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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baden

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Baden (Geschichte: 1859-1866).

sicht über den Religionsunterricht in den Schulen sowie über die theologische Fakultät in Freiburg, die Mitverwaltung des Kirchenvermögens etc.

Die Aufregung im Land über dieses Preisgeben der wichtigsten Staatsrechte und Kulturinteressen war ungeheuer und zwar nicht nur unter den Protestanten, sondern auch unter den aufgeklärten Katholiken. Durch Deputationen und in Adressen wurde der Großherzog gebeten, das gefürchtete Unglück des Konkordats von seinem Land abzuwenden. Die Denkschrift der Liberalen, welche in Durlach eine Zusammenkunft abgehalten hatten, und eine besondere Schrift des Vizepräsidenten der Ersten Kammer, Stabel, bewiesen, daß die Verfassung durch das Konkordat verletzt sei, und daß dies durch den Landtag genehmigt werden müsse. Die Ende 1859 zusammentretenden Kammern schlossen sich dieser Ansicht an und nahmen im Frühjahr 1860 mit großer Majorität den Antrag an, das Konkordat für nicht rechtsverbindlich zu erklären und den Großherzog zu bitten, dasselbe nicht in Wirksamkeit treten zu lassen, vielmehr die kirchlichen Angelegenheiten durch die Gesetzgebung zu regeln. Der Großherzog erfüllte die Bitte der Kammern und der überwiegenden Mehrheit des badischen Volks. Im April wurden Meysenbug und Stengel ihrer Ministerposten enthoben, Oberhofrichter Stabel zum Staatsminister der Justiz (mit einstweiliger Leitung des Auswärtigen) und Lamey, Professor in Freiburg und Mitglied der Zweiten Kammer, zum Präsidenten des Ministeriums des Innern ernannt. Eine Proklamation des Großherzogs vom 7. April enthielt das Programm der neuen Regierung. Dieselbe wies den Protest des Erzbischofs, welcher in seinem Ausschreiben vom 21. April das Konkordat als zu Recht bestehend erklärte, in einem Erlaß vom 7. Mai zurück und legte 22. Mai der Zweiten Kammer sechs Entwürfe zur Regelung der kirchlichen Verhältnisse vor, welchen der Landtag bereitwillig seine Zustimmung gab, während der Erzbischof dagegen Protest erhob und Antonelli auf die Notifikation, daß B. das Konkordat nicht zur Ausführung zu bringen entschlossen sei, auf die schroffste Weise antwortete. Wegen Besetzung der Kirchenpfründen, Verwaltung des Kirchenvermögens und Einsetzung eines katholischen Oberstiftungsrats kam es nach langen Verhandlungen zu einer Vereinbarung mit dem Erzbischof, welcher die am 20. Nov. 1861 publizierten gesetzlichen Bestimmungen in einem Schreiben vom 4. Dez. anerkannte, wenn auch unter obligatem Vorbehalt.

Ein neuer Streit mit den katholischen kirchlichen Behörden brach aus, als die Regierung mit den Kammern 1864 ein neues Schulgesetz vereinbarte, welches die örtliche Schulaufsicht, statt den Pfarrern allein, kollegialisch organisierten Schulbehörden übertrug, in denen der Pfarrer nur eine Stimme hatte. Doch fügte sich schließlich die erzbischöfliche Kurie und erlaubte den katholischen Geistlichen den Eintritt in diese Behörden, um nicht allen Einfluß auf die Schule zu verlieren.

Die deutsche Politik Badens.

Der Ministerwechsel von 1860 bewies nicht bloß in der kirchlichen Frage einen vollständigen Umschwung, sondern bezeichnete auch den Beginn einer konstitutionellen und nationalen Ära in B. Der Großherzog und das Ministerium, welches sich 1861 durch den Eintritt Roggenbachs als Minister der auswärtigen Angelegenheiten und 1863 durch den Mathys ergänzte, der die Finanzen, dann auch den Handel übernahm, waren aufrichtig bemüht, eine echt volkstümliche, friedliche Entwickelung zu befördern. Zu diesem Zweck wurde 1862 eine bedingungslose Amnestie erlassen und 1863 die Neugestaltung der Administration im Sinn der Selbstverwaltung der Gemeinden durchgeführt. Am Bundestag, an dem Robert v. Mohl seit 1861 B. vertrat, wirkte die badische Regierung fortan für die Beförderung der freiheitlichen und nationalen Aufgaben des deutschen Volks. Sie beantragte beim Bunde die Wiederherstellung der kurhessischen Verfassung und bemühte sich, in Sachen der Bundesreform zwischen den preußischen Vorschlägen und der schroff ablehnenden Haltung der Mittelstaaten zu vermitteln. Auf dem Frankfurter Fürstenkongreß im August 1863 erschien der Großherzog, wenngleich er gegen das österreichische Bundesreformprojekt, namentlich gegen die Delegiertenversammlung, ernste Bedenken hegte und es im ganzen nicht billigte. In der schleswig-holsteinischen Frage trat B. mit der Mehrzahl des deutschen Volks und der deutschen Regierungen für das Erbfolgerecht des Herzogs von Augustenburg ein, und dies führte zu einer Entfremdung gegenüber Preußen, zumal der dortige Verfassungskonflikt die Sympathien der liberalen Majorität der badischen Kammern für Preußen erheblich abkühlte. Daher trat der preußenfreundliche Roggenbach im Oktober 1865 zurück, und Edelsheim übernahm die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, der, als 1866 der Konflikt zwischen Preußen und Österreich immer schärfer wurde, sich ganz an die übrigen Mittelstaaten anschloß und entschieden damit einverstanden war, daß der Bund die ihm von Österreich angetragene Regelung der schleswig-holsteinischen Sache auch gegen Preußen übernehmen solle. Die Kammern stimmten ihm bei und bewilligten die im Mai und Juni geforderten außerordentlichen Kredite für die Ausrüstung und Mobilmachung des badischen Kontingents. Der Großherzog gab nur ungern seine Zustimmung zu der kriegerischen Haltung des Kabinetts. Indes nachdem die preußische Regierung erklärt hatte, daß sie im Fall eines Kriegs B. militärisch zu schützen nicht im stande sei, nachdem ein vom Großherzog selbst in Dresden unternommener Versöhnungsversuch gescheitert war, gab er den Wünschen der meisten Minister und der Volksströmung nach, zumal B. seine Neutralität gegen die überlegenen Nachbarstaaten nicht hätte behaupten können. Zwar enthielt sich B. 14. Juni der Abstimmung über den österreichischen Mobilmachungsantrag, stimmte aber 16. Juni dafür, daß Sachsen die erbetene Bundeshilfe gegen Preußen geleistet werde, worauf Mathy und die Ministerialräte Jolly und Freydorf ihre Entlassung nahmen. Das badische Kontingent unter Prinz Wilhelm vereinigte sich in Frankfurt mit dem 8. Bundeskorps unter Alexander von Hessen. Allerdings vermied es der Prinz, seine Truppen durch verkehrte Märsche nutzlos aufzureiben und einen feindlichen Zusammenstoß mit der preußischen Mainarmee absichtlich herbeizuführen, weswegen er von den Demokraten und Partikularisten des schnödesten Verrats beschuldigt wurde. Auf dem Rückzug des 8. Korps von Darmstadt nach Würzburg lieferte die badische Division der Mainarmee die Gefechte von Hundheim (23. Juli) und Werbach (24. Juli). Da aber inzwischen schon die Entscheidung in Böhmen und Mähren gefallen war und auch ein weiterer Kampf am Main gänzlich zwecklos schien, so nahm der Prinz seit 25. Juli an den kriegerischen Operationen nicht mehr teil, schloß 28. Juli einen Waffenstillstand mit den Preußen und führte seine Truppen in die Heimat zurück. Schon vorher war hier ein Ministerwechsel erfolgt. Auf die Kunde von dem