosen Behauptung Anlaß gaben, daß der Findling Kaspar Hauser (s. d.) einer dieser Prinzen sei. Auch die jüngern Söhne Karl Friedrichs aus der ersten Ehe mit einer hessischen Prinzessin, die Oheime des Großherzogs Karl, hatten keine successionsfähigen Erben. Die badische Erbfolge beruhte daher auf den Söhnen Karl Friedrichs aus seiner zweiten Ehe mit der Freiin Luise Geyer v. Geyersberg, den Grafen von Hochberg, welche durch großherzogliches Edikt vom 4. Okt. 1817 zu Markgrafen von B. ernannt und als successionsfähige Prinzen von B. anerkannt wurden. Gegen dieses Edikt legte Bayern feierlichen Protest ein, erklärte die Grafen von Hochberg für nicht successionsfähig und bemühte sich, seine Ansprüche bei den Mächten zur Geltung zu bringen. Indes auf dem Aachener Kongreß (1818) gelang es dem badischen Minister v. Berstett, den russischen Kaiser, dessen Gemahlin eine badische Prinzessin war, ganz für die badische Sache zu gewinnen, und da weder Preußen noch Österreich Bayern, das auf dem Wiener Kongreß so anmaßend aufgetreten war, eine neue Gebietsvergrößerung gönnten, so wurde Bayern auf dem Kongreß gezwungen, sich mit dem pfälzischen Amt Steinfels und 2 Mill. Fl.