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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bayern

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Bayern (Geschichte: 1809-1815).

porationen wurden aufgehoben, die Leibeigenschaft und die Adelsvorrechte abgeschafft, die Konskription eingeführt, ein gleichmäßiges Justiz- und Steuerwesen errichtet, das Land mit absichtlicher Mißachtung des historischen Herkommens und der Stammesverschiedenheit in geographische Kreise eingeteilt. Die verheißenen Kreis- und Reichsstände traten nicht ins Leben. In dieser Beziehung, ebenso in Bezug auf Preßfreiheit und persönliche Sicherheit blieb die Verfassung ein toter Buchstabe. Dagegen wurde die Verwaltung nach französischem Muster geordnet, und die zum Teil wirklich segensreichen Reformen, wie die neue Agrargesetzgebung, die Ablösung der Zehnten und Fronen, die Aufhebung der Klöster u. a., wurden auf rein büreaukratischem Weg durchgeführt. Auch die Schule sollte gehoben und die Wissenschaft gepflegt werden, zu welchem Zweck berühmte Gelehrte, auch protestantischen Glaubens, wie Thiersch, Feuerbach, Jacobi u. a., nach München berufen wurden. Indes deren Thätigkeit blieb in der dumpfen Atmosphäre des Altbayertums lange eine fruchtlose. Die Hebung des Wohlstandes und die Besserung der Finanzen wurden aber immer wieder durch neue Kriege unterbrochen.

Der Kampf zwischen Österreich und Frankreich von 1809, verbunden mit dem von ersterm begünstigten Aufstand im Inn-, Eisack- und Etschkreis (Tirol) und im Illerkreis (Vorarlberg), nahm die Kräfte des Landes und die Thätigkeit der Regierung abermals in Anspruch. Der Wiener Friede vom 14. Okt. 1809 brachte neue Gebietsveränderungen. Nach einem zu Paris 28. Febr. 1810 geschlossenen Vertrag trat B. das südliche Tirol an Frankreich (Italien), nach einem andern vom 26. Mai Schweinfurt und einige Teile des Mainkreises an das Großherzogtum Würzburg, dann nach einem vom 18. Mai Buchhorn, Wangen, Ravensburg, Leutkirch, Ulm, Bopfingen mit ansehnlichen Gebietsteilen (zusammen mit 491,000 Einw.) an Württemberg ab, erhielt aber dagegen die Markgrafschaft Baireuth, die Fürstentümer Regensburg, Salzburg, Berchtesgaden, das Innviertel und einen Teil des Hausruckviertels (zusammen mit 565,000 Einw.), so daß B. neuerdings 75,000 Einw. gewann und nun über 3,300,000 Einw. umfaßte. Diese außerordentlichen Erfolge, die B. als Bundesgenosse Frankreichs errang, erweckten in seinen Staatsmännern und Feldherren die Hoffnung, die Stellung in Deutschland gewinnen zu können, welche Preußen durch seinen schmählichen Sturz 1807 für immer verloren zu haben schien. Die Aussichten auf das Gelingen waren für B. nicht ungünstig und das Streben daher nicht unberechtigt. Nur machten die Überhebung, mit der man in B. den Napoleonischen Königstitel nur als die Wiederherstellung des alten bayrischen Königtums angesehen wissen wollte, die Beschönigung der Schmach des Anschlusses an das Ausland durch den versuchten Nachweis, daß die Bayern oder Bojer keine Germanen, sondern Kelten seien, die gemeine Verdächtigung aller nationalen und freisinnigen Bestrebungen, die Roheit der bayrischen Soldateska in Tirol u. a. in ganz Deutschland den ungünstigsten Eindruck und Napoleon sorgte durch immer neue Kriege dafür, daß B. nicht dazu kam, sich aus dem Verhältnis willenloser Unterordnung unter seine Befehle zu befreien. B. war der mächtigste der Rheinbundsstaaten, sonst blieb es aber nur Frankreichs Vasall.

Im J. 1812 stellte B. sein Kontingent von 30,000 Mann zu der großen Armee, die Napoleon nach Rußland führte; im November gingen noch 10,000 Mann Ersatzmannschaften nach, welche zum Teil in den Oder- und Weichselfestungen verwendet wurden. Nur unbedeutende Trümmer kamen im Frühjahr 1813 zurück. Doch stellte Maximilian Joseph abermals frische Truppen unter Napoleons Befehl, als dieser in den letzten Tagen des Aprils den neuen Feldzug in Norddeutschland begann, während der übrige Teil, worunter viele mobil gemachte Nationalgarden, unter dem Feldmarschall Wrede am Inn eine beobachtende Stellung gegen Österreich nahm. Infolge der Fortschritte der Verbündeten im Herbst 1813 änderte aber der König Maximilian Joseph seine Politik und sagte sich noch vor der Entscheidungsschlacht von Leipzig von Frankreich los.

In dem Vertrag von Ried (8. Okt. 1813) erhielt er infolge hiervon und durch die Gunst der gegen eine Wiederherstellung des Deutschen Reichs gerichteten Metternichschen Politik den Besitzstand Bayerns und die Fortdauer seiner Souveränität garantiert, wogegen er sich verbindlich machte, ein Kontingent von 36,000 Mann gegen Frankreich zu stellen. Nun erklärte B. an Frankreich den Krieg (14. Okt.). Wrede, unter dessen Oberbefehl auch das gegen B. gesandte österreichische Korps gestellt ward, brach eilig vom Inn auf und rückte über Würzburg auf Hanau, um den Franzosen den Rückzug über den Rhein abzuschneiden, wurde aber von Napoleon 30. und 31. Okt. bei Hanau zurückgeworfen. Im Feldzug von 1814 fochten die bayrischen Truppen, mit der großen Hauptarmee unter Schwarzenberg vereinigt, ruhmvoll bei La Rothière, Bar und Arcis sur Aube und wohnten auch dem Feldzug von 1815 bei, ohne jedoch an einem bedeutendere Treffen teilnehmen zu können. Infolge des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 trat B. Tirol und Vorarlberg an Österreich ab, wofür es vorderhand die erledigten Fürstentümer Würzburg und Aschaffenburg in Besitz nahm. Nach dem Protokoll des Wiener Kongresses vom 3. Nov. sollten das Hausruck- und Innviertel sowie der bei weitem größte Teil von Salzburg an Österreich fallen, B. aber durch einen Teil der Departements des Donnersbergs und der Saar (356,855 Einw.), den Kanton Landau (53,887 Einw.), einige Ämter von Fulda (26,304 Einw.), das Amt Redwitz (3000 Einw.), mehrere darmstädtische Ämter (24,661 Einw.) und einen Teil des badischen Amtes Wertheim (4907 Einw.) entschädigt werden. B. weigerte sich lange, auf diese Übereinkunft einzugehen, bis 14. April 1816 zu München der Vertrag zwischen Österreich und B. unterzeichnet ward. B. trat an Österreich die genannten Gebiete mit 387,031 Einw. ab und erhielt dafür die erwähnten Territorien am linken Rheinufer mit 420,742 Einw., auf dem rechten Rheinufer jene fuldaischen Ämter und das Amt Redwitz, sowie auch Hessen (30. Juni) einige Ämter mit 24,667 Einw. abtrat. In geheimen Artikeln erhielt es das Versprechen, daß für den Fall des Aussterbens der direkten und männlichen Linie des regierenden Großherzogs von Baden der Teil der Rheinpfalz, welcher den Neckarkreis bildete, mit den Städten Mannheim, Heidelberg und Philippsburg und einer Bevölkerung von 167,000 Einw. an B. fallen solle (vgl. Baden, Geschichte, S. 236). B. umfaßte jetzt 81,000 qkm mit 3,377,000 Einw.

Bayern als konstitutioneller Staat bis 1848.

Wrede, der B. auf dem Wiener Kongreß vertrat, behauptete hier für B. den Standpunkt eines völlig unabhängigen souveränen Staats und protestierte daher gegen jede Beschränkung dieser Souveränität durch eine starke deutsche Zentralgewalt. Auch gegen