Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Basch-Kadun; Baschkiren

416

Basch-Kadun - Baschkiren.

sie meisterhaft verstehen, in der Regel auch mehrere Pistolen und einen Dolch. Diese wilden Massen führen meist den Krieg auf eigne Hand und durchstreichen als Räuber die Provinzen. Sowohl im Orientkrieg als im russisch-türkischen Krieg von 1877 bis 1878 machten sie sich durch ihre Greuelthaten berüchtigt; es gelang nicht, sie zu organisieren, und sie mußten mehrmals von Linientruppen entwaffnet werden.

Basch-Kadun (türk., "Oberfrau"), Name der vier rechtmäßigen Frauen des Sultans.

Baschkiren (richtiger Baschkurten, "Bienenführer"), ein zur uralisch-altaischen Gruppe der Mongolen gehöriges tatarisches Volk im europäischen Rußland. Die B. hatten zu jenem Teil der Bulgaren gehört, der sich der Oberhoheit der Chasaren entzog, nach W. ging und später das ungarische Reich gründete. Sie selbst waren jedoch am Ural geblieben, Mohammedaner geworden und hatten sich schließlich tatarisiert, so daß Sitten, Lebensweise und Kleidung ganz tatarisch sind. Nach der Zerstörung des Chanats von Kasan begaben sie sich unter russischen Schutz, versuchten denselben jedoch in mehreren Aufständen wieder abzuschütteln, was ihre völlige Unterwerfung und kosakenartige Formation zu dem sogen. Baschkirenheer zu Folge hatte. Nach dem Pugatschewschen Aufstand, an welchem sie sich beteiligt, sind sie ein ruhiges, träges, sorgloses Volk geworden, das nur noch wegen seiner Pferdediebstähle von den Nachbarn gefürchtet wird. Die militärische Organisation der B. ist in der letzten Zeit aufgehoben, und sie sind dem russischen Bauernstand einverleibt worden. Sie wohnen, 757,300 Seelen stark, meist im Gouvernement Ufa, dann in Orenburg, weniger in Perm, Samara und Wjatka und befinden sich im Übergang vom Nomaden- zum seßhaften Leben. Dem Äußern nach gleichen sie den Tataren. Sie haben ein plattes Gesicht mit großen Ohren und schwachem Bart und einen untersetzten, kräftigen Gliederbau. Unter den Weibern und Mädchen finden sich manche hübsche Gesichter, nur sind sie oft entstellt durch Pocken und syphilitische Krankheiten. Ihr Unterricht beschränkt sich auf Lesen und Erlernung einiger religiöser Sätze. Ihre Sprache ist ein besonderer Dialekt des Tatarischen. Sie bekennen sich zum Islam und sind Sunniten; ihre Mollas (Priester) stehen unter dem in Ufa residierenden Mufti. Lieblingsbeschäftigung der B. ist die Jagd, zu der sie sich nicht nur der Hunde, einer Art ausgearteter Windspiele, sondern auch äußerst geschickt abgerichteter Geier (Falco fulvus) bedienen. Ihr Hauptreichtum besteht aber in den Herden. Durch die trefflichen Grasungen ihres Gebiets selbst darauf hingewiesen, ist ihnen die Pferdezucht das Wichtigste. Sie erhalten dadurch Zug- und Lasttiere, Milch und eßbares Fleisch; die Häute geben ihnen Kleidung und Schläuche (Gefäße), die Haare Decken, Stricke und ähnliche Bedürfnisse des Haushalts. Selbst ein gemeiner Baschkir hält selten unter 30 Pferde, wohlhabendere bis 500, und bei den reichsten zählt man 1000, ja 2000 Stück. Daneben ziehen sie auch Rindvieh, Kamele und Schafe, gewöhnlich Fettschwänze, und sind besonders vorzügliche Bienenwirte. Ihre sehr eigentümliche Bienenzucht beschäftigt sich großenteils mit den Waldbienen, und sie treiben dieselbe so stark, daß sie außer ihren Bienengärten mehrere Hundert, ja bis 1000 wilde Bienenstöcke in den Waldungen haben. Den Winter verleben die B. großenteils in ihren Dörfern, aber mit Anbruch des Frühlings ziehen sie mit ihren Pferden und Schafherden hinab in die grasreichen Ebenen, wo sie teils in mitgeführten Filzzelten (Kibitken), in Hütten aus Stangen und Baumrinde (Alassiks), teils in einem aus Balken gezimmerten Sommerhaus (Ui) leben. Die meiste Arbeit fällt den Frauen zu. Diese warten und melken die Kühe und Stuten, bereiten aus gegorner Stutenmilch den sogen. Kumys, das Lieblingsgetränk der B., ebenso die Hauptnahrung, den Krut, einen trocknen, steinharten, sauren Käse; sie gerben Häute und Felle, nähen Kleider und Stiefel; nach der Rückkehr vom Auszug bessern sie den Ofen aus, überziehen die Fenster mit Blase, richten Grütze und Hanf zu, spinnen Wolle, fertigen Tuch, Handschuhe, Kaftane, gerben Schaffelle und walken Filze für die Kibitken. Die Kleidung, mit der die B. gern prunken, und die sie oft fünfmal des Tags wechseln, besteht bei den Männern in einem weiten blauen oder roten Kaftan von Nanking oder Tuch, aus Pantalons, einem Gürtel und einer hohen Filz- oder Pelzmütze in Kegelform mit aufwärts abstehendem Rand. Bei ihren Winterpelzen, gewöhnlich von Pferdehäuten, lassen sie die Mähne längs des Rückens hinabfliegen, was ihnen ein seltsames Ansehen gibt. Die Weiber tragen einen langen Kaftan aus Seide oder Nanking, mit bunten Lappen und Silbermünzen besetzt. Ihr gewöhnlicher Kopfputz ist das Kaschbid, ein dicht mit roten Glasperlen, Korallen etc. belegtes Mützchen. Die Mädchen gehen mit bloßem Haar. Die Gebräuche sind tatarisch; ihre Toten begraben sie nicht auf gemeinschaftlichen Friedhöfen, sondern an vereinzelten Plätzen, welche die Sterbenden selbst erwählen. Zu den Kunstfertigkeiten dieses Volks gehört das Spiel auf einer Flöte mit vier Löchern, wobei die Spielenden die Melodie mit einem in der Kehle gebildeten Grundton begleiten. Als Krieger sind die B. mittelmäßig, aber ausgezeichnete Reiter; ihr größtes Vergnügen sind Pferderennen. Ihre gewöhnlichen Waffen sind Pike und Bogen. Vgl. Ujfalvy, Über B. etc. ("Russische Revue" 1877, Heft 11).

Geschichtliches. Die B., ein ursprünglich finnisches Volk, standen seit dem 13. Jahrh. unter der Herrschaft der Tataren von Kasan; als 1552 der furchtbare Iwan Kasan unterwarf, erkannten bald nachher (1556) die B. freiwillig seine Oberherrschaft an und erhielten die von ihnen besetzten Ländereien zum Geschenk. Die B. mußten den Russen Tribut (Jassak) im Winter auf Schneeschuhen bis nach Kasan bringen, wo sie unentgeltlich Salz aus den permischen Salzsolen erhielten. Das Salzgeschenk wie die Entrichtung des Zinses hörten 1574 auf. Zum Schutz gegen räuberische Anfälle wurde auf Bitte der B. selbst Ufa, jetzt Gouvernementsstadt, 1574 von dem Bojaren Nagoi gegründet, das die bedrängten B. oftmals in seine Mauern aufnahm. Ihrerseits aber unternahmen die B., bisweilen im Verein mit den Kirgisen, Raubzüge. Die B. wurden eingeteilt nach den vier Hauptwegen aus Ufa: in B. des sibirischen, kasanschen, ossinischen (nach Ossa) und nogaischen Wegs. Mehrmalige Aufstände derselben wurden von den Russen unterdrückt. Erwähnenswert ist besonders die Rebellion der B. 1707, bei welcher die Tataren und Tscheremissen zu den B. stießen und mit ihnen Kasan bedrohten. Zu dem letzten und bedeutendsten Aufstand, welcher fast sechs Jahre währte, gab die den B. verdächtige Gründung Orenburgs (1734) Veranlassung. Während desselben kamen viele Tausende von ihnen um. Die unterworfenen B. entrichteten fortan 25 Kopeken vom Hof oder von der Kibitke, wogegen sie in Orenburg Salz erhalten sollten. Außerdem mußten sie auf Verlangen Truppen für den Liniendienst stellen. 1754 ward ihnen das Salzgeschenk abermals entzogen, aber auch jede