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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bewässerung

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Bewässerung (Petersens Wiesenbausystem).

die höchsten Erfolge und zwar in dem Grade, daß selbst sehr kostspielige Wasserzuleitung, aus weit entfernt liegenden Zuflüssen, mit Überleitung über Wege, Thäler oder Flüsse oder mit unterirdischen Leitungen und andern Kunstbauten, sich bezahlt macht. Es kostet der Hektar Rückenbau von 450-1200 Mk., aber trotz dieses großen Anlagekapitals wird eine richtig gebaute Wässerungswiese unter der Voraussetzung: "die lokalen Verhältnisse begründen den Bau", das Kapital reichlich verzinsen. Schmale Rücken erfordern das meiste Wasser, breite Rücken etwas weniger Wasser und geringeres Flächengefälle. Der vielen Gräben wegen ist die Bewirtschaftung solcher Kunstwiesen etwas teuer, die richtige Anlegung von Wegen erleichtert die Abfuhr. Die Neubildung der Grasnarbe erfordert viel Rasen zur Bedeckung oder bei der Ansaat große Vorsicht und längere Dauer der Nichtbenutzung. Poröser Boden, tief gelockert, darf nicht fehlen.

4) Das Petersensche Wiesenbausystem, erfunden von A. Petersen in Wittkiel bei Kappeln in Schleswig-Holstein, gewährt da, wo es überhaupt anwendbar ist, die Vorteile vollster Regulierung der Ab- und Zufuhr und zugleich die Möglichkeit der Wiederbenutzung des Areals zum Ackerbau ohne besondern Umbau. Dasselbe beruht hauptsächlich auf einer gut angelegten Drainage mittels Thonröhren (s. Entwässerung), wobei in den Sammeldrains Vorrichtungen (Tagröhren oder Schließstellen) angebracht werden, um den Abfluß zu hindern und sogar das Wasser zu zwingen, wieder auswärts zu steigen, so daß ein Vertrocknen ebensowenig wie ein Versumpfen möglich ist. Die Drains werden wie bei gewöhnlichen Drainagen angelegt, nur mit dem Unterschied, daß die Saugdrains das Hauptgefälle rechtwinkelig durchschneiden und nur nach einer Seite, nach obenhin, wirken. Gewöhnlich wird, wo die Saugdrains (wenn sie nicht zu eng liegen) auf den Sammeldrain stoßen, eine Tagröhre mit Schließvorrichtung zum Absperren des Abflusses angebracht und auf dieselbe ein Holzkasten, welcher über den Boden hervorragt, gesetzt. Wird dieser abgenommen und die Öffnung der Tagröhre durch ein Brett oder eine Steinplatte verschlossen, so kann ungehindert jede Ackerarbeit vorgenommen werden, und alsdann wird nur die Drainage in Thätigkeit erhalten. Will man das Grundstück als Grasland benutzen, so bringt man auf der Wiese Bewässerungsrinnen an, in welchen sich das der Wiese zugeführte Oberwasser ergießen kann. An der am höchsten liegenden Abteilung wird vom Hauptwasserzufluß aus das Wässerungswasser auf die Wiese geleitet und über die erste Abteilung (das erste System) verteilt. Ist die oberste Abteilung genugsam gesättigt, so öffnet man die Schließstelle und speist nun die zweite Abteilung u. s. f. Schließt man, im Fall die Sättigung nicht weiter gehen soll, die Ventile in den Schließstellen, so ist der Abfluß gesperrt, das Wasser steigt an bis zur Fallhöhe, und der Boden bleibt durchfeuchtet; ist die Sättigung genügend und, z. B. durch Regenfall, eine zu große Durchnässung zu befürchten, so kann sofort durch Öffnung der Ventile die Drainage wieder in Wirksamkeit treten und abwechselnd Berieselung, Feuchthaltung, Entwässerung und selbst bloßer Luftdurchzug zwischen Krume, Untergrund und Drainröhren bewirkt werden. Darin liegt der Vorzug dieses Systems, daß es die vollste Regulierung der Bodenfeuchtigkeit dem Kundigen in die Hand gibt und die volle Durchlüftung des Bodens, die den Pflanzen so wohlthätig ist, gestattet. Das System ist auch da anwendbar, wo wenig Wasser zu Gebote steht, und da, wo dieses arm an Dungstoffen ist; denn hier hat das Wasser nur die Aufgabe, die Pflanzen zu tränken, wenn sie dessen bedürftig sind, den Boden frisch zu erhalten und die Auf- und Abwärtsbewegung der Dungstoffe zu vermitteln. Die Nahrung für die Pflanzen wird denselben auf dem Weg direkter Düngerzufuhr geboten und die Grasnarbe nur durch Ansaat nach vorausgegangener tüchtiger Bearbeitung gebildet. Zeitweilige Benutzung des Bodens als Ackerland ist dabei jederzeit möglich. Kostspielige Umbauten werden vermieden, man ist unabhängiger vom Gefälle, und nur an steilen Berghängen und auf zerklüftetem Untergrund ist derartige Berieselung nicht anwendbar; vorzüglich empfehlenswert aber ist sie für diejenigen Bodenarten, welche sich nicht zur Berieselung eignen, weil sie entweder nicht porös genug, also zu bindig, oder zu humös in Krume und Untergrund sind. In neuester Zeit kommt man übrigens von dem Petersenschen Wiesenbausystem vielfach wieder zurück und wendet anstatt desselben mit Vorliebe den natürlichen Wiesenbau an.

Zu den Wässerungsanlagen gehören die das Stauen der Bäche und Flüsse bewirkenden Wehre, Teiche, Schützen, Schleusen etc. mit ihren Dämmen oder die Vorrichtungen zur künstlichen Wasserhebung, dann die zur Weiterführung und gleichmäßigen Verteilung und Verbreitung des Wassers nötigen Zuleitungs-, Transportier-, Verteilungs-, Einlaß- und kleinen Wässerungsgräben und die an diese sich anschließenden Ableitungs-, Entwässerungs-, Abzugs- und Auszugsgräben, die das gebrauchte Wasser abführen und die Abtrocknung der Wiesen bewirken. Ehe jedoch zur Anlage derselben geschritten wird, muß man die Wiesenfläche, welche bewässert werden soll, genau vermessen und nivellieren, auch den Boden und Untergrund untersuchen sowie auch die Menge, Güte und das Gefälle des Wassers, das man auf die Wiesen bringen will, feststellen und einen alle diese Eigentümlichkeiten berücksichtigenden Plan entwerfen und ausarbeiten. Die B. selbst betreffend, so ist ihre Wirkung je nach den verschiedenen Jahreszeiten eine verschiedene. Die B. im Herbst und Frühjahr, hauptsächlich die erstere, ist besonders als düngende Wässerung anzusehen, weil in dieser Zeit das Wasser die meisten Schlammteile mit sich führt und ablagert. Die B. des Vorsommers ist aus dem Grund besonders wichtig und wird die auflösende genannt, weil sie im Beginn der Vegetation den im Herbst niedergelagerten Schlamm auflöst und den Wiesenpflanzen zugänglich macht. Überdies dient die Frühjahrsbewässerung in hervorragendem Maß zur Regulierung der Temperatur, namentlich um bei eintretenden Nachtfrösten Schäden für die Vegetation fern zu halten. Die B. des Sommers ist als die erhaltende anzusehen, darf aber nur in ganz schwacher Übersickerung oder bloß in Aufstauung des Wassers in den Bewässerungsrinnen bestehen, und es darf das Wasser die eigentliche Grasdecke nicht überrieseln. Das Rieseljahr beginnt mit dem Oktober. Die Wässerungswiesen erfordern gute Aufsicht, denn ein an sich geringfügiger Umstand kann oft große Schäden hervorbringen. Hat man bei der Vormahd die Wiese der Länge nach gehauen, so muß dies bei der Nachmahd querüber geschehen, damit nicht durch das Stehenbleiben der Kämme sich die Wiese stellenweise auswässere, wodurch dann leicht Unebenheiten auf der Oberfläche entstehen können. Beim Trocknen des Grases müssen immer die kleinen Gräbchen berücksichtigt werden, damit das Futter nicht in dieselben geworfen werde.