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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dalmatien

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Dalmatien (Bodenbeschreibung, Klima, Bevölkerung, Naturprodukte etc.).

quellen gefüllt werden, indem man deren Lauf abdämmt, zum Teil künstlichen, die aber gewöhnlich im Sommer vertrocknen. Unter den Küstenflüssen ist nur die Narenta von Bedeutung, von der aber bloß die versumpfte Mündung D. angehört. Die andern wenigen Küstenflüsse sind: die Zermanja (die außerhalb der Grenze entspringt), die Kerka mit der Cikola und die Cettina. Alle sind tief eingeschnitten; die Kerka bildet mehrere Wasserfälle, worunter die bei Scardona die bedeutendsten sind. Auch die Cettina stürzt, bevor sie das Meer erreicht, in einen tiefen Schlund. Alle übrigen Gewässer bestehen aus kleinen Bächen, welche häufig nur bei Regenwetter erscheinen und im Karstboden verschwinden. Außer dem salzigen Vranasee (29 qkm) besitzt D. periodisch trockne Becken, die das Regenwasser füllt; so die Seen nächst Zara, Imoski, Vergorac. Es fehlt in D. nicht an Sümpfen (132 qkm); doch haben nur die im Delta der Narenta gelegenen, an deren Trockenlegung seit mehreren Jahren gearbeitet wird, größern Umfang. Das Adriatische Meer bespült in einer Länge von 560 km die Küste von D. Durch die vielen Vorgebirge, Halbinseln und Landengen werden eine Menge Kanäle, Meerengen, Buchten und Baien gebildet, welche für die Schiffahrt um so wohlthätiger sind, als die Küste fast durchaus sehr steil ist. Die vorzüglichsten dieser Meeresstraßen sind: der Canale della Morlacca, der Kanal von Brazza und der Kanal der Narenta. Zu den wichtigsten Meerbusen gehören jener von Spalato und die Bocche di Cattaro, mit ihren Seebecken und Engen der landschaftlich schönste Teil des Landes. Die größte Halbinsel ist die Landzunge von Sabbioncello. Längs der ganzen Küste macht sich eine schwache Strömung von SO. nach NW. bemerkbar, die Corrente generale, welche bei Südwinden am fühlbarsten ist. Ebbe und Flut beträgt nicht mehr als ⅔ m über oder unter der gewöhnlichen Wasserhöhe; nur bei heftigem Wind erreicht sie 1 m. Die bedeutendsten der bewohnten Inseln sind (von N. nach S.): Arbe, Pago, Brazza (die größte und bevölkertste Insel), Lesina, Lissa, Curzola, Lagosta und Meleda. Im allgemeinen hat D. das wärmste Klima aller österreichischen Länder, obschon es durch die Seeluft bedeutend gemildert wird. Das Küstenland hat nur selten einen eigentlichen Winter mit Schnee und Eis, und selten fällt das Thermometer unter den Gefrierpunkt. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Zara 14,8° C., in Ragusa 16,8° C.; die mittlere Regenmenge stellt sich auf 78-80 cm. Der Südost (Scirocco) ist der vorherrschende Wind, seltener weht der Nordwest (Mistral); der gefürchtete Nordost (Bora) tritt so oft ein, als die kalte Luft der höhern Regionen mit der erhitzten Luft der niedern gewaltsam sich ausgleicht. Gewitter sind häufig, über 40 im Jahresdurchschnitt.

[Bevölkerung.] Die Bevölkerung Dalmatiens betrug 1869: 458,611, 1880: 476,101 Personen, so daß auf 1 qkm 37 Einwohner kommen. Die dünnste Bevölkerung fällt auf die Bezirkshauptmannschaft Benkovac (20), die dichteste auf die von Lesina (55). Die Bevölkerung verteilt sich auf 81 Ortsgemeinden und 841 Ortschaften mit 80,149 bewohnten Häusern. Der zahlreichste unter den in D. vertretenen Volksstämmen ist der serbische (93 Proz.), dessen Angehörige im Innern Morlaken genannt werden. Nördlich von der Cettina nähern sich Körperwuchs, Dialekt, Tracht, Gebräuche immer mehr dem kroatischen Typus; auf den Inseln ist der Einfluß des italienischen Idioms bemerkbar. Die Slawen bedienen sich außer dem lateinischen Alphabet auch (für gottesdienstliche Bücher) des Cyrillischen und glagolitischen Alphabets. Den nächst zahlreichen Volksstamm bilden die Italiener (5,8 Proz.), vorzugsweise in den Hafenstädten und auf den Inseln ansässig. In den größern Städten befinden sich 3400 Deutsche. Etwa 900 Albanesen bewohnen Borgo Erizzo bei Zara, gegen 250 Juden spanischer Abkunft machen den Rest der Bevölkerung aus. In Beziehung auf Körpergestalt ist der Dalmatiner ausgezeichnet durch einen hohen Wuchs, ausdrucksvolle Züge, scharfe Sinne und ungewöhnliche Kraft. Er ist ausdauernd, seine Nahrung und Lebensweise einfach, sein Geist bildungsfähig. In manchen Gegenden ist noch jetzt die Blutrache üblich. Der Anzug ist so mannigfaltig, daß z. B. fast jede Gemeinde der Bocche di Cattaro sich durch besondere Tracht auszeichnet. In religiöser Beziehung bekennen sich über 83 Proz. der Bewohner zur römisch-katholischen und 16½ Proz. zur orthodoxen griechischen Kirche; die Evangelischen, die unierten Griechen und die Juden machen zusammen kaum 500 Seelen aus. Die römisch-katholische Kirche zählt einen Erzbischof (zu Zara), fünf Bischöfe (zu Sebenico, Spalato, Lesina, Ragusa und Cattaro). Die orientalischen Griechen haben zwei Bistümer (zu Zara und Cattaro), welche der Czernowitzer Metropolie unterstehen; die Klöster (68 römisch-katholische, 11 griechische) beherbergen 533 Mönche u. 109 Nonnen.

An Bildungsanstalten bestehen außer den bischöflichen Seminaren und Klosterlehranstalten: 4 Obergymnasien (Zara, Spalato, Ragusa, Cattaro), eine Oberrealschule (Spalato), eine Unterrealschule (Zara), eine Lehrerbildungsanstalt (Borgo Erizzo) und eine Lehrerinnenbildungsanstalt (Ragusa), endlich 2 nautische Schulen (Cattaro, Ragusa). Volksschulen gibt es 340. Wahrend 1871 nur 17 Proz. der schulpflichtigen Kinder die Volksschulen besuchten, ist dieses Verhältnis 1880 schon auf 68 Proz. gestiegen. Ein Museum zu Zara ist im Werden, das zu Spalato enthält die in Salona aufgefundenen Altertümer.

[Naturprodukte. Landwirtschaft etc.] Wenige Länder haben verhältnismäßig eine solche Mannigfaltigkeit der Vegetation wie D. Bis zum Fuß der Gebirge kann man zwei Erdstriche unterscheiden. Auf die kahle, felsige Küste folgt ein fetter, aus Mergel, Thon und schwarzer Kohle bestehender Boden. Mangel an Bewässerung, die Vernichtung der Wälder unter der venezianischen Herrschaft, die bei Stürmen mitgeführten Salzteilchen hindern aber das üppige Gedeihen der Pflanzenwelt, namentlich des Baumwuchses, welcher schon durch die Überzahl von Schafen und Ziegen äußerst gefährdet ist. Pinien hat D. nur wenig, um so häufiger sind Cypressen und Strandkiefern. Die Gebüsche bestehen aus Pistazien, Myrten, Wacholder, Johannisbrotbäumen etc. Eine besonders reiche Flora hat die Insel Lesina, wo auch der Rosmarin einige Strecken bedeckt. In den südlichen Gegenden gedeihen Gewächse des südlichsten Europa im Freien, namentlich Kaktus, Agave, selbst die Dattelpalme. Das Ackerland nimmt nur 11 Proz. der Oberfläche ein, dagegen die Weiden (darunter freilich viel wüste Strecken) 47 Proz. Die Weingärten bedecken 6½ Proz., Gärten und Wiesen gegen 4 Proz., der im Innern des Landes spärlich vorkommende Wald nur 30 Proz. Die kargen Erträgnisse des Ackerbaues (ca. 1,650,000 hl Kornfrüchte, hauptsächlich Mais, Gerste und Weizen, 45,000 hl Hülsenfrüchte, 250,000 hl Kartoffeln, 25,000 hl Rüben) reichen für den Bedarf nicht hin; dagegen bleibt von dem erzeugten, mitunter vorzüglichen Wein (1,150,000 hl) und vom Olivenöl (über 100,000 metr. Ztr.) ein Teil zur Ausfuhr übrig. Vortrefflich ge-^[folgende Seite]